Diese Textzeilen der nordischen Rapper von Fettes Brot schwirrten mir nun schon die ganze Woche durch den Kopf, genau genommen seit der ersten Wettervorhersage, die auch am 18.06.05 wieder sehr deutlich über dem Gefrierpunkt liegende Temperaturen versprach. :eek:
Dabei hatte alles zuerst so gut ausgesehen: Nachdem ich beim Trollinger Halbmarathon in Heilbronn bei über 30°C und einem für einen Rheinländer doch heftigen Profil eine Bestzeit auf der HM-Distanz ziemlich deutlich verpasst hatte, wollte ich vor Füssen doch noch einen flachen HM laufen und meine Bestzeit von 1:51:37 knacken, falls möglich auch mein 2005er HM-Ziel mit einer sub 1:50h erreichen.
Nach Heilbronn waren die Temperaturen wieder annehmbar und so fand ich für den 18.06.2005 den 27. Internationalen Halbmarathon in Herzogenrath (bei Aachen). Flache Strecke, DLV-vermessen, Chipzeitmessung, Start 18:00 Uhr, Startgeld 5€ (!) das klang doch gut.
Also angemeldet und irgendwie sofort nach der Anmeldung stiegen die für das Wochenende 18./19.06. prophezeiten Temperaturen immer höher. Tja, Murphy´s Law eben. Bis Donnerstag sank meine Teilnahmemotivation immer weiter; ich hatte einfach keine Lust, mich für noch einen sub 2h Halbmarathon durch die für mich so ungeliebte Hitze zu quälen. Aber schließlich siegte dann doch die Unvernunft, also auf nach Herzogenrath.
Gegen 16:45 Uhr legte ich in der Nähe des Sportplatzes an und beim Aussteigen verwandelte sich die klimaanlagenerzeugte Sommerfrische in ein leises Vorsichhinfluchen. In Herzogenrath war es, nun, ziemlich warm, aber komm, im Vergleich zu Heilbronn ist es doch nicht sooo schlimm.
Startnummer mit integriertem „bibchip“ abholen, den anderen Teilnehmern zusehen (es fanden diverse Schüler-/Jugend und Volksläufe statt, bei meiner Ankunft quälten sich gerade die 10km-Läufer ins Ziel).
Dann der nächste Frust beim Blick auf den Streckenverlauf: 3 Runden á 7 km waren zu absolvieren. Igitt, ich mag keine Runden. Jede Runde sollte aber auch durchs Stadion gehen, das fand ich dann doch eine ganz gute Idee im Hinblick auf die Zuschauer. Zu Beginn sollten aber erstmal zwei Runden auf der Bahn gelaufen werden!? Im ganzen Startpulk über diese staubige Piste? Na toll, mehr davon. Kein Problem: Der Startsprecher verkündet es sei heute sehr heiß, man möge sehr vorsichtig laufen, auch wenn es die Kreismeisterschaften seien. Ah ja, Kreismeisterschaften waren auch noch, ich in einer Truppe schnellster Hirsche. Gut, das reicht aber jetzt wirklich.
Zur Ablenkung mal etwas „warm“laufen auf der Strecke. Schon nach kurzer Zeit das 1km-Schild, logisch bei zwei Stadionrunden muß man da wohl nach 200m auf der Strecke vorbei. Kurze Zeit später das 8km-Schild, etwas weiter die 15-km Markierung. Ja, genau deswegen mag ich keine Runden, man bekommt anfangs immer so bildhaft vorgeführt, wie weit die Strecke noch ist, die man vor sich hat. Aber wenigstens gibt es hier hohe, schattenspendende Bäume unter denen es nicht gar so heiß anfühlt. Und auf der Strecke scheint jeder Kilometer markiert zu sein, auch das ist gut zu wissen.
Zurück im Stadion, es ist 17:50 Uhr, in 10 min geht es los. Drüben steht ein Pulk, also herübergetrabt. Der Stadionsprecher begrüßt ein paar Walker im Ziel und weist auf den gleich stattfindenden HM-Start hin, an der blauen Bande auf der Zielgeraden. Ach. Ich stehe im lockeren Pulk auf der Gegengeraden, die blaue Bande mit der Aufschrift „Start“ ist tatsächlich zu sehen – auf der anderen Seite. Der Pulk hier steht einfach nur im Schatten herum. Ich trabe also Richtung Start. Es ist 17:56 Uhr, auf der Bahn eine fette weiße Linie, darunter die Buchstaben HM. Ja, hier bin ich wohl richtig!? Aber es ist 17:57 Uhr und ich stehe hier ganz alleine.
