Moin,
Vorweg: scusi an alle vorher von mir per pn oder telephonisch entnervten. Das Gefühl "Pb!?!" hat man nun einmal nicht jede Woche. ;)
Da ich erst 2005 begonnen habe, an Wettbewerben teilzunehmen, bin ich natürlich begeistert, bei einem "ersten Mal" dabei zu sein. Die sonst gern benutzte Möglichkeit, durch Vorjahresergebnisse zu ermitteln, "wieviel Zeit ist?" entfällt, logo.
Die ganze Woche über bin ich abwechselnd mit (wenig laufen, und) Beine hochlegen und jammern, was mir alles wehtäte von meinem ersten "Unter eine-Stunde-10er", beschäftigt. Ich bin es aber auch selbst schuld. Kaum sind die Wadenschmerzen weg, verlaufe ich mich, und komme so allein am Donnerstag auf 35 km. Super-Tapering.
Ausserdem haben wir Besuch. "Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn du deinen Volkslauf läufst. Aber war nicht letzte Woche erst einer?"
Na dann, auf zur Neuen Vahr. Das Bürgerhaus ist rasch gefunden. Unkomplizierte Start-Nummern-Ausgabe. Aufmüpfige Peristaltik. Wahrscheinlich ist das unterbewußt der Grund, warum ich an Wettkämpfen teilnehme, ich will meinen Darm an die sinnlose Aufgeregtheit gewöhnen. Denn gewinnen werde ich heute eh nicht. Jan Oude-Aost ist da, also steht der Sieger vorher fest. (q.e.d. - 0:32:19,6)
Auf dem Klo begegne ich Willi Lemke, der ganz auf volksnah macht, und stehend jemand anders aufklärt, er ginge vollkommen unambitioniert an den Start (Endzeit 0:45:05,8) - aha.
Am Start, es hat sich gerade ein wenig eingenieselt, sehe ich weder den einen noch den anderen. Wie auch, ich stelle mich aus alter Gewohnheit hinten an. Um mich herum nur "normale" Leute in Freizeitkluft. Ohne Startnummern käme kein Mensch auf die Idee, dass sie mit laufen etwas am hut hätten. Startschuss, 15 Uhr 29, wie auf Kommando regnet es nicht mehr, ohne großartig das Gefühl zu haben, ich renne, lasse ich einige stehen. Ein Gefühl von "Ich war so schnell, es war, als ob die Bäume stillständen."
"Oh, ein Köstritzer"-kommentiert ein älterer Läufer meinen Striptease, als nach 2 km die Sonne knallt. "Püschologische Kriegsführung!" grinse ich. "Ihr werdet von meinem Anblick durstig, und ich gewinne!" Lakonisch, wie nur Norddeutsche es können, kontert der Läufer daneben "Nö." Und beide ziehen gemeinschaftlich davon. Beim Versuch, mit ihnen Schritt zu halten, kann ich vereinzelt Läufer überholen. Einer bleibt mit mitleiderregend schmerzverzerrtem Gesicht am Rand stehen. "Geht es? Wasn los?" "Och, das war nur ein Test, Knieprobleme..." - "Schade, gute Besserung".
Rockwinkeler Heerstraße. Nanü, sind wir jetzt in Oberneuland? Laut meinem Fahrlehrer ist dies das schönste Bremer Viertel. Hübsche Hütten. Gelangweilt stehen Menschen grillend in Vorgärten. Zum aufmunternden Klatschen fühlen sich nur Streckenposten berufen.
Es ist ein einsames Rennen. Rechterhand lassen wir, also ausser mir die mich verfolgende Meute und die beiden, die ich vor mir sehe, einen Golfclub und Hockeyverein liegen. Mal etwas anderes als Bezirkssportanlagen.
Wie im Flyer angekündigt, eine Brücke über die A27. Scheint nicht jeder reingeschaut zu haben, oder die haben etwas gegen Hügel im training. Soll mir recht sein, hihi. Der Pulser fiept. 190! Huch. Egal, ich werde es überleben. Der Brücke folgt ein U-Turn, bei dem ich sehe, wie "riesig" der Abstand ist. Nach einer 90°-Kurve ist der nächste Teil der Strecke der Pfad zwischen Lärmschutzwandbepflanzung und Blockdiecker See.
Nach dem 5km-Schild ist es Zeit für eine Standort-Bestimmung. Werde ich das zweite mal in 6 Tagen die Stunde knacken? Oder gar diese "Fabelzeit von 0:57:59" toppen? 15 Uhr 58. Könnte knapp werden. Die vor mir scheinen zu weit weg, um mich an ihrem Tempo zu orientieren. Die von mir überholten sahen zu fertig aus, als dass mich jemand anders als ich selbst aufhalten könnte.
