Am Sonntag, als der Startschuss für die Läufer fiel saß ich noch gemütlich bei meiner Freundin am Frühstückstisch und wir lösten die Probleme der Welt. Die Läufer quälten sich zur Halbmarathon-Marke. Ich saß in der S-Bahn Richtung Hauptbahnhof. Pünktlich als der erste Läufer das Ziel erreichte quetschte ich meine Klamotten in ein viel zu kleines Schließfach am Bahnhof und schlenderte anschließend zur Strecke, die ich bei KM 38 erreichte. Ich machte mich erst einmal locker indem ich die Läufer mit rythmischen Klatschen animierte.
Nach einer Weile lief der Zugläufer für Sub 3 an mir vorbei. Da begriff ich plötzlich, dass die Läufer auf der Gegenfahrbahn viel näher am Ziel waren.
So schlenderte ich in die gleiche Richtung, schließlich suchte ich ja einen geeigneten Standort für "meinen Marathon". Diesen fand ich bei einer Sambatruppe die vor dem letzten (blauen) Tor, nur wenige Meter vor dem Einlauf zur Messehalle. Ich hörte in meinen Körper – er signalisierte mir ein GO! So kramte ich eine Trillerpfeife und ein mitgebrachtes Schild hervor. Dieses hielt ich den Läufern entgegen. Damit ich auch gesehen werde trillerte ich nach Leibeskräften.
DAS soll LAUFEN sein??
So stach es in die Augen der Läufer die bereits rund 42 km hinter sich hatten. Ich schaute in die Runde. Würde man mich lynchen? Vom Platz jagen? Käme ein Ordner um das Schild zu beschlagnahmen? Auch – und vor allem – die Läufer bewiesen Humor. Die meisten lachten. Guut – es gab wohl ein paar, die zogen die Augenbrauen hoch. Es war ja wirklich nicht fein, was ich da tat. Einer drohte mir mit der Faust, doch er lachte dabei. Na Bitte, geht doch.
Ich gab alles. Ich trillerte und trillerte was das Zeug hielt. Die Samba-Band hatte kaum eine Chance gegen mich. Sie wehrte sich tapfer – aber ich gewann. Dann – ich stand da wohl schon geraume Zeit - zupfte mich jemand am Arm. "Wer bist'n du?" fragte mich jemand mit ner Startnummer auf der Brust. Blitzmerkend, wie ich nunmal bin, wusste ich sofort: Das ist ein Fori, der das "laufen-Aktuell" auf meinem Schild bemerkte. Ich gab mich zu erkennen. Er meinte kurz "Ich bin der Oli" und schon war er wech. Nett von dir, Oli, dich zu treffen.
Langsam schwächelte meine Trillerpfeife. Ich musste sie immer wieder mal schütteln um die kleine Kugel zu lösen. Doch ich wollte nicht aufgeben. Ich doch nicht. Genauso wenig wollte ein Herbert (oder so ähnlich) aufgeben. Er humpelte, von Krämpfen geplagt, dem Ziel entgegen. Um ihn nicht zu demoralisieren packte ich kurz mein Schild weg.
Die Samba-Band hatte mittlerweile resigniert, da stand ich noch immer wie ein Fels am Rande der Strecke und gab einfach alles, was meine Puste hergab. Unbeirrt wich und wankte ich nicht, bis die 4:30 Läufer vorbei kamen. Dann zog ich mich für eine kurze Regenerations-Pause in die Messehallen und auf die Marathon-Mall zurück.
Frisch gestärkt war ich zurück an der Strecke als die 6-und-mehr-Stundenläufer ins Ziel kamen. Die Reihen der Zuschauer hatten sich merklich gelichtet, die Reihen der Läufer auch. Einzeln oder in kleinen Gruppen kamen sie vorbei. Ich ließ mein Schild stecken. Ich trillerte auch nicht mehr, aber ich klatschte und rief ihre Namen und ein "Bald is gut." Oder "Nich mehr weit" oder ähnlichen Quatsch. Die meisten schienen dankbar für diese Anfeuerung. Vermutlich waren sie alle froh und glücklich, das Ziel zu erreichen. Ich sinnierte über unseren 5-Stunden Thread und war mir sicher, dass DIESE Läufer garantiert einen Marathon hinter sich hatten. Nein, frisch geduscht sieht anders aus. Gequält waren die meisten (soweit ich das überhaupt beurteilen kann) aber auch nicht.
Langsam schlenderte ich zum Bahnhof und beklatschte jeden Läufer, inklusive dem letzten, der versuchte, dem Besenwagen zu entkommen. Eine Frau aus dem Publikum schrie zu ihm "Leg dich doch schlafen". Das fand ich gar nicht nett.
Als ich auf der Rückfahrt in der Bahn saß war ich völlig fertig. So ein Marathon strengt an.
Aber wisst ihr was: In mir reift da so ein kleines Samenkorn (Nein, ich bin NICHT SCHWANGER!). Ich überlege nur, ob ich meine bisherige Zielsetzung (bis 10 km durchlaufen, längere Strecken zügig walken) nicht überdenken soll und vielleicht, eventuell, in ferner Zukunft, gegebenenfalls.. mal versuchen sollte, einen ganzen Marathon nicht nur zu walken sondern zu laufen.
Jedenfalls: ICH GRATULIERE ALLEN FRANKFURT-FINISHERN!!!
Heike