Dann, so kurz vor 18:00 Uhr die Ansage: So, jetzt aber Aufstellung zum HM.
Dann geht alles sehr schnell: Der Pulk strömt aus dem Schatten auf die Bahn, ist stelle mich irgendwie in die Mitte, der Startschuß fällt und es geht relativ flüssig los, nach weniger als 10 sec bin ich über die weiße Linie. Wie befürchtet, ist freies Laufen auf der Stadionbahn natürlich nur sehr eingeschränkt möglich und die etwa 600 Laufschuhe lassen den Staub ordentlich aufwirbeln.
Ich beschließe so zu laufen, wie ich immer meine Wettkämpfe laufe: streng nach Puls und sehen, was dabei herauskommt. Auch bei diesem Wetter komme ich dann äußerst angestrengt, aber wenigstens ohne allzu große Gefahren ins Ziel. Der Rest würde sich unterwegs zeigen. Für sub 1:50h würden 5:13 min/km notwendig sein, die knapp über 26min für die 5km-Abschnitte dazu hatte ich mir irgendwann einmal für Heilbronn (
) eingeprägt: 26xx, 52xx, 1:18xx, 1:44xx. Nach dem Schaulaufen im Stadion ging es dann endlich auf die Strecke und schon kam das 1km-Schild. Nach dem Gedränge auf der Bahn hätte ich so 5:4x geschätzt, aber die Uhr sagte 4:59min. Oje, viel zu schnell. An ein paar Häusern vorbei ging es auf gekieste Waldwege in ein schön schattiges Waldstück, km 2 in 5:01min. :eek:
Oh, oh. Immer noch viel zu schnell, aber der Puls sagt: alles ok. Eine leichte Welle treibt den Puls nach oben, aber es geht auch wieder leicht herunter. Insgesamt ist das Profil der Strecke nicht ganz eben, man merkt die leichten Anstiege und sanften Gefälle, aber ich finde einen guten Laufrhythmus. Die km-Zeiten bewegen sich alle unter 5:10min und ganz langsam dämmert mir: Sub 1:50h ist heute drin, wenn nichts schlimmes mehr passiert.
Auf der Hälfte der Runde ist ein Getränkestand mit Wasser aufgebaut, nasse Schwämme werden gereicht, von beiden wird dankend Gebrauch gemacht. Auch hier verläuft die Strecke überwiegend im Wald, es ist schattig, der Untergrund wechselt zwischen Asphalt und festen Kies- und Waldwegen. Vereinzelte Zuschauer feuern uns an und gegen Ende der Runde haben zwei Privatleute sogar Durchlaufduschen mit ihren Gartenschläuchen installiert. Ich umlaufe einen Teich und bereits etwa 1,5km vor dem Stadion hört man den Stadionsprecher. Das täuscht Nähe vor, motiviert aber auch. Ich sehe das 20km-Schild, bei dem ich erst nach zwei weiteren Runden meine Uhr drücken darf, oje. Dann eine Rechtskurve, geradeaus sieht man die schnelleren Läufer, die schon auf der zweiten Runde sind.
Links rechts links und dann hinunter ins Stadion. Hier ist natürlich eine tolle Atmosphäre, sowohl durch die Zuschauer als auch durch den Stadionsprecher und die Musikanlage. Auf der Gegengeraden zunächst der zweite Getränkestand, auch hier werden einem wieder nasse Schwämme gereicht. Die Organisatoren haben sich spätestens hier mein uneingeschränktes Lob verdient. Für 5€ finde ich das wirklich bemerkenswert. Dann auf der (späteren) Zielgeraden, der Stadionsprecher versucht die Nummern jedes Läufers mit dem entsprechenden Namen vorzulesen, meinen unterschlägt er allerdings. Schwupps, die zweite Runde beginnt.
Km 8 in 5:06min und ich fühle mich wundervoll. Ich sorge mich irgendwo zwar immer noch um einen späteren Einbruch, aber die Pulsuhr sagt: alles ist ok. In diesem Bereich bist Du schon fast ein Dutzend HM´s gelaufen, das geht.
Ich laufe so vor mich hin, geniesse den Wald und die Natur. Vor mir ein paar Läufer, hinter mir ein paar Läufer, schön ist es hier.
