Moin,
gestern morgen um 10:13 fiel der Startschuß zum ersten Lilienthal-Marathon. Lilienthal ist eine Nachbargemeinde von Borgfeld, dem nördlichsten Bremer Stadtteil von denen, die nicht in Bremen-Nord liegen. Nach Borgfeld raus fährt die Strassenbahn direkt vor meiner Haustür.
Eine Woche nach meiner neuen HM-pb wäre das vernünftigste gewesen, auf Halbmarathon umzumelden, und als Marathontraining wäre ich in dem Fall vom Ziel aus heimgelaufen. Aber die Vernunft und ich, wir halten es kaum in einem Raum aus...
Der Veranstalter war irgendwann dem Uli mal über den Weg gelaufen, ich hatte mir den Lauf unabhängig davon ausgeguckt. Nach einem gemeinsamen Quassellauf hatte Uli mich dann einfach so mal angemeldet.
Abgesehen von viel zu wenigen langen Läufen, und die auch noch spontan und meistens extrem langsam, bestand mein Training eigentlich nur aus den zwei Halbmarathons am Wochenende davor, wobei der schnellere grundsätzlich bloß als Tempospritze gedacht war.
Die 42,195 km setzten sich zusammen aus einer Schleife und 4 Runden à 10 km. Gemeinschaftlich starteten Halbe und Ganze Marathonis, unter den Halben übrigens der Lilienthaler Bürgermeister - der auch als Schirmherr fungierte- in einer Zeit von 1:32, Respekt.
Wie immer viel zu schnell ging ich erst das Rennen an und dann ein. Auf den ersten 10 Kilometern sah ich weder Uli noch JPS noch Rainer, lag anfangs dabei sogar vor dem 17. (von 28 Teilnehmern), und damit direkt hinter Rainer. Ich meinte sogar, ihn zu sehen, und gab, total wirr, Schub. Indes, er war es gar nicht, die Kombination aus kurzer schwarzer Hose und rotem Oberteil wurde auch von der Halbmarathonletzten getragen. (2:43 war ihre Schlußzeit, daran ablesbar: ich war von Anfang an wirklich langsam, auch wenn es mir anders vorkam.)
Am Freitagabend hatten wir spontanen Besuch aus vergangenen Kölner Tagen gehabt, ebenso spontan keine Lust zu kochen, da unsere Freundin eine sehr kurze Liste von Lebensmitteln hat, auf die sie nicht allergisch reagiert. Die Wahl fiel auf ein Indisches Restaurant im Viertel, Buffet für € 10,- war recht preiswert. Ich war darüber nicht wirklich begeistert, plante aber für den Marathon ein paar Toilettenstops ein. Es wurden letzlich sieben, irgendwann hörte ich auch auf, zu schauen, wieviel Zeit ich dabei verlor, 30 Minuten könnten es gewesen sein.
Letztlich ist es so, ich verlor nicht nur die Zeit im Gebüsch, ohne Sichtkontakt zu den anderen ging mir auch das Tempogefühl ab, mein Pulsator ermittelte stets Werte zwischen 125 und 135, in der Spitze 145.
Während ich so dahinkrauche, kommt mir ein sehr studentisch anmutendes Vehikel entgegen. Der Wagen ist schon vorbei, da steigt die Fahrerin auf die Bremse und fährt rückwärts. Im Auto zwei Studentinnen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie sich kennen, Britta ist witzigerweise die Freundin meines WildeLiga-Teamkameraden Marc, der aus einer Bierlaune heraus beschlossen hat, ganz ohne Training den Bremen-Marathon mitzulaufen.
"Gregor? Was machst du denn hier?" "Och, ich versuche, einen Marathon mit einem Lächeln zu beenden." Die beiden bieten an, mich zu fahren. Angesichts der bisher gebrauchten Zeit wär das totaler Quatsch, weshalb ich moralische Überlegungen erst gar nicht einbringe. "Nö, danke, des passt scho, was macht ihr eigentlich hier?" "Exkursion zur Bestimmung seltener Pflanzen. Wart mal kurz, ich lauf 'n Stück mit dir."
Es war die nächsten zwei kilometer denn ein sehr gemütlicher Quassellauf, "Grüss mal den Marc" konnte ich mir nicht verkneifen. Ein Küßchen ließ mich auch die letzten 10 Kilometer noch euphorisch angehen
So verging Runde um Runde, bis ich bei kilometer 34 von einem Halbmarathoni auf einem Fahrrad überholt wurde. Wie das Befinden so wäre, und überhaupt, ob ich das Rennen zu Ende laufen würde, oder eher nicht. Die Krämpfe hielten sich im erträglichem Rahmen. "Die Sigrid Eichner, ist die hinter mir? Oder hat sie mich gerade überholt, als ich auf dem Klo war?"
Sigrid Eichner hat vor kurzem Badwater gefinisht und sich gestern souverän zu Beginn ans Ende des Feldes durchreichen lassen. "Nö, das heißt, keine Ahnung."
Sollte es möglich sein, dass ich nicht nur langsam war, sondern auch der Allerletzte? Würde irgendjemand im Ziel noch warten?
Fragen, die nicht gerade förderlich waren, um meiner Motivation aufzuhelfen. Aber natürlich wollte ich kein zweites dnf, dieses mal muß es klappen, die Zeit ist eh mittlerweile Wurst.
Beim Zettel "km 9-19-29-39" werde ich komplett irre, überschlage "Mit Vollgas ist sogar noch 5:59 möglich." Wahnsinn, was noch alles drin ist, ich laufe mit Puls 160 bis 180. Es wurden 6:00:13. Aber was für ein Empfang!
Die sehr familiäre Atmosphäre lässt mich diesen Lauf weiterempfehlen. Scheinbar alle Teilnehmer haben ausgeharrt, auf den letzten Metern trägt mich eine Welle objektiv unangemessener Begeisterung.
Es gab dann noch für den Debutanten einen Extra-Pokal, eine Tombola, eine halbe Stunde nach meinem Einlauf bereits die Urkunden (was bei Veranstaltungen innerhalb des 100-Marathon-Clubs neue Maßstäbe setzt -wie die ganze Orga, eisenfuss hat's raus ), danach fährt Uli den Sportsfreund René und mich lieberweise zum Bremer Hauptbahnhof.
PS: In diesem Bericht jetzt kommen JPS (2. "echter" Marathon, und gar nicht so langsam, wie er gehofft hatte ), Wesergebirgsläufer (4:21! Was für ein Comeback! Ich zumindest überdenke das Konzept der lebenslangen Streak mal...), Uli & alle anderen nur so am Rande vor, weil sie doch bitte selbst etwas schreiben mögen. Ja Jörg, auch du . Ich find uns alle klasse .
Der erste Pokal
1Liebe Grüsse von Gregor (Bremen)
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