... "sie haben ihr Ziel erreicht" flötet die nette Damenstimme der Navi mir entgegen. "Na so ganz richtig bin ich wohl noch nicht" denke ich mir, stehe ich doch auf einer Eisenbahnbrücke. Ein bischen weiter die Straße hinunter taucht es dann aber doch auf: Haus Ovendieck. "Hah gefunden - ers..." schießt mir durch den Kopf doch in dem Moment fällt mir gleich das Hamburger Kennzeichen auf. Ok doch nicht erster. Keines der Kennzeichen der anderen Fahrzeuge deuteten darauf hin, dass schon andere Auswärtige angekommen waren. Dann eben zweiter.
Das Einchecken besteht darin, einen Schlüssel für die Haustür "Den will isch morgn persönlisch von inne wiederham" und Zimmerschlüssel (Will sie den auch persönlich wiederhaben?) keine Unterschrift kein Perso - nix. Das ist ja einfach. Da weiß ich schon, wo ich Unterschlupf finden kann, wenn die Luft mal brennt. Mein Zimmer ist ganz ok, Fernseher funktioniert - da kann ich nachher noch ein bischen Zappen vorm einschlafen. Es stinkt nur auffällig nach altem Aschenbecher, der Geruch geht wohl nicht mehr raus aus den Möbeln.
Fast sofort setzt das Gefühl der Langweile gemischt mit Hibbeligkeit ein. Nix zu tun, keiner da - ah doch Fidi und Steffen. Also gleich mal anrufen. Nach etwa 10 Mal klingeln (jaja ich red nicht nur viel ich bin auch hartnäckig) meldet sich ein etwas verschlafener Steffen am anderen Ende und erzählt irgendwas von Mittagsschlaf, Weihnachtsmarkt und so. Mittagsschlaf? Um 16:30 Uhr? Messerscharf kombiniere ich und erhalte Glühwein als Erklärung für die mittäglich Ruhe
"Lass uns doch so um 17 Uhr im Frühstücksraum treffen, da können wir auch gleich die neuen Ankömmlinge begrüßen." Fein, meine Unruhe steigt. Sind die Foris so, wie ich mir das vorgesetellt hab? Vor allem auf Greenie bin ich gespannt. Früher hab ich nie verstanden, wie man ein Blog schreiben kann. Was für eine Zeitverschwendung, zumal es doch wirklich niemanden interessiert und somit auch niemand da reinschaut. Dann hab ich mal aus Langeweile auf den Link geklickt. Bis abends war ich nur noch am lesen und kichern. Wirklich lustig. Aber meine Güte, was für ein Musikgeschmack. Da fühl ich mich mit meiner bescheidenen Musiksammlung ja richtig normal.
Recht pünktlich um 17 Uhr treffe ich Fidi, Steffen und Anneke. Wir setzen uns in den Frühstücksraum von wo aus wir einen Guten Blick auf den Anmeldetresen haben. So entgeht uns keiner. Wie viele wollten doch gleich kommen? Unbemerkt steigt meine Nervosität und entlädt sich in Worten. Es ist unglaublich, wie viel sinnloses Zeug ich aneinanderreihe und für andere mehr oder weniger verständlich loslassen kann. Dabei war der Plan doch, heute mal cool aufzutreten und zu reagieren und nicht dauernd andere mit Fragen und anderen Texten zuzuschütten. Langsam aber sicher tropfen alle herein, einer nach dem anderen. Auch Greenie. Meine Güte, ist die - ich such nach einem geeigenten Wort - lieb?! Ich bin etwas verunsichert. Kommt da noch was, oder ist die wirklich so harmlos? Ich war auf vieles gefasst, aber darauf nun wirklich nicht. Prompt quassel ich sie mehrfach über den Haufen.