So schön, dass ich unbemerkt zu trödeln beginne, mein Puls sinkt unbemerkt, das 9km-Schild verpenne ich und bei km 10 wache ich erst auf.
Naja, etwas Zeit vertan, wer weiß wofür es gut ist. Die 10km-Zeit von 51:06min ist trotzdem deutlich unter den „erforderlichen“ 52xx und außerdem die zweitbeste 10km-Zeit, die ich je in meinem Leben gelaufen bin, schneller war ich nur bei meiner 10er PB mit 49.16min im Januar. Und das bei einem HM aus dem vollen Marathontraining heraus. Mit stolzgeschwellter Brust drücke ich die km-Zeiten wieder locker unter 5:10min, überhole beim Wasserstand die Gehpausenmacher, gieße beim Weiterlaufen einen Becher Wasser ein, drücke mir den Schwamm über Kopf und Nacken aus und weiter geht es. Da vorne sind die nächsten „Opfer“, ich werde Euch alle einsammeln, jawoll.
Wieder auf den Sportplatz, Wasser, Schwamm
Stadionsprecher: Mit der Startnummer Zwosiebenundfuffzich, Peter Jahn aus Ohlenburg
Ich: Ohlenberg
Stadionsprecher: Wo iss datt dann?
Ich: Bei Linz
Stadionsprecher: nix
Ich: Bei Bonn
Stadionsprecher: Linz, datt iss doch nisch bei Bonn, datt iss bei Remagen. Linz, die bunte Stadt am Rhein, die kenne isch doch.
Yo!
Ich winke bevor ich auf die letzte Runde sprinte.
Da ist es: Das 15km-Schild, dass ich vor nicht allzu langer Zeit beim Einlaufen noch leise verflucht habe, es wird bei 1:16:40 passiert. Ein weiterer Läufer auch. Der Puls sagt: Alles ist im grün-gelben Bereich, Du läufst heute eine Superzeit, mach einfach weiter.
Plötzlich fällt mir auf: Ich bin nicht überrundet worden. Haha, schnell genug gewesen. Der Sieger wird kurze Zeit später mit 1:18:19 ins Ziel laufen, den Streckenrekord hat der neue Kreismeister damit um gute 7min verfehlt, wohl keine Blamage bei den Temperaturen.
Dann fängt das an, was mir zwar in dieser Phase regelmäßig misslingt, mich aber jedes Mal zuverlässig von der beginnenden Müdigkeit in den Beinen ablenkt: Die Rechnerei der möglichen Endzeit. Auf sub 1:50 etwa 1,5min Vorsprung bei km 15, das müßte eine gute 1:48er Zeit geben. Wahnsinn. Oder sogar eine 1:47er? Unvorstellbar.
Km 17 ist mit 5:16 etwas langsamer, aber jetzt kommen keine Steigungen mehr. Mmh… So Rundkurse sind ja doch nicht nur schlecht, immerhin weiß man, was auf einen zukommt auf den letzten Kilometern.
Ein Becher Wasser in den Hals, einer über den Kopf, das reicht, Gas geben jetzt, Überholen. Ich lasse nicht nach, die Beine sind schwer, aber da ist noch Kraft und es ist nicht mehr weit. Die nächsten Kilometer im knappen 5er Schnitt, ich höre den Stadionsprecher, km 20 bei 1:42:23. Wenn ich jetzt….. Das könnte… ach was, keine Ahnung, weiter rennen, nicht nachlassen jetzt.
Und ein letztes Mal: links, rechts, links und zum letzten Mal hinunter ins Stadion; nein danke kein Wasser mehr, um die Kurve, Endspurt. Nur noch ein paar Dutzend Meter, meine Augen erhaschen einen Blick auf die große Digital-Uhr vor dem Einlaufkanal: 1:47:51 - und dran vorbei - und im Ziel.
Haha, Glück pur, was für ein Lauf.
Ich stoppe bei 1:47:51, das müsste auch Brutto für sub 1:48 gereicht haben. Ich kann es kaum fassen. Leicht über den Rasen schwebend erreiche ich den Getränkestand auf der Gegengerade, den ich vor ein paar Minuten noch ignoriert habe.
Ja, jetzt hätte ich doch gerne etwas zu trinken.
P.S.:
Die freundliche Firma teamsoft weist für mich in ihrer Ergebnisliste und auf der ausdruckbaren Urkunde eine Zeit von 1:47:57.9 aus, da hätte ich mir für sub 1:48 ja noch gute zwei Sekunden mehr Zeit lassen können.
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