Banner

46 Km in Hamburg

46 Km in Hamburg

1
Der Laufbericht ist etwas länger, aber das ist bei mir normal - ich hoffe dennoch, das er interessant ist und danke schon im Voraus über eure Kommentare :)

----------------------

Hamburg 25.04.06


"Irgendwann tut es nicht mehr so doll weh - zumindest glaube ich daran"

Nanu, was kommt denn da unter der Bettdecke hervor?

Ein Fuß.

Langsam ertastet dieser den Untergrund, fühlt Holz und patscht dann auf Teppichboden auf - mehr grobmotorisch als alles andere läuft der Vorgang ab. Immer wieder wechselt der Fuß schleppend den Untergrund - Holz, Teppich, Teppich, Holz - dann hält er inne.

Plötzlich ertönt ein Stöhnen und eine Gestalt plumpst auf den Boden.

Ist es ein Tier, verletzt und sterbend?

Eine Oma?

Nein, es ist wie immer eine Person namens Kris, die es nicht lassen kann, längere Läufe zu absolvieren.

Beim Abendessen zubereiten stolper ich und drehe mich wie eine Ballerina mit 3,5 Promille herum - die Katze beobachtet mich emotionslos und das macht mir Angst.

Ich kann förmlich fühlen, wie sie mir ein Schild auf die Stirn gedrückt hat "abgestempelt".

Aber zurück zum Anfang.

Es begann am Abend davor, als ich mit Martin telefonierte und Lust bekam, mich zum Berlin Marathon anzumelden, ihn hatte ich gut 2 Jahre nicht mehr gesehen und warum nicht mal wieder einen Stadtmarathon machen mit massig Zielzeit?

Also beschloss ich, noch während des Gespräches, mich anzumelden.

Nun würde die Zeit der langen Läufe kommen, Dienstag wollte ich eh einen machen, ca. 35 Km lang und ich wollte versuchen, das meiste davon im Laufschritt zu bewältigen.

Gegen 4:20 Uhr ging ich ins Bett, mein Hirn aber nicht und so fing das alles an.

Es arbeitet weiterhin fleissig an dem langen Lauf und machte einen Marathon draus, irgendwann veränderte es ihn weiter und fand die Zahl 44 interessant.

Mittlerweile wurde es 6 und ich stand auf und wollte etwas trinken, damit ich nicht zu spät was intus hatte und ständig pinkeln müsste.

Dann legte ich mich wieder hin und ruhte.

Bis 8 Uhr.

Die Laufhose wurde angezogen und ich entschloss mich, diesmal meine Kamera nicht mitzunehmen, es würde sowieso lang werden und auch das Laufrevier war nicht unbekannt.

Mein Plan sah folgendermaßen aus :

2 Stunden im Stadtpark, danach mit der S Bahn 2 Stationen und Ohlsdorf aussteigen, um weiter auf dem Alsterwanderweg weiter zu machen.

Zumindest sah das am Anfang so aus.

Statt mit dem Bus, lief ich mit meinen Beinen zum Park, schon da merkte ich, das der Puls zu hoch ist - die erste halbe Stunde war grauenvoll, so konnte es nicht weitergehen.

Durchlaufen schön und gut, jedoch, so würde ich keine 3 Stunden durchhalten und Spaß würde das hier auch nicht machen.

Jedoch, auf dem Weg zum Park laufe ich weiter und komme an ein leerstehendes Geschäft vorbei, ein kurzer Blick auf mein Äußeres gibt folgendes preis :

Beine - Super

Schenkel - Naja

Po - kein Kommentar

Dann muss ich an das Gespräch an gestern denken, wo Martin mir unverblümt die Frage stellte, in welchem Gewichtsbereich ich mich denn aktuell rumtreiben würde.

Einige Sekunden peinliches Schweigen beende ich mit "Ich passe gut in Gr. 38 rein!".

Sicher, das Supermodeltraumgewicht von 2004 hab ich noch nicht erreicht, aber bis dahin sind es nur noch wenige Kilos und das stimmt mich milde.

Dennoch habe ich wie bisher die Finger auf jedwede Veröffentlichung meinereiner, egal ob in Pose oder Natur - man weiss ja nie, wie die anderen knipsen und ich hab da schon wirklich grauenhaftes gesehen...