Die Zeit verfliegt, kaum dass wir uns getroffen haben, ist es auch schon 18:45, es sind alle da - halt nein, Alpi fehlt. Klar, der will wieder nen Extraauftritt. In allerletzter Minute kommt er angerauscht. Großer Bahnhof für Alpi, dass keine Laola zustande kommt liegt wohl daran, dass daran wieder nur mal ich denke. Die Mägen einiger knurren schon gefährlich, es wird wirklich Zeit. Ivan wir kommen. Nebenbei macht Hajott eine kleine Stadtführung und erzählt ein wenig von Marl. Der Ortsname war mir bis Dato noch völlig unbekannt, Nachbarorte wie Gelsenkirchen oder Recklinghausen kennt man ja, aber Marl?
Wettkampf die erste
Nach einem kurzen Fußmarsch "Ist es noch weiheit?" - "Ich muß maaal" - "Mir ist langweilig" treffen wir beim Ivan ein, einem kleinen Restaurant irgendwo in Marl (frach misch nett, wo des iss, isch komm nett von hieä). Dimitri oder wahlweise Ivan schaffen Getränke heran. Zum Glück bin ich mit meiner Hopfensaftkaltschale nicht allein.
"Palatschinken könn ma nisch" - "Das dauet zu lang" - Wie bitte? Kaum vorstellbar, dass ein einfacher Pfannekuchen so lange dauern soll. Egal, ich wollt das eh nicht, nur zwei Mädels neben mir am Tisch. Irgendwie hatten sich die Namen sofort nachdem ich sie gehört hab, wieder aus den Gehinrwindungen verdünnisiert, verdammt, wie konnte das passieren. Bin ich doof. Zu meiner linken haben sich Stefan und Alpi niedergelassen gegenüber sitzen Hajott und Buschi. Na da bin ich doch in bester Gesellschaft. Die Aufregung läßt langsam nach, neben mir sitzt ein mir ebenbürtiger Vielredner. Überhaupt scheinen alle extrem schwer beschäftigt zu sein, sich auszutauschen. Gute Entscheidung, schon am Samstag mit dabei zu sein, da hätteste echt was verpasst.
Carboloading scheint heute abend kein Thema zu sein. Ich sehe kein einziges Nudelgericht - eher Fleischspieße, Pommes und Steak. Mir ist es recht, hab ich mir morgen doch eigentlich nichts vorgenommen (aber blamieren will man sich ja auch nicht). Wo die Zeit zwischen 19 und 23 Uhr geblieben ist weiß der Geier. Ivan war fleißig und hat uns immer gut versorgt. Mitlerweile sind wir ein paar weniger geworden und mehr zusammengerückt. Um 22:30 haben wir noch einmal lautstark auf Sigi angestoßen, der leider nicht da sein kann - schaaade. Ich bilde mir ein, dass alle etwas innehalten, nachdem sie das Glas abgesetzt haben, aber ich kann mich täuschen. Zumindest für eine Augenblick stelle ich mir vor, mit Sigi auf unser grandioses Debüt noch einmal anzustoßen - das ist noch nicht vergessen, das holen wir nach.
"Lach doch mal" - Greenie guckt den trübsinnig dreinblickenden Ivan an. "Ich kann nicht. Meine Freundin hat mich letzte Woche verlassen" - "Ach, sei doch froh das Du die Schlampe los bist." Unwillkürlich zieh ich meinen Kopf ein. Wow, hier wird scharf geschossen. Leider war das wohl nicht ganz getroffen, Ivan jammert angeschalgen noch was von "Ich will sie wiederhaben" - Armer Tropf. Eigentlich wäre an dieser Stelle wohl der Fangschuß fällig, aber das Tier entzieht sich dem Auge, keine Chance, nachzusetzen.
Die Tür ist längst zugesperrt und wir sind die einzigen Gäste. Nach hause zu gehen kommt mir eigentlich nicht in den Sinn, auch wenn immer mehr den Weg in Richtung Heimat/ Bett einschlagen. Alpi und Stefan haben ihre Schlagzahl gefunden und sind glücklich. Wieviele Biere ich habe, weiss ich ehrlich gesagt auch nicht mehr so ganz, aber wozu gibt es eine Rechnung, da werden wir das schon auseinanderklamüstern. Ich bin mir aber ganz sicher, dass Stefan mehr hat.
