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28.05.2006 - Regensburg-Marathon oder Der Zahn der Zeit

28.05.2006 - Regensburg-Marathon oder Der Zahn der Zeit

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"Sind Sie außer Gefahr?" - Die bekannte Frage aus dem Film DER MARATHON-MANN stellte mir mein Zahnarzt Gott sei Dank nicht, als er die Zange an meinen Weisheitszahn ansetzte und ihn aus seiner Verankerung hebelte. So konnte ich sicher sein, das er mir auch tatsächlich vorher eine Betäubungsspritze injiziert hat.

Was war geschehen? 3 Tage vorm Linz-Marathon (der am 23.04. war) und 5 Wochen vorm Regensburg-Marathon meldete sich zart und leise, aber durchaus bemerkbar, mein Weisheitszahn links unten zu Wort. Nachdem ich kurz nach dem Linz-Marathon einen Termin bei meinem Zahnarzt bekam, machte dieser eine Röntgenaufnahme und stellte fest, das es besser sei, daß dieser Zahn gezogen werden sollte. Es hatte ich was an der Wurzelspitze bebildet usw. usw. - Kurz und gut, es wurde für Anfang Mai ein Termin ausgemacht, bei dem dieser gezogen wurde. Eine positive Sache hatte diese Behandlung aber trotzdem: Nachdem vor 6-7 Jahren der Weisheitsheitszahn rechts unten entfernt wurde, ist nach dieser Extraktion die Symmetrie in meinem Unterkiefer wieder hergestellt :D

Verständlicherweise musste ich danach das Marathontraining aussetzen. Ich rechnete mit einer Woche, glücklicherweise konnte ich nach 4 Tage das Training wieder aufnehmen.

Am Samstag, 27.05. reiste ich ich gemütlich mit der Bahn an, brachte zunächst meinen ganzen Krempel zum Hotel und begab mich danach zum Marathongelände, um meine Startunterlagen abzuholen und mich für den nächsten Tag mit ausreichend Pasta zu stärken - am Schluß sind's dann 4 Teller Pasta und 2 Kotlettsemmel geworden :D . Auch fand am Abend im Festzelt auf dem Gelände noch ein prima Rockkonzert statt. So musikalisch gestärkt sollte für morgen eigentlich nichts mehr schiefgehen. Das Konzert sollte zwar bis 23 Uhr gehen, ich verließ aber gegen 21 Uhr das Gelände und fuhr zurück zum Hotel - der Mensch braucht ja auch an Schlaf, wenna früh aufstehn muß.

Am nächsten Morgen stand ich gegen 5 Uhr auf. Ein Blick aus dem Fenster beim frühstücken zeigte eher auf einen feuchten Marathon: Es regnete leicht. Noch!! Als ich jedoch mit vielen anderen Läufern gegen 8 Uhr mit dem Bus auf dem Marathongelände ankam, dachte sicher so mancher Läufer, das der legendäre Mann mit dem Hammer noch vor Kilometer 0 die Pforten der Hölle geöffnet haben muß: Das es aus Eimern schüttete ist noch sehr freundlich ausgedrückt :D . Selbst im Festzelt, wo sich die Läufer umzogen, hatten sich große Pfützen gebildet, weil die Gullies das Wasser nicht aufnehmen konnten.

Zwischenzeitlich wurde der Regen leichter und gegen 8.40 Uhr begab ich mich zum Start, der 5 Minuten später erfolgte. Mein Konzept war es, mit einer Zeit von 4:50 - 5:00/km zu laufen. Die ersten 5 Kilometer regenete es zwar noch, aber das war wenigstens erträglich, als wenn's dieser Wolkenbruch gewesen wäre. So gings Richtung Altstadt, hindurch durch die mitunter engen Gassen Regensburgs. Noch waren wenige Menschen auf der Strecke. Bei KM 5 sah ich einen 3:29-Zugläufer vor mir und nahm mir vor, ihn im Auge zu behalten. Die ersten 5 Kilometer hatte ich zwar in meiner vorgenommenen Zeit absolviert, aber bevor ich zu euphorisch werde und mich dazu verleiten lasse, das Tempo anzuziehen, bleibe ich ihm auf den Fersen. Mal sehen, wie lange ich diesmal das Tempo halten kann - zumal ich vor 5 Wochen in Linz nach 24-25 km an Lauftempo einbüßen musste.