Laufen nach Körpergefühl stand an, nundenn, darin hatte ich Erfahrung, so würde das vielleicht doch alles klappen.

1. Stunde

Die verfliegt ziemlich schnell, dummerweise war die "nur" ein Sechstel und wenn ich mehr als 42 machen wollte, noch weniger.

Aber wurscht - es geht weiter.

Um diese Uhrzeit ist es kühl und ich erwische ein Eichhörnchen, direkt vor mir im Baum.

Es starrt mich an, ich starre zurück - keiner von uns beiden sagt etwas.

Stille.

Dann, plötzlich springt es hoch und gibt einen Laut von sich, den ich noch nie zuvor gehört habe - diese Situation bringt mich zum lachen und ich grinse mindestens einige Minuten vor mich hin - sollen mich doch alle für verrückt halten - solche Erlebnisse erfreuen mein Herz einfach ungemein, weshalb sollte ich denn sonst unterwegs sein?

Die Freedom of the Seas verabschiedet sich im Hafen mit ihrem lauten Gehupe - das bis in den Park dröhnt - beeindruckend irgendwie.

2. Stunde

Die nächste Stunde verbringe ich im oberen Stadtpark, wo das Planetarium ist. Runde wechselt ab um Runde und langsam kommt die Sonne hervor.

Es wird tatsächlich ein schöner, warmer Tag werden - herrlich, irgendwie ist es, als ob dieser Lauf abgesegnet von oben wäre.

Ich beschließe, die nächste Stunde doch noch im Stadtpark zu verbringen, denn die Laufstrecke hat sich in meinen Gedanken etwas verlängert.

Nach einigen Runden ums Planetarium wechsel ich wieder nach unten und kann mehrere Eichhörnchen beobachten, wie sie herumtollen und spielen. Ich mag diese Tiere sehr.

Das lange Laufshirt binde ich mir um die Hüften, ich hatte ein kurzärmeliges drunter gezogen und jetzt ist die Temperatur genau richtig.

Als Verpflegung dient mir nur eine 0,7 l Flasche Wasser, die ich abwechselnd in der linken/rechten Hand bei mir trage.

Das mag umständlich sein, aber es ist nur eine Frage der Gewöhnung bis sich die Flasche ganz natürlich anfühlt - zumindest fühlt sie sich besser an, als ein Laufgürtel um die Hüften gebunden.

Der Berlin Marathon kommt mir wieder in den Kopf, passt eigentlich alles super zusammen.

Das hier wird mein 8. Marathon (oder längerer Lauf), geplant war dann noch einer und Berlin würde dann mein 10. sein - beim 33 Berlin Marathon feiere ich meinen 10.

Ich muss zugeben, das ich ein Faible für Jubiläen aller Art habe und vernarrt in gerade Zahlen bin, es mag eine Marotte sein, aber ich mag gerade Zahlen mehr als ungerade, jedoch Schnapszahlen sind davon ausgenommen und die 5 mag ich auch gerne.

Das war schon immer so und ich richte meinen Alltag nicht nach Zahlen ein, jedoch gefällt mir manches besser und ja, die Möglichkeit den 10. Marathon und mehr in Berlin feiern zu können, hat mich schon zu diesem Lauf heute motiviert.

Als ich in den Waldweg einbiege, entdecke ich eine Walkingfront in einiger Entfernung vor mir und mit diesen Stöckern bewaffnet ist sie 5 Frau stark - es sind starke Frauen, also gewichtige und ich bekomme Angst wie ein Eichhörnchen und verflüchtige mich schnell in einen Seitenweg.

Mit sowas lege ich mich nicht an, die meisten Wege im Stadtpark sind zwar breit, aber ich habe schon bei der Kinderwagenterroristengruppe gelernt, das man jedweden Platz versperren kann - wenn der Weg breit ist, dann geht man halt mit 4 Kinderwagen nebeneinander spazieren - kein Problem, sollen doch die anderen in die Büsche springen und sich kraulend einen Weg nach vorne erkämpfen.