15 Uhr 59. Mist! "Dann gib halt Gas! Schlimmstenfalls brichst ein, na und? Letzter wirste dieses mal bestimmt nicht" - eigenartiges Gefühl.
Wieder ein U-Turn, und eine kleine Brücke, glitschig, Tempo raus. Vereinzelt kreuzen Spaziergänger und Angler den Weg. Links die Bezirkssportanlage Blockdieck. Die Erinnerung an meine hier verteilte erste "Rote" lässt mich schneller werden. Da sind wir auch schon wieder an der Autobahnbrücke. Wir? Naja, die beiden vor mir befindlichen Läufer verwirren den Streckenposten.
Wenn wir einfach dahin zurückrennen müssten, wo wir herkommen, müsste mir doch eben beim Weg die Brücke runter irgendjemand entgegen gekommen sein, was nicht der Fall ist, also geht es da nicht lang. - Ich folge einfach den Pfeilen, werde diesmal auf der Brücke bewusst langsamer. Noch ein Golfplatz. Oder derselbe wie eben, bloss diesmal von der anderen Seite? Keine Ahnung, hallo - note to self: Du bist hier nicht unterwegs, um neue Strecken auszukundschaften, und überhaupt, die da vorne, (andere als im Absatz vorhin, hehe) an die könntest du dich mal ranziehen!
Boah, was ein Stress, rein logisch nur noch vier km, die sind einen halben kilometer entfernt. "Jetzt nicht nachlassen, dann klappt das."
, so ein Temporausch. Wo ist der Genussläufer in mir hin? Ich beschliesse, es zu geniessen, dass ich weder letzter bin, noch letzter meiner Altersklasse. Desweiteren habe ich diesmal Schüler überholt, nicht nur "Methusalixe" und Damen der Altersklasse "Gutemine".
Ich lasse nicht nach, und es klappt. Wieder zwei überholt. Schön, und jetzt? Stellen die keine km-Schilder mehr auf heutzutage? Kommt bald das Ziel? Hirn aus, Beine, gebt alles!
Das um den Wanst geknotete Longsleeve rutscht. Soll ich es einfach liegenlassen, und später einsammeln? Einem Streckenposten geben? Nö, lieber um die Hand schlingen und als Schweissband nutzen.
Die letzten 2 km führen durch eine Kleingartenanlage, holla, hier war doch schon einmal die LG Gremma. Labyrinthischer Pfad, um auf Strecke zu kommen.
Da ist auch endlich der Vahrer See. Streckenposten (w):"Noch 300m, das packst du!" Links ab, quasi einmal kurz gesehen, und schon wieder weg. "Oberneulander Golfplatzlauf" wäre irgendwie passender gewesen.
Streckenposten (m):"Noch 300m!" Wie jetzt, also solange ich kein "ZIEL"-Banner sehe, ziehe ich nicht an. Letzter Streckenposten (m):"Gleich geschafft!" Ja, wo isses denn, euer Ziel? Boah, das sieht aus wie 300m. Wer Marathon laufen will, sollte 300m schaffen, also gib mal Gummi, Feinstauberzeuger!
Kinderhände werden abgeklatscht, jemand blökt "Durchlaufen bis zur Linie!", indes, ich sehe keine. Keine Gnade zeigen, notfalls laufe ich bis in die Neustadt. Eine Frau haut mir auf die Brust "Halt, Sie können jetzt stehenbleiben!"- Keine gute Idee, ich würde gerne auslaufen...
Ah, erst mal ein wenig alle viere von mir strecken. Das war das Rennen meines Lebens. Bis dato. Börx, was alles drinsteckt, von
1:12 auf 1:07 zu 0:57:59, und nun? Der Mensch, der mit einem Laptop neben der Ziellinie hockt, weiss es auch nicht. "Haste keine Uhr?"
Super. Bis heute nacht wusste ich gar nicht, dass ich 0:56:12,13 auf 10 k laufen kann. Und auch jetzt kann ich es noch nicht wirklich fassen. Von "halb so schnell wie Mosquito" auf "fast so schnell wie Steif, wenn der einen sehr, sehr schlechten Tag hat" in wenigen Tagen. Phew. Wenn ich dann noch so Spässe weglasse, wie "sich in der allerletzten Reihe aufstellen", Hemd ausziehen unterwegs und dumm rumknoten? Dann ist vielleicht noch mehr, also weniger möglich... .
Speschel thx diesmal an Tali, für den gemütlichen 10er am "day after" (trainings-pb )
Temporausch beim 1. Vahrer Seen-Lauf, 11.06.05 (10 km)
1Liebe Grüsse von Gregor (Bremen)
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