So, also hier jetzt speziell für line und töffes und alle anderen die über einen Marathon nachdenken mein Erster-Marathon-Mutmach-Bericht.
Ich kann leider nicht so gut schreiben wie andere (
töffes), deshalb poste ich ihn mal hier in privater Atmosphäre und nicht im Berichte-Forum. Aber Vorsicht, ist ganz schön lang geworden:
9:25, mein Vater und ich stehen im Startblock und warten darauf, dass es losgeht. Zusammen mit knapp 10.000 anderen Läuferinnen und Läufern. Musik donnert aus den Lautsprechern, die Leute klatschen im Takt mit, es riecht nach Nervosität und Anspannung. Obwohl ich so was eigentlich nicht mag, werde ich von der Stimmung total angeheizt, jegliche Demotivation, die wir gestern Abend bei unserer privaten Pastaparty verspürt haben, ist spätestens jetzt komplett verflogen. Wie soll man denn bei so einer Stimmung bitte den ersten Kilometer nicht zu schnell angehen?
Countdown, Startschuss, wir bleiben erst mal stehen. Traben an, bleiben stehen. Traben an, bleiben Stehen. Traben an, da ist die Matte, Knopf an der Uhr drücken, Slalom laufen. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie sich so viel Leute so gnadenlos falsch einordnen können. Was wir da auf den ersten Kilometern so alles überholen ist echt Wahnsinn. Ich bin meinem Vater bei den Überholmanövern nicht aggressiv genug, also lasse ich ihn den Weg suchen und folge einfach nur.
„Ist das 5:30?“ „Keine Ahnung, fühlt sich langsam an, aber ich kann das grad gar nicht einschätzen.“ Irgendwann kommt das erste Kilometerschild, nein, es ist nicht 5:30min/km sondern 5:15. Also Tempo raus. Ist wirklich nicht so einfach, bei so vielen Läufern in seinen Rhythmus zu finden.
Es geht weiter die Rheinallee lang. Irgendwo zwischen Kilometer 2 und 3 kommt die Sonne raus und wird uns den Rest des Laufes begleiten. Na toll, das war genau das Wetter, das ich nicht wollte.
Nach den Schottwerken kommt eine sehr kurze Wendestrecke. Das Feld ist noch so dicht gedrängt, dass wir an der Kehre sogar stehen bleiben müssen und warten, bis sich der Stau aufgelöst hat. Der Kilometer ist dann auch wirklich viel zu langsam, was mich etwas verunsichert (Im Nachhinein weiß ich jetzt, dass diese Wendestrecke eigentlich auf der 2. Runde als Ausgleich zu laufen gewesen wäre und der km somit 150m zu lang war. Alles klar). Egal, wir holen die Zeit auf den nächsten Kilometern eh wieder auf, wir sind nämlich konstant etwas zu schnell. In Mombach ist echt Rosenmontagsstimmung. Die Leute sind gut drauf, es geht bergab, da fällt es sehr schwer sich zu bremsen. Durch die Neustadt, schon sind 10km um, mir kommt es vor, als ob wir erst vor 5 Minuten los gelaufen wären.
Bei km 11 ist der erste Treffpunkt mit unserem „Verpflegungsteam“ ausgemacht, die uns das erste Gel anreichen sollen. Da sind sie ja, mein kleiner Cousin hat sogar ein Plakat gemalt. Wie süß! Und meine Kappe haben sie auch dabei! Das ist sehr gut, die Sonne brennt nämlich. Powergel Limette schmeckt wie Meditonsin. Uargh. Zum Glück habe ich bis ganz kurz vor die Wasserstelle gewartet, bis ich es genommen habe und kann jetzt sofort meinen Mund ausspülen. Kappe noch schnell im Wasserbottich tränken und weiter.
Durch die Innenstadt und die Altstadt. Hier stehen die Zuschauer auf beiden Seiten der engen Gasse und bilden ein dichtes Spalier. Ich glaube, wir werden schon wieder schneller...
So bei km15 geht es dann raus auf die lange gerade Wendestrecke nach Weisenau. 2,5km in die eine Richtung und 2,5 wieder zurück mit relativ wenig Zuschauern und mangelnder Abwechslung, der berüchtigste Teil der Strecke. Im Halbmarathon ist das bestimmt viel schlimmer, so kurz vor Schluss, wir sind ja noch ziemlich fit. Ich versuche mich das erste Mal am Isogetränk, schütte mir das im Laufen natürlich überall hin und weiß jetzt, dass Frubiase im Auge brennt und ganz toll klebt.
Irgendwo bei km20 sollten wir unser nächstes Gel bekommen, halten also Ausschau nach unseren Liebsten. Da ist ja mein Freund am Straßenrand, er scheint allerdings ziemlich beschäftigt damit, einem zusammengeklappten Halbmarathoni einen Zugang zu legen...(der hatte die ganze Zeit nichts getrunken, keine gute Idee. War aber alles halb so schlimm) Die anderen geben uns die Gels und fragen wie's uns geht. Uns geht’s super! Powergel Vanille ist nicht ganz so schlimm wie Limette, aber lecker ist auch anders.