Gewisse Frauengruppen sind da recht gnadenlos und man sollte bloss nicht den Fehler begehen und sie ansprechen, das da irgendetwas falsch läuft - das man sofort als Walking/Kinder/Alleshasser bezeichnet wird, ist selbstredend und ich begehe seitdem lieber die Taktik "Nicht Existent" - ist stressfreier.

Bei Anzeige der Uhr 2:46 h mache ich mich auf den Weg zur S Bahn.

Stadtpark reicht - es war schön, auf Wiedersehen, aber jetzt möchte ich keine Runden mehr laufen und lieber einige Zeit hin und einige Zeit zurück mich bewegen.

Die Bahn kommt gerade, als ich den Bahnsteig erreiche und bei der 2. Haltestelle steige ich wieder aus und beginne meinen weiteren Weg, noch nicht mal die Hälfte ist erreicht - bäh...manchmal ist die Uhr ein Hindernis, man sollte bloss nicht zu oft draufschauen, dann fällt man in ein Loch, denn es gibt ein Phänomen, das mit steigender Stundenzahl die Länge der Minuten ansteigt, das wurde bislang nicht untersucht, vielleicht, weil sich zu wenige damit beschäftigen, aber mir fällt das so oft auf.

Das ist dann so eine Sache, wie wenn der DJ auf einem 24 Stundenlauf einem grinsend verkündet, es sind "nur" noch 8 Stunden und man Lust hat, ihm dafür das Mikro in den Mund zu stopfen. Wenn dieser DJ dann noch mehr als einmal "Es lebe der Sport" spielt, hat er endgültig verschissen.

Ein Tipp an DJs auf Langstreckenlaufveranstaltungen : Kein "Es lebe der Sport" spielen - fragt die Läufer ruhig mal, was die hören wollen, es stehen nicht alle auf Schlager!

Nundenn, ich gehe an der Schleuse vorbei und die Zeit läuft - schlau wie ich bin, will ich eine kleine Änderung im Laufweg begehen und nehme den linken Weg, über der Brücke. Ich hoffe, das er genau so parallel zum Fluß verläuft, wie der reguläre.

Falsch gehofft.

Der reguläre Weg biegt bald freundlich nach rechts, während meine schreckensgeweiten Augen registrieren, das meiner nach links abbiegt...

3. Stunde

Ich beruhige mich und gehe also alles nochmal zurück - ist doch toll, so hast du wieder einige KM mehr inner Kasse, klasse...

Also zurück zum Anfang, über die Brücke gehuscht und auf den Hauptweg drauf - keine Experimente mehr (von wegen).

Dieser Alsterwanderwegteil befindet sich im Vogelschutzgebiet und so kommt es, das ich plötzlich das Hämmern eines Spechtes höre und ich stehenbleibe und ihn suche.

Ich entdecke ihn und beobachte ihn einige Minuten - ich finde es toll, diesen Vogel zu sehen, das gibt mir neue Kraft fürs weiterkommen.

Als der Weg sich abzweigt, denke ich, hey, du kannst wieder ein bisschen auf dem ruhigen Pfad sein und schlage ihn ein.

Der endet aber wie beim Weg davor, indem er irgendwann links abbiegt und ich muss mich mühsam beherrschen, nicht wütend zu werden. So blöde kann man doch nicht sein!

Also wieder alles umkehren, ich bin froh, keine Gruppe anzuführen, das wär jetzt megapeinlich und dann müsste ich die Situation mit ein paar dummen, flapsigen Wir-Sind-Doch-Alle-Freunde-Sprüche regeln.

Aber so sieht mich niemand und ich nutze die Gelegenheit, die Villen mir genauer anzusehen - es sind wirklich einige Prachtbauten an der Alster gebaut, möchte nicht wissen, wieviel die kosten, aber interessieren würde mich schon, wer da wohnt.

Auf einem großen Grundstück steht eine riesige Statue - entweder gehört dem Künstler das Haus oder jemand hat diese Figur gekauft - sie glitzert silbern in der Sonne und ist wirklich wunderschön, vor allem, da die Form sehr simpel und flüssig gestaltet ist.

Mir gehts okay jedoch, auf dem Weg zur 4. Stunde lächelt mich eine Bank an und ich setze mich darauf, nur für 10 Minuten - ach ... das tut soooooooooooooooooooooooooo gut....