Als es so auf 12 Uhr zugeht habe ich das Gefühl, dass der übrig gebliebene Ivan uns wohl langsam loswerden möchte. Das ist leichter gesagt als getan. Gerade sind einige Leute so richtig in Schwung gekommen - hmm ich gehöre wohl auch dazu. Selten kommt der Gedanke auf, morgen auch noch laufen zu müssen. Diese Äußerung wird von den Meißten mit Missachtung oder einem Schlterzucken beantwortet. Macht Alkohol gleichgültig?
Auf uns allein gestellt treten wir um halb eins den Heimweg an. Hajott hatte sich schon früh am abend abgesetzt, niemand mehr der uns führen könnte. "Ich zünd Disch an!!!" knallt es ab und zu durch die Nacht, doch richtig ernst nehmen kann man Greenie dabei nicht, auch wenn sie versucht, eine möglichst bedrohliche Haltung anzunehmen und mit voller Inbrunst loszudonnern (wozu so eine zierliche Person doch alles in der Lage ist). Erstens ist diese Drohung meißt gegen Pit (ok der ist schon n klasse Kumpel und es tät mir wirklich leid, ihn in Flammen aufgehen zu sehen) gerichtet und zweitens kann sie ihr Lachen dabei nicht wirklich verbergen. Jaja von wegen "böse" sie ist eigentlich doch lieb oder?
"Nen chkleinen Absachker trinchken wir aber doch noch, oda?" Alpi will noch nicht ins Bett. Und eigentlich gibt es keinen in der Gruppe, der ernsthaft etwas dagegen hat, noch irgendwo ein kleines Bierchen zu trinken - nur ganz kurz, nur für zwanzig oder dreißig Minuten. Einige bedürfen noch etwas Überredungskunst, aber wir kriegen dir Kurve und ziehen zielstrebig zum Irish Pub. "Live Musik, das ist ja toll, hier bleiben wir". Schnell sind ein Wandtresen und ein paar Barhocker erobert. Wie schafft er das nur? Gerade hab ich meine Jacke ausgezogen, da hält Alpi schon den nächsten halben Liter Bier in der Hand. Respekt, der Mann hat ganz klaren Zug zum Ziel. Wir ziehen nach, ich steige um auf Stout zusammen mit Greenie und Mik, was die anderen trinken nehme ich in diesem Augenblick nicht wahr, aber dass da Alkohol drin war davon geh ich jetzt mal aus.
Kleines Intermezzo
"FC Schalke - deutscher Meister ..." tönt ein angeschossener Eingeborener, der gerade neben mir versucht sich zu erleichtern. "Die schpieln doch erst morgen???" Das hätt ich jetzt nicht sagen sollen. Sofort hab ich seine Aufmerksamkeit, oder das, was nach einem Übermaß an Alkoholgenuß noch übrig ist. Selbst ich, obwohl schon einige Biere intus, bemerke seine aufdringliche Spritfahne. "Na hund?" Er verdreht die Augen: "Wer is schon Bieeelefeld". Respekt, der Mann weiß Bescheid und kann selbst in diesem Augenblick seiner geistigen Umnachtung nahe sich noch relativ klar äußern. Auch wenn er einen halben Kopf kleiner ist, spüre ich, dass es wohl sinnvoller ist, diese Diskussion nicht weiterzuführen, außerdem trainiert der Professor ja die Schalker, also schlägt mein Herz schon ein wenig für sie. "Wooh komms su eintlich her?" Ich sehe schon, das wird ein längeres Gespräch - mir egal, denk ich, da kommste locker raus. "Hannover" lass ich möglichst lässig über meine Lippen kommen, oder klang das jetzt gelallt? "Unnn was machsu hiea?" "Laufen - morgen in Berdlich" - definitiv ich hab auch schon leichte Sprachstörungen. "Laufn? Bissu bekloppt? Kannsu doch in Hannova tun" Wie um alles in der Welt erklär ich dem Männchen jetzt, dass ich mich morgen mit 70 Foris treffe. Nee keinen Zweck, der kennt bestimmt nicht mal den Begriff Forum. "Das mein Sehsonabschlus" - "Passte ebn ganz gut". "Ahhso" sagt er noch und verschwindet. Ob ich ihm hätte sagen sollen, dass seine Hose noch offen stand? Naja vielleicht ist es so besser fürs nächste Mal. Ich verlasse die Örtlichkeit, da sehe ich aus dem Augenwinkel nen Typen auf dem Damenklo, der sich scheinbar um seine Freundin kümmert, der es nicht mehr ganz so gut geht. Hach, Stoff für die Anderen denk ich mir so und schlender zurück.