Schon sind wir auf der Rheinallee und somit der Zielgeraden...für den Halbmarathon. Selbstverständlich werden wir unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer schon wieder schneller, obwohl das für uns ja noch lange nicht der Endspurt ist. Wir passieren die HM-Marke bei 1:54:59.
Und das wollen wir jetzt noch mal machen???
Jetzt geht es gleich erst mal auf der Theodor-Heuss-Brücke über den Rhein. Das ist für mich als bekennenden Flachlandläufer schon ein ordentlicher Anstieg, der Kraft kostet, auch wenn wir ganz langsam machen. In Kastel ist die Strecke ganz leicht ansteigend und wir haben Gegenwind. Jetzt, so bei km23 fällt mir das Laufen wirklich schwer. Die Beine sind schon etwas müde und mein Kopf sagt, dass es noch sehr weit ist. Ich muss etwas Tempo raus nehmen und sage meinem Vater, dass er ruhig sein Tempo durchziehen kann. Macht er aber nicht. Danke dafür. Die ersten gehen schon, so schlimm ist es bei mir aber nicht. Außerdem sind die Anwohner super, lauter private Wasserstellen und Gartenschlauchduschen und Kinder, die abgeklatscht werden wollen. Das motiviert. Wäre da nur nicht die Brücke auf dem Rückweg...Als wir uns die gerade hochquälen ruft mein Vater einer erschrockenen Zuschauerin zu „Laufen macht Spaß!!!“. Sie so: „Ich kann auch schon 10km am Stück“ Wir so: „Super!“, Daumen hoch, Applaus.
Hinter der Brücke wieder das Verpflegungsteam. Powergel Black currant schmeckt tatsächlich ganz gut! Ich bin begeistert. Ab jetzt (km28) geht’s mir wieder gut. Irgendwann habe ich das Rechnen aufgegeben und habe keine Ahnung, ob wir vor oder hinter dem Zeitplan sind, aber das ist mir im Moment auch so was von egal. Einfach weiterlaufen und ankommen. Km 31: weiter bin ich noch nie gelaufen. Ich habe etwas Respekt vor dem Unbekannten. Kommt er jetzt noch, der Mann mit dem Hammer? Wieder durch Mombach, es sind jetzt deutlich weniger Zuschauer. Da ist eine Freundin von mir, sie läuft ein Stück mit und meint wir sähen ja noch richtig frisch aus, da wären schon ganz andere vorbei gekommen.
Nur noch 8 km ruft uns der Mann über Lautsprecher zu. Ich schaue auf die Uhr: Das müsste klappen. Wir haben noch viel Zeit für sub4. Ich traue mich aber noch nicht, zu sehr dran zu glauben.
Eine Zuschauerin meint „Lächeln!!!“ Ich drehe mich um und strahle sie an. Damit hat sie wohl nicht gerechnet, auf jeden Fall freut sie sich sehr und ich mich auch. Ich genieße diesen Lauf wirklich.
Bei der Wasserstelle bei km 36 gehen wir das erste Mal, um mal 2 komplette Becher Flüssigkeit reinzukriegen. Im Laufen geht ja doch das Meiste daneben. War das jetzt ein Fehler? Kann ich jetzt nicht mehr anlaufen? Doch, das geht vollkommen ohne Probleme. Und weiter.
In der Neustadt sind viele Bier trinkende Jugendliche, von denen man nicht so genau weiß, ob sie einen anfeuern oder verarschen. Ist mir jetzt auch egal.
Bei km 38 gibt’s noch mal Cola vom privaten Verpflegungsteam. Sie haben uns sogar die Kohlensäure raus geschüttelt, damit uns nicht schlecht wird. Hmm, lecker. Ich trinke die Cola nach den Erfahrungen mit Frubiase im Auge lieber im Gehen. Aber nur ganz kurz.
Wir sind tatsächlich schon wieder in der Innenstadt und posen noch schnell für einen Fotografen. Da ist das rote 40km Schild. Wir geben noch mal Gas. Das geht wirklich noch. Durch die Altstadt, auch hier ist jetzt deutlich weniger los, aber das macht uns nichts mehr. Km 41, langsam wird mir klar, ich werde diesen Marathon echt zu Ende bringen und warum tut eigentlich nichts weh? Rheinallee, Zielgerade, diesmal wirklich Endspurt, ich glaube, wir werden tatsächlich schneller, aber nachprüfen kann ich's nicht. Da ist die Matte, ich stoppe meine Uhr bei 3:54:07. Das war er der erste Marathon, ich kann's gar nicht glauben. Geil! Wo war die Quälerei, wo war der Mann mit dem Hammer? Nicht bei mir. Ich bin einfach nur glücklich und stolz, es geschafft zu haben.
Und jetzt die eigentliche Tragödie des Tages: Das Erdinger ist alle. Da waren wir wohl doch zu langsam...
Liebe Grüße
Bohne
P.S.: Markus, es gibt da so ein tolles Kartenspiel, Bohnanza. Und die rote Bohne ist mein Lieblingscharakter. Muss ich wohl gespielt haben, bevor ich mich hier angemeldet habe...