Plötzlich spricht von der Seite jemand mich an.

4. Stunde

"Na, noch Muskelkater von Sonntag?"

Er dehnt sich und ich erzähle ihm, das ich nicht den Marathon am Sonntag gelaufen bin, ich aber das heute vorhabe und noch einige Km mehr.

Aber er ist gelaufen, es war sein erster PB 4:08 und das mit nur einem halben Jahr Training - als er dann noch sagt, das er Raucher ist, teile ich ihm mit, das er eher eine 5 vor der Minutenanzeige verdient hat.

Wieder einmal fällt mir auf, das ich mich läuferisch wirklich eher einem Sack Kartoffeln verhalte - er rollt und kommt vorwärts, aber fließend sieht es nicht wirklich aus.

Die Welt ist ungerecht und still weine ich in mich hinein - nichtsdestotrotz gratuliere ich ihm und er setzt sich neben mir auf die Bank.

Wir unterhalten uns bestimmt 15 Minuten und die tun mir unglaublich gut, dann schlägt er vor, weiterzulaufen und als ich ihm sage, das ich mich jetzt eher im Tempobereich eines gehenden Senioren bewege, hat er dennoch Lust, mit mir weiterzugehen.

So vergeht diese Stunde ziemlich schnell, ich erfahre interessante Dinge und wir stellen einige Gemeinsamkeiten fest, das er wirklich stolz auf diese Bestzeit haben sollte und das die meisten Anfänger nicht so viel Glück haben, muss ich ihm dennoch mehrmals verklickern.

Und die Tatsache, das er höchstwahrscheinlich beim zweiten die 4 Stunden knacken wird, weiss er natürlich auch.

Ich gönne es ihm.

Dann biegt er ab, zum einkaufen und ich drehe mich um, es geht wieder zurück - durch meine komplizierten Wegeberechnungen habe ich mir eine Endzeit um und bei 6:30 Stunden ausgerechnet, was ca.46 Km ausmachen und mir als Zahl sehr gut gefällt (weil gerade, ihr wisst schon...).

Wir verabschieden uns und ich kanns nicht lassen, ihm von meiner Webseite mit den Laufberichten zu erzählen - ich bin gespannt, ob er sich die url merken konnte und er sich meldet, das will er spätestens beim Helsinki Marathon machen, denn das ist sein nächster.

5. Stunde

Ich massiere öfters meinen rechten Schenkel, anscheinend habe ich etwas chronisches geschenkt bekommen, das immer wieder auftauchen wird.

Zum Glück kann ich langsam abschätzen, ob der Schmerz nur bei Belastung anhält, ober ob ich mir da was einreisse.

Für diese Erkenntnis habe ich a. 1,5 Jahre gebraucht und gemerkt : Nur durchs laufen wird es besser.

Eine Pause von einem halben Jahr hatte keinerlei Verbesserung gezeigt, aber jetzt, jetzt wird es besser, die Verletzung, die ich mir beim 3. Marathon (Hamburg) gelaufen habe und die dann beim ersten 24. Stundenlauf aufgebrochen ist.

Sowas wünsche ich keinem, den Schmerz den ich da erlebt habe, war mörderisch und viel schlimmer war es, das ich ca. 3 Monate brauchte danach, um halbwegs schmerzfrei sitzen zu können...

Der Arzt damals meinte, das dauere ca. 6 Wochen bis das weg ist - hahaha, lustig.

Ich will nicht auf Ärzte herumtrampeln, aber ich habe da gemerkt, das man im Endeffekt wirklich selbst auf seinen Körper horchen muss und verschiedene Sachen ausprobieren muss, bis man merkt, was hilft.

Zum Test für meine These des weiterführenden Sports habe ich 2004 im September noch einen 24 Stundenlauf mitgemacht wo ich 53 Km gelaufen bin, also wirklich sehr moderat.

Am nächsten Tag war alles gut, es zwickte noch ein bisschen, aber der Schmerz wurde nicht schlimmer wie beim allerersten Überlangstreckenlauf.

Das ist geschehen, so ist das Leben - hinterher ist man immer schlauer und ich habe jetzt meine eigenen Laufregeln aufgestellt die lauten : Kein Gehetze mehr!