KM5 - KM10 ist die langgezogene Straubinger Straße stadtauswärts, auf der es nichts sonderlich sehenswertes gibt, außer den Bands, die für prima Stimmung sorgten. Kurz vor Barbing bei KM10 war noch letztes Jahr hier Wendemarke für den Marathon für einen Rundkurs, der damals zweimal zu durchlaufen war. Nun gings dieses Jahr also auf einer neuen Strecke weiter Richtung Osten, zunächst bei KM11 durch die Ortschaft Barbing. Ich hatte den Eindruck, das ganze Dorf ist auf den Beinen, um die Läufer zu feiern. Volksfeststimmung in Barbing und dazu spielte die Barbinger Blaskapelle. Das machte Spaß.

Überland gings weiter und bei KM13 sah man auf der rechten Seite die Walhalla. Ich fragte einen Laufnachbarn, ob wir das reinkommen, wenn wir im Ziel sind. Er antwortete mir, das der das nicht glaube. Schade eigentlich.

Auch in Sarching, dem nächsten Ort bei KM14 war im Ort viel los. Vorbei am Sarchinger See kamen uns schon die schnellen Kenianer entgegen. Applaus von uns Läufern. Weiter durch Friesheim/KM18. Kurz vor Illkofen bei KM20 die Wendemarke und es ging auf derselben Strecke zurück nach Regensburg - und meinen 3:29-Zugläufer immer noch hinterher.

Und auch Zugläufer sind nur Menschen, die eine Blase haben, die sich mitunter beim Laufen meldet. So geschehen bei KM25 - ich hielt mein Tempo und bei KM28 hatte er uns wieder eingeholt. Mitunter haben ich's nun mit Gegenwind zu tun, gegen den es anzukämpfen gilt.

Die wohl wahrscheinlich tragischsten Läufer kamen mir bei KM27 entgegen: Da waren doch tatsächlich 2 Läufer mit Halbmarathon-Startnummern auf der Marathonstrecke unterwegs (für die war es KM13). Eigentlich hätten die bei KM10 wenden müssen. Hatten die sich nicht gefragt, als sie die Wendemarke dort erreichten, warum soviele Läufer umkehren oder haben die beiden sich kurzfristig für den Marathon entschieden? HM-Gebühr zahlen und Marathon laufen :confused: Ich weiss es nicht. Falls sie sich doch verlaufen haben sollten, so habens sie sicher spätestens bei KM21 gemerkt, daß da keiner mit Finishermedallien steht :zwinker2: .

Bei KM30 erreiche ich die Wendemarke der Halbmarathonläufer, die dort mit einer vsl. Finisherzeit von >2h 00m Richtung Regensburg wenden und es geht gemeinsam Richtung Ziel. Es gestaltete sich mitunter nicht immer einfach, den Weg durch die langsameren HM-Läufer zu finden. Mitunter fragte sich so mancher, wo denn plötzlich so schnelle Läufer herkommen - bis sie die Rückenaufschrift des Regensburg-Marathon-T-Shirts lasen, das u.a. ich auch trug: 42,195 km - ach so, das sind Marathonläufer gabs dann zu hören

...und ich hab meinen 3:29-Zugläufer immer noch kurz vor mir. Noch immer geht's recht angenehm. Lag's an den Kotletts, die ich gestern noch am abend gegessen habe?

