Ein naßkalter Spätherbstmorgen hat 2300 Läufer auf Tübingens Höhen gelockt. Logistisch perfekt organisiert klappt die Startnummernausgabe, Präsentüberreichung, Umkleide, Startaufstellung usw. problemlos.
Die Stimmung ist gut unter den Läufern - der Kommentator am Start appeliert nochmal an die schwäbische Läuferseele: "Sie haben für die ganze Halbmarathondistanz Startgeld bezahlt; also nutzen Sie das auch aus und laufen sie bis ins Ziel!" 
Beim Startschuß bin ich richtig gierig darauf loszulaufen, aber es geht nur im Schritttempo vorwärts. Als ich endlich in den Laufschritt komme geht es auf breiter Straße ziemlich bergab. Mit langen Schritten und ohne großen Kraftaufwand könnte ich hier hunderte Läufer überholen, aber der Pulk ist zu dicht. Nach gut 2 km der erste lange Anstieg am Bettelweg - immer noch im Pulk. Die Waldwege sind eng und teilweise vereist - kein Laufvergnügen. Nach 3-4 km lichtet sich endlich der Pulk und man kann sein eigenes Tempo laufen. Es geht hügelig weiter.
Die Stimmung am Heuberger Tor ist bestens: die Zuschauer erhalten Glühwein und heiße Würstchen - wir bekommen warmes Wasser und isotonisches Getränk. Am Liebsten hätte ich in ein Saitenwürstchen eines Zuschauers gebissen.
Dann geht es endlich eben auf Teer Richtung Waldhausen - es rollt! Dann wieder in den Wald bergab und die 2. Runde beginnt. Jetzt sind die Waldwege zwar immer noch teilweise vereist aber sie sehen aus als ob sie von einer riesigen Rotte Wildschweine aufgewühlt wurden.
Plötzlich treffe ich unverhofft auf meinen Schwager, der letzten Monat erst den Athen-Marathon gelaufen ist. Wir unterhalten uns ein, zwei km; aber bei der nächsten Steigung muß ich gehen. Danach tun mir am linken Bein sämtliche Muskeln weh
und ich kann nur noch kurze Strecken und bergab laufen, den Rest muß ich gehen. Ich bin am weitest vom Ziel entfernten Punkt - auch geographisch. Wenn ich nicht sowieso wieder Richtung Ziel zur Bushaltestelle müßte, hätte ich glatt aufgegeben. Von km 14 bis km 18 quäle ich mich so durch den Wald. "Hosch koi Luschd mai" fragt mich ein älterer Läufer mit Nikolausmütze. Nein, ich habe wirklich keine Lust mehr; meinen ersten Halbmarathon habe ich mir ganz anders vorgestellt: Es sollte ein Happening werden, ein freudiges Erlebnis für Körper und Geist, der Höhepunkt des Jahres! Statt dessen nur Kampf und Krampf.Dann endlich naht der Waldrand und die geteerte ebene freie Strecke. Ich ignoriere den Schmerz im linken Bein, überhole meinen Schwager und den Nikolaus (der steht am Waldrand
) und kann die letzten 2 km fast durchlaufen.Die Zeit: 2:10:12 (brutto) - ich bin zufrieden, dass ich es doch noch geschafft habe, auch wenn ich gerne 10 min. schneller gewesen wäre.:shithappe
3 Minuten später trudelt mein Schwager auf's Ziel zu. Ich feuere ihn nochmal an, aber er hat nichts mehr drauf.
Den kostenlosen Schwimmbadbesuch spare ich mir; ich wäre doch nur abgesoffen.
Das Schönste kam erst am Sonntag abend: ein Besuch in der Besenwirtschaft mit Zwiebelrostbraten, Bratkartoffeln und 2 Viertele
(als Belohnung für die Qual und die Abstinenz in den letzten Wochen 
).Heute tun mir nur noch die Oberschenkel weh, aber an beiden Beinen; das bruhigt mich irgendwie.
Fazit: Ein Lauf, wie ich ihn mir nicht vorgestellt habe, der mich aber ermutigt mit noch mehr Training weiterzumachen.
Noch ein Wort zum Startgeld: 12 Euro. Dafür erhält man eine Stofftasche mit Funktions-T-Shirt, Zeitschrift "running-pur, Schokoladen-Nikolaus und freier Eintritt ins Hallenbad-Nord.
Übrigens hat Dieter Baumann seinen eigenen Streckenrekord nochmals verbessert und ist mit über 3 Minuten vor dem Zweiten ins Ziel gekommen. (Zeit: 1 Std. 7 Min.)