Vielleicht ist es das, was mich so stressresistent macht - so hat das auch seine guten Seiten und ich genieße es, heute mich wieder so bewegen zu können, das keinerlei Beschwerden aufkommen, zumindest in der normalen Distanz.

Ich entdecke an einem Baum einen Buntspecht, so einen habe ich auch schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen - ich muss zugeben, das ich bei jedem Lauf meine Augen auf mache und oft die Faszinationen dieser Natur aufsauge wie ein Schwamm.

Die Fähigkeit, die Welt mit Kinderaugen zu sehen ist mir nie verloren gegangen und darüber bin ich sehr froh, das ist ein wahnsinniges Geschenk.

Sven, der Läufer kommt vom Einkauf zurück und wir gehen so noch etwas gemeinsam des Weges. Fast wie ein Zufall ist das genau die Strecke, die ich als langweilig und monoton empfinde und jemanden da zu haben, der einem das nehmen kann, ist toll und ich weiss, das alles nicht durch Zufall geschieht.

Dementsprechend bin ich dankbar für die Ablenkung und genieße es, das ich jemanden ein Loch ins Ohr quatschen kann ;)

6. Stunde

Dann biegt er ab, er wohnt in der Nähe, hat ein Haus geerbt (will ich auch) und kann so jeden Tag dort quasi gleich aus der Haustür raus auf dem Alsterwanderweg laufen.

Na, ich bin gespannt ob er "nur" bei der Marathonstrecke bleiben will, so richtig überzeugen konnte ich ihm vom 24 Stundenlauf nicht, aber man wird sehen, was die Zeit bringt.

Für Helsinki drücke ich ihm natürlich die Daumen, das er auf seiner Finisherzeit eine 3 stehen hat.

Nun bin ich schon fast am Ausgangspunkt angekommen, aber ich kann es dennoch nicht verhindern, das eine Bank, die mich anlacht, ich fürs ausruhen nutze.

Nur 5 Minuten.

Versprochen.

Da ich direkt am Hauptweg sitze, kommen viele Menschen an mir vorbei und ich merke, wie komisch das aussehen muss, ein Läufer, der eine leere Wasserflasche auf den Schenkeln liegen hat, sitzt auf der Bank, anstatt zu laufen.

Kommentar dazu gibts aber von keinem - ich hätte auch sonst dementsprechend geantwortet - mit einem Km Bereich außerhalb von 20 kann man immer schnell große Augen erzeugen.

Nun gehts aber weiter - die Strecke wird ja nicht kürzer und es kommt niemand vorbei, mich hier abzuholen.

Ich spüre den Rücken, die Hüfte, Beine - herrjeh...

Jedoch, es geht mit jedem mal ein bisschen besser - und selbst dieses klitzekleine bisschen ist wahnsinnig toll für mich. Darin sehe ich, das sich sowas lohnt, das der Körper sich jeden Extremausflug merkt.

Toller Körper.

Bei einem Alstercafe gibts ein Fotoshooting und unsensibel wie ich bin, latsche ich mitten durch und zeige eine unbeeindruckte Miene - naja, war halt auf nem öffentlichen Weg, da können sie nix machen...

Einen kurzen Augenblick erhasche ich auf einem Tretboot ein Pärchen und die Erinnerung an ihn flammt auf, tut weh, noch immer. So einen besonderen Mensch muss man festhalten und wenn man ihn verloren hat, dann merkt man eigentlich noch viel stärker, das er wirklich was besonderes war.

Ich wende schnell den Blick ab und konzentriere mich auf meine Füße.

Dann, endlich - die letzte verdammte Gerade...

Ich will SITZEN !!!

Als ich die Treppen zum Bahnsteig erklimme, fühle ich mich sehr sehr alt. Sehr unrhytmisch setze ich meine Füße auf die Stufen und erklimme so Stufe um Stufe.

Wenn ich Sonntag mitgelaufen wäre, hätte jeder mich anerkennend angeschaut und so ernte ich nix.

Ich muss so tun, als hätte ich keine Schmerzen und die Indianermiene aufzusetzen ist wirklich nicht einfach - mehrfach muss ich doch den Mund verziehen, da gibts einige Schmerzspitzen die einfach überraschend unangenehm aufwarten.

