... manchmal ist ein Tag ein ganzes Jahr.
Manchmal ist ein Tag ein ganzes Leben,
manchmal werden alle Träume wahr.
(Nena)
Ich laufe mit strahlendem Lächeln und Tränen in den Augen durch`s Brandenburger Tor dem Ziel entgegen! So, oder so ähnlich hatte ich es mir auf meinen vielen, einsam-langen Läufen ausgemalt. Alles wollte ich herausheulen, Freude, Glück, Dankbarkeit. Es sollte anders kommen.
Gegen 22:30 Uhr am Vorabend, falle ich, vollgefuttert vom Fori-Treffen beim Italiener, in meinem Quartier in Lichtenberg in`s Bett. Meine Gastgeberin hatte mir extra noch eine Tasse "Schlafmützchen-Tee" zubereitet und ich kann zu meiner eigenen Überraschung recht schnell und traumlos einschlafen. Gegen 3:30 werde ich wach, muß mal eine Tür weiter und auch danach schlief ich gleich wieder ein. Zaubertee . Nun kam er, der berühmte Albtraum, der mich und angeblich auch viele andere Läufer in der Nacht vor einem Wettkampf ereilt. Diesmal war weder der Chip verschwunden, noch hatte ich meine Laufschuhe vergessen - nein, meine Laufschuhe habe ich dabei, allerdings von etwas anderem Kaliber. Gelbe Gummistiefel mit dezent hellblauem Blümchenmuster. :eek: Der 1. Marathon meines Lebens führt um einen See. Mit den Stiefeln an den Füßen hangele ich mich mit letzter Kraft an einem Bretterzaun dem Ziel entgegen. Meine Beine sind schwer wie Blei und nur unter Einsatz der Armkraft gelingt es mir, vorwärts zu kommen.
Das Klingeln des Weckers erlöst mich glücklicherweise von diesem Lauf und nun wird es ernst.
Beim Treffen an der französischen Botschaft gibts natürlich mein Glückstoast mit Plaumenmus. Auch die Glückssocken habe ich an, die Gummistiefel gegen meine Asics getauscht, dafür aber 2 gelbe Gummi-Glücksarmbändchen am Arm (Danke).
Nun steigt die Aufregung langsam ins Unermessliche. Auf dem Weg zum Startblock, aus dem ich zusammen mit JoPaJo und Van starten will, muß ich das ungeliebte Dixi-Klo besuchen. Riesenschlangen davor ließen es langsam eng in der Zeit bis zum Start werden, doch meine beiden Begleiter warten geduldig, bis die letzte wichtige Sache auch erledigt ist. Na ja, sie habens da einfacher .
Im Eilschritt geht es zum Startblock, rüber über die Absperrung und rein in die Menge. Als wir langsam Richtung Matte geführt werden, habe ich Gänsehaut am ganzen Körper. Ein Wahnsinns-Gefühl, es geht los, ich laufe meinen ersten Marathon. Ich!
Die Kilometer 1 bis 16 fliegen förmlich dahin. JoPaJo und Van bleiben die ganze Zeit an meiner Seite. Ab und zu ermahnen sie mich, langsamer zu laufen. Danke dafür, denn die Euphorie treibt doch wahnsinng vorwärts. Mandy, Janina und mein familierer Fanclub stehen das erste Mal bei Kilometer 11. Es ist schön, das sie da sind . Das mit dem Trinken vorm Marathon muß ich noch lernen, bei km 16 muß ich in die Büsche verschwinden und mich von meinen lieben Begleitern trennen. Nun bin ich auf mich allein gestellt. Aber ich bin ja schon ein großes Mädchen.
Ab Kilometer 28 ist es irgendwie vorbei, mit dem Kilomterfliegen. Die bis dahin gefühlten 300 Meter/Kilometer verwandeln sich langsam in reelle 1000 Meter. Aber das find ich in Ordnung. Sonst wäre dieses schöne Erlebnis ja viel zu schnell vorbei. Hier steigt auch mein Garmin aus. Ende, er mag nicht mehr. Nur die Stopuhr funktioniert glücklicherweise noch. Die Wahnsinns-Stimmung am Wilden Eber läßt mir aber keine Zeit, mir darüber irgendwelche Gedanken zu machen und meine Zeittabelle hab ich ja auch noch.
Die Stimmung auf dem Kudamm ist noch einmal phantastisch, danach wirds aber doch langsam schwer. Meine Beine merken auf einmal auch, daß wir da einen Marathon laufen. Von nun an bis km 40 lechtze ich nach jedem Kilometerschild. Gefühlte Länge pro Km: 1500 m. Ich stehe vor der Wahl: Klotzen um jeden Preis oder Genießen. Ein am Boden liegendes Mädchen, um das sich die Ärzte kümmern, hilft mir bei der Entscheidung: ich will geniessen. Mein großes Ziel kann jetzt eigentlich nur noch durch ein Desaster auf den letzten Kilometern platzen. Und das will ich nicht gefährden. Just in diesem Moment taucht Mandy neben mir auf, packt mich bei der Hand und läuft ein paar Meter mit mir. Die richtige Kraftspritze im richtigen Moment, super Mandy, das war Klasse . Bei Kilometer 38 sehe ich das rosa Tuch meines Familienclans. Wie schön, ich laufe an die Seite zu ihnen, rufe ihnen beim Abklatschen zu, wie toll sie doch aussehen und erwarte ein "Du auch" oder so... . Aber das haben sie nicht gesagt . Dafür läuft mein Mann ein Stück mit mir und fragt mich, wie`s mir geht. "Na ja, eigentlich saugut, aber nun wirds langsam schwer", antworte ich. "Es sind doch nur noch 4 Kilometer", sagt er und da realisiere ich es erst: Nur noch 4 Kilometer . Freude macht sich breit, die Kilometer beginnen wieder zu fliegen, obwohl ich die Beine und die Fußsohlen spüre, 39, 40, 41 und da steht das Brandenburger Tor in der Ferne wie eine Fata Morgana. Alle wollen dahin, ich auch. Jetzt ist gleich Heulen angesagt, ich bereite mich schon mal darauf vor. Durchs Tor, Heulen klappt nicht, es schnürt mir die Luft ab in dem Moment, in dem mir die Tränen in die Augen schießen wollen. Also nix mit Heulen, aber eine Chance gibt es ja noch, den Zieleinlauf . Von der Tribüne hinter dem Tor höre ich laute "Kathrin"-Rufe. Meine Familie wieder. Was ist das schön! Ich laufe durchs Ziel, heulen geht immer noch nicht, der Traum ist geplatzt, der Traum vom heulend-lachenden Zieleinlauf. Ich kann nur strahlen, das aber über`s ganze Gesicht, ich habe es geschafft.
Nach 405 Tagen Läuferdasein bin ich meinen 1. Marathon mit einer Zeit von 03:57:38 gelaufen. Ich bin einfach glücklich und unendlich dankbar. Und während ich das hier so schreibe, klappts auch endlich mit einem Tränchen!
Eure Kathrin
Manchmal ist ein Tag ein ganzes Leben,...
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Entscheide Dich. Und wenn Du Dich entschieden hast,
vernichte die Alternativen.