Getrieben von meiner tollen Zeit beim Marathon in Bonn von 3:28 hatte ich mir überlegt, dass es doch nett wäre, nicht einfach nur die 1:40 zu knacken, sondern gleich deutlich darunter zu bleiben. Meister Rechenkneckt bestätigte mir dann auch, dass dies durchaus ein heikles Unterfangen sein könnte. Für eine 1:37 müssten es immerhin 4:36 Min/km sein, die über die ganze Distanz durchzuhalten wären.
Trotz aller Bedenken stand der Plan fest, es waren Zeiten so um die 4:35 zu sammeln, solange es geht. Im Hinterkopf meldete sich zwar immer wieder eine zaghafte Stimme der Vernunft, aber der Ehrgeiz war lauter. Waren meine letzten Wettkämpfe eigentlich immer recht ruhig verlaufen, sollte es dieses Mal ganz anders werden.
Nach dem Start ging es zügig los, die Drängelei hielt sich in Grenzen. Schnell fand ich ein Tempo, welches ich als relativ flott aber durchaus lauffähig empfand, die Vernunft hatte es wohl aufgegeben und schmollte in der Ecke, jedenfalls war nichts zu hören. Prompt überlief ich auch das erste Kilometerschild und hatte keinen Anhaltspunkt fürs Tempo. Erst nach 2 Kilometern stand fest, ich liege ganz gut in der Zeit: 9:19 standen da auf dem Tacho. Es dauerte dann noch 5 Kilometer, in denen ich dann immer etwas in der Zeit hin und her pendelte, bis ich schließlich bei meinen 4:3x Zeiten gelandet war. Leider fehlte mir ein wichtiges Detail, auf welches ich hoffte, dass es mich dann doch irgendwann einholt, aber ich war wohl zu schnell dafür unterwegs: das gute Gefühl.
Ich war nicht am keuchen, aber anstrengend war es schon. Genießen sieht dann doch etwas anders aus. Nach 14 Kilometern schlug es dann erbarmungslos und unerwartet zu: ich hatte das Gefühl, die Außentemperatur sei schlagartig um 10 Grad gefallen. Der Puls war in einem Bereich, in dem ich ihn bei einem HM eigentlich erwartet hatte, aber ich fühlte mich echt mies. Mein Tempo verringerte sich und ich hatte das Gefühl, dass ich stehenblieb.
Plötzlich war sie wieder da, die Stimme der Vernunft. Mit Dir kann ich jetzt auch nichts mehr anfangen, fluchte ich. Die Kilometer zogen sich wie Kaugummi und ich hoffte nur noch irgendwie halbwegs passabel ins Ziel zu kommen. An einem Verpflegungstand nahm ich ein wenig Wasser und trottete weiter. Zeitweilig immer wieder versucht, das Tempo aufzunehmen, doch es kam mir vor, wie ein stotternder Moter, der nicht richtig wollte.
Der Puls sank auf ein Niveau, wie ich es vom Marathon her kannte. Die Beine waren auch voller Tatendrang, nur der restliche Körper war einfach nicht bereit, vom Kopf mal ganz zu schweigen. Irgendwie trottete ich die nächsten Kilometer (es müssen so 5 gewesen sein) so dahin, der Spaß hatte sich irgendwohin verkrümelt, wo ihn keiner mehr findet und auch die Zuschauer, die wieder vereinzelt an der Strecke standen, halfen nicht wirklich - das lag aber wohl auch daran, dass die sich eher zurückgehalten haben. An der Stelle hätte ich gut einen Drillsergant gebraucht oder sowas. Einer der mir meinen Kopf leerpustet damit meine Beine wieder frei laufen können.
Ich kann es mir nicht erklären, woran es lag. Waren es die letzten Kilometer, auf denen ich mich "ausgeruht" hatte oder war es einfach das Gefühl, gleich im Ziel zu sein. Meine Schritte wurden wieder schneller und bald hatte ich das Tempo der umliegenden Läufer erreicht. Teufelslappen - noch 1 km. Spätestens zu diesem Zeitpunkt machte es wieder klick.
Spurte - Renn - Lauf - Flieg. Meine Beine mutierten zu zwei rotierenden Scheiben. Sowas war mir bislang noch nie passiert. Zielgerade. Den Kopf leicht gesenkt rase ich auf das Tor zu. Von der rechten Seite weht ein Orkan zu mir herüber, ein Zuschauer fällt fast auf die Strecke, als er mich nach vorn brüllt - wo warst Du Lars bei Kilometer 15-19? Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Ziellinie - welche Matte misst eigentlich die Zeit, die erste oder die zweite? Egal ich drücke auf meine Stoppuhr und bleibe keuchend stehen.
Luft, die Pumpe geht ordentlich, kurzzeitig wird mir etwas schwummerig vor Augen. Meine Frau steht an der Seite und versucht mir, zu gratulieren. Aber es dauert noch einige Zeit, bis ich mich wieder aufrichten und sie umarmen kann. Danke, dass Du auf der Strecke warst. Danke, dass es vorbei ist. Verdammt noch mal, was war das denn? Ich pfriemel an der Uhr herum und suche nach der Zielzeit: 1:40:19 - WAAAS? :eek:
Ich bin noch SO schnell gewesen? Was für ein wunder. Erst im zweiten Augenblick ärger ich mich über die blöden 20 Sekunden. Die wären locker drin gewesen. Was hat mich nur auf der Strecke geritten, warum hab ich so abgeschlafft?
Heute, einen Tag später freue ich mich richtig über meine neue PB - von 1:43:14 auf 1:40:18 verbessert. Vor einem Jahr bin ich die Strecke noch in 1:48:39 gelaufen. Meine Beine sind ok, d.h. mit denen bin ich noch nicht am Limit gewesen, war wohl nicht ganz mein Tag. Und dafür hab ichs ganz ordentlich hinbekommen, finde ich
odie
42 Frauen musste ich den Vortritt lassen, aber man ist ja Gentleman 
Das hast du trotz der Probleme wirklich super gemacht! 
Danke auch für den tollen Bericht!
. Aber wer weiss schon was die Zukunft bringt 