Mit der Bahn (endlich SITZEN!!!) gehts zurück zur alten Wöhr und danach gehts weiter mit dem Bus, denn der bringt mich näher an meine Wohnung.

Keinen unnötigen Schritt tue ich heute mehr!

Der Gedanke daran, das ich nochmal los muss, um einzukaufen, macht mich fertig - ich könnte heulen...

Aber noch ist es ja nicht soweit, zuerst kommt eine heiße Dusche dran.

Im Bus ist es heiß, anscheinend frieren alle anderen, denn die Fenster sind zu.

Das stört mich jedoch nicht, denn, ich darf sitzen. Ich habe einen Sitzplatz.

Ich hatte ihn sogar noch, als ich ihn jemand anderen angeboten hatte, weil derjenige wesentlich ramponierter aussah als ich - er lehnte jedoch ab.

Als der Bus an meiner Haltestelle hält, versuche ich mich nicht allzu doll an den Haltestangen festzuklammern, das Aussteigen geht auch mehr steif als locker. Wenigstens kann ich den Schmerzenschrei unterdrücken, der in mir hochkommt, als ich auftreten will.

Egal, nur weiter - langsam.

Ich erreiche das Haus, in dem ich wohne. Im zweiten Stock.

Im Treppenhaus halte ich mich am Geländer fest und bin froh, das mich niemand so sieht.

Ich schäle mich in der Wohnung so schnell wie möglich aus all meinen Sachen, die heiße Dusche ruft und ich muss ihr folgen.

Als das heiße Wasser über meinen Körper rinnt, kann ich mich langsam wieder wie ein normal beweglicher Mensch fühlen, ich kann alles bewegen - toll.

Danach starte ich mehrere Attacken auf das Internet - die Welt da draussen soll ruhig mitbekommen, was ich heute abgerissen habe und so ein bisschen Egostreicheln tut einfach immer gut.

Ich kauf dann ein - als ich mir einen Eierkarton von unten nehme und mich zu schnell bücke, haut man mir gleich ein Messer in den Rücken - keine gute Idee also.

Ganz vorsichtig und möglichst unauffällig, gehe ich gaaaanz leicht in die Knie und versuche so elegant wie möglich mir den Karton hervorzufischen.

Das schaffe ich sogar im ersten Anlauf.

Zu Hause lege ich mich für zwei Stunden hin - ich komme sogar in die Traumphase und ratet mal, wovon ich geträumt habe?

Na?

Genau.

Vom Laufen... - sowas entbehrt jeglichen Kommentares.

Im Spiegel sehe ich, das ich einen leichten Sonnenbrand auf der Nase und an den Wangen habe - von mangelnder Frischluft kann ich heute wirklich nicht reden.

6 Stunden und 32 Minuten hat dieser private Event gedauert.

Was habe ich gelernt?

- Man ist nie vor Überraschungen sicher

- Sogar auf dem Alsterwanderweg kann man sich verlaufen

und

- Die schönsten Dinge die passieren, sind die unvorhergesehendsten.

Für mich war dieser Lauf von Anfang an gesegnet, denn ohne das geht es nicht - zumindest nicht mit soviel Freude.

Ich bin dankbar.
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

2
CouchRunning hat geschrieben: Wenn ich Sonntag mitgelaufen wäre, hätte jeder mich anerkennend angeschaut und so ernte ich nix.

So ist es! :zwinker2:

Obwohl- super Bericht eigentlich auch :daumen:

Gute Erholung!
:hallo:

3
Gratulation

Du bist anscheinend der Erste, der sich durchgelesen hat :D

Freut mich, das er dir gefallen hat und da ich für Berlin gemeldet bin, werde ich dort meine Lust von der Massenveranstaltung austoben lassen :zwinker2:
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

4
CouchRunning hat geschrieben:Gratulation
Du bist anscheinend der Erste, der sich durchgelesen hat :D
stimmt doch garnicht :zwinker5: ich war der erste. :)
hat sich wirklich kurzweilig gelesen kris und ich drück dir die daumen für berlin.

gruß
andre

Schöner Bericht ...