Langsam schwinden mir die Gedanken schneller, als ich sie aussprechen kann. Übrig bleibt irgendein ziemlich zusammenhangloser Quatsch, aber anderen in der Runde geht es genauso. Jetzt zeigt es sich, die Rheinländer drehen richtig auf. Pit ist voll dabei, auch wenn irgendwie keiner auf die Idee kommt, schmutzige Lieder abzusingen entspricht die Stimmung doch etwa einer solchen Situation. Ganz leise und unbemerkt schleichen einige nach hause. Da es mir trotz der nicht ganz unwesentlichen Menge an Bier extrem gut geht, denke ich nicht im Traum daran. Irgendwann fällt mein Blick auf die Uhr: 2:15 - da hab ich dann ja noch locker über 5 Stunden Schlaf, wenn ich jetzt nach hause gehen würde. Das langt dicke. Kleiner Selbstbetrug, denn wir waren nicht wirklich bestrebt, einen Fuß vor die Tür zu setzen.
Zwischen Stout, Bier, Cola-Cognac, Zuwendungsbekundungen "Isch zünd Disch an!!!" und Züngeleien rennt die Zeit davon. Stefan läßt langsam nach. Sehe ich da etwa Krämpfe? Sieht ganz so aus, denn er nimmt deutlich das Tempo raus. Alpi zieht ihm langsam davon. Respekt, Herr Zuckerbächker. Stefan versucht noch einmal, Anschluß zu gewinnen, ordert noch ein Bier. Ich kann mich auch nicht wirklich gegen Greenie durchsetzen, "kooom ein könn ma noch" "ich bezahl auch". Puh, hoffentlich geht das gut. Am Geld hats nie gelegen Greenie.
Wenn wir morgen oder wenigstens am Montag nicht in der Lokalpresse auftauchen, weiß ich auch nicht. Langsam wird die Bedienung locker, ich hab das Gefühl, wir gehören auch hier zu den letzten Gästen. Marcel, ein junger aber tüchtiger Kellner, sitzt auf Tischen, raucht eine und trinkt mit Alpi zusammen ein Bier. Is das schön, so kann es weitergehen. Das einzige, was stört ist die leichte Müdigkeit, die so langsam in mir hochkriecht. Nur schwer widerstehe ich, die Augendeckel zuzuklappen und mich zur Seite zu lehnen, zumal ich auf der einen gnadenlos ins Leere fallen und auf der anderen Seite Greenie vom Hocker schupsen würde.
Langsam werden die Hocker hochgestellt. Ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass wir gehen sollten. Stefan ordert noch 5 Minuten vorher den letzten halben Lieter, schafft es aber gerade mal, diesen noch anzugucken. Wir brechen auf. Die frische Morgenluft tut gut. Hatte gar nicht mitbekommen, dass es so stickig im Pub war. Zum Glück ist der Weg nicht weit und auf Grund der ruhigen Verkehrslage auch nicht wirklich gefährlich (kein Schwein weit und breit mit dem Auto unterwegs). Pit meint, auf der Straße sein Lager aufschlagen zu müssen, ein großes Stück Plakat soll dabei die Bettdecke sein. Aber auch nach mehrmaligem Wälzen über den Asphalt will sich keine bequeme Position einstellen, sodass wir ihn wieder aufsammeln und mit in die Pension schleifen.
Ob wir ruhig waren, als wir die Pension stürmen, wage ich mal zu bezweifeln. Schnell noch gute Nacht gesagt, verschwinde ich in mein Bett. Puh, ich horche in mich hinein. Muss ich mal mit Villeroy & Boch telefonieren? Nein, alles im blau-grünen Bereich, dann ab ins Bett. Ich werde wohl auf dem Weg von der Senkrechten in die Waagerechte eingeschalfen sein müssen, jedenfalls kann ich mich nicht mehr daran erinnern, unter die Bettdecke gekrochen zu sein.