6
Hallo Kris,

das ist wirklich einlanger Bereicht - aber auch ein wirklich schöner :nick: .

Ich habe großen Respekt vor Deiner Leistung, nach kurzem Schlaf, so einfach zur Freude km in 6,5 Stunden durch HH zu laufen. Toll, aber für mich selbst nicht vorstellbar.

Du schreibst von vielen schönen Erlebnissen und Deinen Pausen. Beides gefällt mir, ist so authentisch. Im Übrigen mag auch ich Eichhörnchen gerne; und ich habe den gleichen Respekt vor "Stock-Enten".

Ruh Dich weiter gut aus, sofern nötig ...

Liebe Grüße
Falk
Laufen, weil es Spaß macht.
---
"The swim in an ironman is a contactsport" (NBC)

7
Ein wirklich schöner Bericht (na ja, vielleicht 'n bisschen kurz). Hatte beim lesen das Gefühl ich wäre mit Dir mitgelaufen.


Aber :
CouchRunning hat geschrieben:man weiss ja nie, wie die anderen knipsen

Und das von Dir. :nono: :nono:

8
Hi Falk

Die Berichte wuchsen mit der Länge der Laufveranstaltungen irgendwie und da ich nicht so oft an welchen Teilnehme, kann ich mich austoben in den einzelnen :)

Danke für das Kompliment, ich finde es, wenn z.b. jemanden, der 3:45 Stunden bei einem Marathon läuft für mich unvorstellbar, so unterschiedlich sind wir halt und das finde ich auch gut so :nick:

Als ich nach Hause kam, war ich aber auch erstmal hundemüde und vor einem offiziellen Marathon schlafe ich mich halbwegs aus :zwinker2:

Meine Angst vor diesen "Stock Enten" liegt einfach darin begründet, das ich oft langsamer als sie bin - deshalb reagiere ich mit Panik auf sie, bei Walkern ist es das gleiche und auch beim Berlin Marathon werden mich einige fröhlich gehend überholen, ohne das ich was dagegen tun kann :zwinker5:

Wegen Ausruhen : Als ich gestern Nachmittag 3 Km gelaufen bin, hatte ich das Gefühl, jemand würde sich dranhängen bei mir und ich müsste den mitziehen...das war sehr zäh. Dann, spät am Abend ging ich nochmal raus und konnte 9 Km gut laufen, da habe ich es genossen, das kein Auto fuhr und es still war :)

Ich wünsch dir noch einen schönen Tag, meiner beginnt gleich mit einem Zahnarztrendezvous...*urks*
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

9
Highopie hat geschrieben:Ein wirklich schöner Bericht (na ja, vielleicht 'n bisschen kurz). Hatte beim lesen das Gefühl ich wäre mit Dir mitgelaufen.
Danke :wink: stimmt - meine anderen sind länger und ich habe auch nicht alles geschrieben was passiert ist, weil ich diesmal keine Lust auf einen ultralangen Bericht hatte :zwinker2:

Jaja, ich muss einfach manchmal Sarkasmus walten lassen in den Sätzen - es gibt auch gute Knipser :P
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

10
CouchRunning hat geschrieben:Danke :wink: stimmt - meine anderen sind länger und ich habe auch nicht alles geschrieben was passiert ist, weil ich diesmal keine Lust auf einen ultralangen Bericht hatte :zwinker2:

Aber beim nächsten Mal wieder länger, okay ? :zwinker5:
CouchRunning hat geschrieben:Jaja, ich muss einfach manchmal Sarkasmus walten lassen in den Sätzen - es gibt auch gute Knipser :P

Na dann bin ich ja beruhigt. :wink:

11
Highopie hat geschrieben:Aber beim nächsten Mal wieder länger, okay ? :zwinker5:
Das wird schon allein wegen der Dauer unvermeidbar :D

Und - die Kamera kommt auch diesmal wieder mit :zwinker2:
Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.

12
CouchRunning hat geschrieben:... weil ich diesmal keine Lust auf einen ultralangen Bericht hatte :zwinker2:
na dann aber beim nächsten mal wieder :daumen:
nehmen wir mal firenza's signatur zu hilfe:
"ultra ist gut" :nick:

gruß
andre
Gesperrt

Zurück zu „Foren-Archiv“