Der Wettkampf nach dem Wettkampf
Irgendwie habe ich es geschafft, meinem Hnady und meiner Uhr zu sagen, sie mögen mich um 7:45 wecken. Mein Gleichgewichtssinn teilt mir unmissverständlich mit, dass das Blut noch deutlich verdünnt ist. So ein Mist. Wenigstens 2 Stunden mehr Schlaf könnte ich jetzt wirklich gut gebrauchen. Zum Glück passt mein Kopf durch die Tür, ist doch schon mal was. Ich entschließe mich zu einer kalten Dusche in der Hoffnung auch den restlichen Körper aufwecken zu können. Das funktioniert leidlich, das Denken fällt weiterhin etwas schwer.
Als ich den Frühstücksraum betrete, sehe ich grinsende Gesichter. Lachen die über mich? Sehe ich so zerknautscht aus? Ein paar von heute morgen sind schon da und sehen so aus, wie ich mich fühle. Pit versucht unbeschwert dreinzugucken, das kauf ich ihm allerdings nicht ab. Greenie ist etwas blaß um die Nase - na um der Wahrheit die Ehre zu geben eher weiß wie eine Wand. Alpi, Buschi und Stefan lassen noch auf sich warten. Den Rest nehem ich nur verschwommen wahr, nur Steffens Grinsen brennt sich irgendwie in meine Netzhaut. Ist da was von "Selber Schuld" zu lesen?
Erst mal ein Brötchen und nen Kaffee. Die Lebensgeister kommen sachte wieder aus ihren Verstecken gekrochen, wo sie vor der Alkohollawine Schutz gescuht haben. Nebenan wird aufgejubelt, als wäre jemand ins Ziel gelaufen, was ist da denn los? Ich luge um die Ecke, kann aber nichts entdecken, was den Jubel ausgelöst haben könnte. Ah vielleicht doch. Greenie hat ihre Laufklamotten angezogen. Aber was ist daran jetzt so besonders?
Irgendewie geht das Frühstück vorbei und ich lauf noch etwas unentschlossen herum, sammle meine Klamotten ein und weiß eigentlich immer noch nicht, ob nun kurz oder lang. Es regnet nicht, es ist lauwarm oder so was - meine Güte Alkohol stört das Temperaturempfinden doch erheblich - und irgendwie ist mir nicht grad nach Schwitzen. Also kurze Hose.
Als endlich zur Abfahrt geblasen wird, steht Alpi auf der Matte - erwähnte ich schon mal, dass er scheinbar immer einen Extraauftritt braucht? Meine Güte, der sieht ja zerknautscht aus. In Freude darauf, dass der Lauf wahrscheinlich den Restalkohol aus dem Körper treiben wird fährt die Karavane Richtung Bertlich.
In der Pausenhalle treffe ich endlich auf die anderen Foris. Tolles Gefühl ... müsste das jetzt sein, aber irgendwie bin ich dann doch zu sehr mit mir selbst beschäftigt und damit, andere nicht mit meiner Fahne zu erschlagen. Scheinbar mit Erfolg, jednefalls weicht keiner mit erschrocken aufgerissenen Augen zurück, wenn ich mich mit ihm unterhalte.
Dann sehe ich zum ersten Mal Tim in echt. Ich begrüße ihn, wir plaudern über belangloses Technikblabla, mehr ist nicht drin. Sorry Tim, nächstes Mal vielleicht. Stefan betätigt sich wieder in seiner Kernkompetenz: Fettnäpfchen springen. Man könnte meinen, da wo wir Foris uns treffen, stehen halt auch nur Foris herum. Dies muss wohl der Grund sein, warum Stefan ganz unvermittelt einen Läufer aus einer Dreiergruppe anspricht: "Dich hab ich doch auch eben gesehen. Aufm Klo. Du hast so lange abgeschüttelt." Vorsichtig ziehe ich meinen Kopf ein. Die drei lachen etwas verstört und ziehen von dannen. "Wer warn das jetzt grad?" "Keine Ahnung Stefan, ich glaub, die gehören nicht zu uns."
Es fängt an zu regnen. Immer wieder sind Leute in größeren Pulks verschwunden und kommen dezimiert wieder. Die starten. Ich nehem das wohl wahr, aber der Regen macht mir mehr zu schaffen. Bis ich schließlich fast allein dastehe. Kauf ich mir eine Kappe oder nicht? Mein Blick fällt auf die Uhr: 10:31 - langsam ganz langsam frisst sich das Bewußtsein seinen Weg durch meine Gehirnwindungen. Du musst los. Um 10:40 ist Start. Irgendwo da draußen. Schnell entledige ich mich meinr Klamotten und verfalle in leichte Hektik. Scheiße, das sollte nun auch nicht passieren, dass ich dem Feld hinterherlaufe.
So eine Hektik hat aber auch seine guten Seiten. Man konzentriert sich aufs Wesentliche. Im Startraum stehen eine Menge Foris zusammen. Phoenix schießt Fotos. Ich versuche locker und entspannt auszusehen, ganz einfach das. Eine richtige Anspannung verspühre ich nicht. Wäherend wir da so herumstehen trillert jemand und Peng gehts los. Nun bin ich noch nicht besonders viele Wettkämpfe gelaufen aber das schein allein ausgereicht zu haben, um meine Beine loslaufen zu lassen. Zum Glück holt der Kopf schnell auf und so treffen sich alle Teile nach ein paar Hundert Metern. Etwas Slalom um die Leute, die meines Erachtens zu langsam sind und dann rollen lassen.
Ich will zwar entspannt laufen, aber blamieren muss man sich ja nicht, also hab ich schon eine Zeit zwischen 1:50 und 2:00 im Sinn. Wieviel das auf den Kilometer ausmacht, weiss ich nicht, die Hektik hat mir diese Zahlenspiele zunichte gemacht. "So trifft man sich wieder" - Odo hat sich auch nach vorn gearbeitet. Für ihn müsste das hier doch der reinste Spaziergang sein. Nicht mitgefeiert gestern und mit normalerweise deutlich höherem Tempo unterwegs. Und richtig keine Schweißperle auf der Stirn verrät eine Anstrengung. Eine schöne Begleitung auch wenn ich aus einem etwaigen Zielduell wohl heute als Verlierer hervorgehen würde.
"Guck mal kennen wir die nicht?" Der Kieler war zusammen mit Steffen aufgeschlossen. War da ein leicht spöttischer Unterton? Irgendwie scheinen sie genügend Zeit gehabt zu haben, über uns abzulästern auf dem Weg der Aufholjagd. Sie setzen sich vor uns, Jörg und ich hinten dran. So ja nun nicht meine Herren, erst von 2:15 sprechen und dann hier so ein Tempo vorlegen. In der Tat 5:06 sprechen eine deutliche Sprache. Ich bin erstaunt, wie wenig der Alkohol meine Bewegung beeinträchtigt. Na das kommt bestimmt, wenn der Alk ganz verdampft ist.
Irgendwer schrieb in der Vorbereitung auf Bertlich, das sei hier völlig eben - ich glaub sogar den Begriff Topfeben gelesen zu haben. Frechheit. Hier gitb es Höhenmeter ohne Ende. Welliges Profil würd das ein Profi wohl nennen. Ich denke kurz über einen taktischen Angriff nach, verwerfe diesen jedoch gleich wieder. Ich bin doch nicht bekloppt. So trommeln wir langsam durch die Landschaft.
"Wie ist denn eure Zielzeit?" Ein Läufer, der wohl die ganze Zeit neben uns gewesen sein muss. Erst jetzt nehme ich ihn so recht wahr. "Ehrlich gesagt sind wir noch am diskutieren." Ich versuche dabei, so locker und entspannt wie möglich zu wirken. Der soll merken, dass bei uns noch dicke Luft drin ist und wir hier einfach nur so ein Spaßläufchen machen. "Na wenn ihr so weiterlauft, dann schafft ihr 1:50". "Jörg, soll dein 21km Lauf nicht im regenerativen Bereich liegen?" Ich versuch dem Typen klarzumachen, das Jörg hier völlig unterfordert ist. "Nee doch nicht im Wettkampf" - der Typ scheints nicht zu kapieren. Ok dann deutlicher "Mein Kollege hier läuft normalerweise unter 1:30" Der saß. "Oh ach so" - "naja dies ist erst mein zweiter Wettkampf - den ersten bin ich mit 1:59 gelaufen". Ich wollte mich zwar unterhalten, aber nicht über fremder Leute Wettkämpfe. "Ist doch super" - "Ja und jetzt versuch ich halt unter 1:50 zu bleiben" "Na dann viel Glück". Ich glaub, das hat gereicht, wir kommen an eine Steigung und treten etwas an. Der 1:50er fällt etwas zurück. Ruhe. Puh.
Noch immer hab ich nicht das Gefühl, dass mir die Luft ausgehen könnte. Es rollt verdammt gut. Nur meine Motivation hinkt etwas hinterher, aber abreißen läßt sie nicht. An dem ein oder anderen Getränkestand halten wir an. Da ich vor dem Lauf eigentlich gar nichts richtig getrunken hab und ich wohl etwas Mineralien gebrauchen könnte, nehem ich mir auch den ein oder anderen Becher. Das kaltes Wasser meinem Magen nicht gut tut, weiß ich ja, nur dieses Wissen scheint auf dem Weg zu meinem Bewußtsein irgendwo hängen geblieben zu sein, denn schon hatte ich den ersten langen Schluck intus. Prompt meldet sich der Magen. Es fühlt sich an, als hätte ich grad einen dicken Stein verschluckt. Aua. Jetzt poltert dieser Kiesel da im Magen herum und drückt auch noch unangenehm in alle Richtungen. Zum Glück hält dieser Zustand nur ein paar hundert Meter an, dann entspannt sich die Lage zunehmens.
Bein nächsten Mal bin ich schlauer. Ich nehme einen warmen Becher Gatorade. Doch der will sich nun gar nicht richtig trinken lassen. Schon im Mund hab ich das Gefühl, dass da ein kleines Männchen im Magen mit Direktschalte zur Mundhöle sagt, "Nix da, das Zeug kommt hier nicht rein - das bringt mir den ganzen Laden drucheinander". Einen Schluck würge ich herunter, aber so richtig gut ist das nicht. Sollte ich jetzt das verspätete Telefonat führen? Aber glücklicherweise entspannte sich auch diese Lage nach einiger Zeit und entlud sich mit einem herzhaften lautstarken Ausatmen, das einem Elch zu Ehren gereicht hätte.
Zielstrebig laufen wir auf die Veranstaltungshalle und die Startbereiche zu, als ein Schuß ertönt. Genau vor unserer Nase startet der 10km Lauf. Wir biegen ein und mischen uns unter die Läufer. Bahnen uns den Weg. "Aaachtung - dürfen wir mal duhurch". "Buschi!!! Hey komm mit" - "Nee lass mal ihr seid mir zu schnell" sprachs und schwupp sind wir an ihm vorrüber. Mit etwas Slalom und zickzack durchqueren wir einen großen Teil des 10km Feldes bis die Überholfrequenz langsam abnimmt. Erst jetzt merke ich, dass wir einen kleinen Zwischenspurt eingelegt haben. Hab auch prompt die Kilometermarke verpasst, was ein Ärger. Klar sollte das hier ein unambitionierter Lauf werden, aber ich muss doch wissen, _wie_ unambitioniert ich unterwegs bin.
Noch immer hab ich das Gefühl, wir stecken mittem im Zwischensprint da kommt auch schon das nächste Kilometerschild. WAHAS? "Ey Jungs, wir müssen mal etwas Fahrt rausnehmen, den letzten ham wa in 4:37 gemacht" - "Äh Odie, das war nicht das Kilometerschild" Wie? Ach ja, wär auch zu schön gewesen. Nach dem korrigierten Schild sinkt das Adrenalin deutlich wieder ab. Wie konnte ich nur glauben, dass ich mal eben einen Kilometer in der Zeit hinlege ohne mich deutlich mehr anzustrengen?
Wieder ein Trinkstand. Mitlerweile dürften so 16 Kilometer hinter uns liegen. "Mir is das zu schnell ich mach nich mehr" Steffen will sich aus der Gruppe verabschieden. Und was mach ich? Nichts - Kameradenschwein, ich geb einfach wieder Gas um die beiden Enteilten einzuholen. Irgendwie ist mir das ja schon peinlich. Doch zu unser aller Freude schließt auch Steffen wieder auf. Puh, manchmal scheint auch einfache Ignoranz eines Problemes zu helfen. "Eine kleine Lüge hat noch niemandem geschadet. Mir tut sie nicht weh und anderen hilft es vielleicht" sagt Odo und schlägt Frank auf die Schulter "Du siehst gut aus". Das fiese Grinsen von Jörg hab ich leider nicht sehen können - nee watt fies.
Wusch, wieder ein 10km Läufer, die seit einiger Zeit an uns vorbeisprinten. Ich häng mich dran, tu so, als wär das alles kein Problem für mich. Angeber. Ich nun wieder. "Odie, mach Dein Ding!" ruft Steffen noch von hinten. Scheiße, so war das doch gar nicht gemeint. Ich lasse abreißen und warte brav auf die anderen. Das hätt ich nicht durchgehalten, waren bestimmt noch 2 Kilometer ins Ziel, der Sprint wäre etwas zu lang gewesen.
Endlich der Sportplatz. Ich biege auf die Zielgerade ein, da sehe ich die Uhr: 1:49:36. "He Leute Gas geben - das schaffen wir noch unter 1:50" ruf ich noch und ziehe an. Ein Blitz zieht an mir vorbei, Odo, klar wer sonst. Hatte ich das nicht schon vorher geahnt? Ich häng mich ran schaffe aber nicht mehr, ihn noch zu überholen. Einzig die aufgeweichte Aschebahn scheint sich über die Sohlen von Jörg ihren Weg in mein Gesicht zu bahnen. Dann lauf ich durchs Ziel. Siegerfaust für die 1:50 aber eigentlich war das gar nicht so grandios. Ein schöner Lauf mit der angenehmen Nebenwirkung, wieder völlig nüchtern zu sein, hat doch was. Stefan ist mal wieder mit Krämpfen ins Ziel gelaufen, dafür mit ner 1:42. Teufel noch eins, sollte Alkohol doch ein gewissen Dopingeffekt haben?
Sieger und Pokale
Hunger ich hab hunger, jedenfalls glaube ich das. Das plümerante Gefühl in meiner Magengegend wird zunehmens aufdringlicher. Vorsichtig versuche ich mich an einer Bratwurst. Ja, geht rein, bleibt drin. Ein paar Cola oben drauf zur Spülung verhelfen mir auch magentechnisch wieder zu der nötigen Ruhe.
In der Pausenhalle treffen so langsam aber sicher alle Foris wieder ein. Ab und zu wird noch mal rausgegangen ins Stadion um neue Ankömmlinge zu bejubeln - ist doch Ehrensache. Bei der Siegerehrung dann eine Überraschung: Tanja klettert auf die Bühne. "Ich hab meinen Namen gehört, da bin ich hier rauf". Siehste Thorsten, so musst Du das machen, gleich nen Pokal abräumen. Wenn das mal kein Ansporn für weitere Gipfelstürme ist.
Irgendwann (viel zu schnell) wird es Zeit, nach hause zu fahren. Innerlich sträube ich mich dagegen, ich will hier nicht weg. Die sind alle so nett. Außerdem hab ich ja noch gar nicht mit allen geredet. Aber da auch der größte Teil der Meute langsam aufbricht, fällt mir mein Abschied etwas leichter.
Bis nächstes Jahr,
Tschüß
Mein Marathondebüt Frankfurt City Marathon 31.10.2004
[ Dieser Beitrag wurde von odie am 02.12.2004 editiert. ]
) 
ich habe es gelesen..TOLLE BERICHT. Odie, dein bericht ist fast so gut wie die von Greenie, Klasse, gut laufen kannst du auch 
Hasi...