KM35 bis 37 - Durch das Ostentor über die Eiserne Brücke ein kurzes Stück auf der nördlichen Donauseite bevor es bei KM38 über die Steinerne Brücke mit einem wundervollen Blick auf die Stadt auf Kopfsteinplaster *igitt* Richtung Altstadt geht. In der Stadt sind schon deutlich mehr Menschen als auf dem Hinweg. Die Stimmung auf der Strecke ist einfach super und es macht Spaß, hier zu laufen. Hindurch durch die engen Gassen über den Haidplatz - auch hier ein Stimmungshöhepunkt - und ich immer noch dem Zugläufer hinterher. Ich traue mich nicht mehr auf die Uhr zu sehen, die <3:30-Marke fest im Visier. Das muß zu schaffen sein. So langsam wird der 3:29-Mann schneller - oder ich langsamer. Das Laufen wird schwerer, aber es sollte machbar sein. Unter 3:30 - Die Chance ist da. Wenn der Pacer mit exakt 3:29 ins Ziel gehen sollte, sollte es wohl reichen wenn ich eine Minute hinter ihm bin. So mache ich einen Punkt aus, den der Zugläufer passiert. Ich beginne zu zählen, bis ich den besagten Punkt erreiche: ca. 30 sek. - reicht, zumal ich noch etwas Zeit abziehen, wegen Brutto-/Nettozeitdifferenz.

Kleines Ärgenis zwischen KM40 und 41: Eine junge Mutter meinte, mit ihren 2 Kindern gerade jetzt die Straße überqueren zu müssen und wäre beinahe mit mir zusammengestoßen, wenn ich nicht ausgewichen wäre. Also wenn das die <3:30 gekostet hätte, dann :motz:

Dann die Zielgerade. Viele Menschen stehen am Rand und tragen uns förmlich ins Ziel. Ich sehe die Zeit im Ziel laufen: Brutto 3:29:45. Ich gebe Gas, ich will die Bruttozeit auch unter 3:30 schaffen und sehe auf die Uhr: 49sec, 50, 51...Bei Brutto 3:29:54 bin ich im Ziel und strecke vor Freude den rechten Arm mit geballter Faust vor mir aus. Geil. Unter 3:30. Die offizielle Nettozeit sehe ich dann später auf der Urkunde: 3:29:32.

Und war es Schicksal? Als ein freundlicher Helfer mir im Ziel die Finisher-Medallie umhängen wollte, sprang diese wohl vor Schreck vom Band und fiel auf den Boden. Sowas aber auch :zwinker2:

Lag's am fehlenden Zahn, daß ich gegenüber Linz vor 5 Wochen fast 6 Minuten schneller war? Wenn ja, dann laßt uns mal kurz rechnen: 26 Zähne darf ich noch mein eigen nennen. Der Backenzahn brachte also 6 Minuten ein, ein kleiner Schneidezahn bringt sicher nur 1 höchstens 2 Minuten. Also dürften alle Zähne einen Zeitgewinn von ca. 100 Minuten bringen. Fragt sich nur, ob ich alles auf einmal oder einen nach dem andern ziehen lassen soll.

Liebe Kenianer, zieht euch schon mal warm an :D

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Schöner Bericht und Glückwunsch zu dieser Leistung :respekt: :daumen:

Was so ein Zahn alles ausmacht. Hätte ich nicht gedacht.
Schade, das wir uns nicht gesehen haben, aber das nächste Mal wird es sicher auch mal geben.

Am besten haben mir die Zuschauer in der kleinen Ortschaft gefallen, die haben gleichzeit ein Dorffest daraus gemacht :D . Man da roch es so gut nach gegrillten Fleisch :zwinker5: :zwinker5:
Reno
Alle Äußerungen von mir sind meine persönliche Meinung und Resultat aus gelesenen, gehörten und teilweise selbst erlebten.
Dies bitte ich zu beachten:zwinker5:

10km 00:49:19 06.05.2006 26. Weidener Straßenlauf
HM 01:51:38 02.09.2007 Ältötting
M 03:55:20 28.06.2009 Fürth
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Hallo Roman!

Na dann leg doch mal`nen Zahn zu....! :-)

Glückwunsch zu Deiner Zeit und bestell Deinem Zahnarzt einen schönen Gruß.
Für Berlin 2014 noch mal schnell werden :nick:

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Vielen Dank für Eure Glückwünsche.

@ Reno - beim nächsten Mal bestimmt. Nach Regensburg komme ich gern auch ein drittes Mal wieder. Der Lauf durch die Ortschaften war wirklich super. Auf der Homepage des Regensburg-Marathons haben die ein sehr gutes Feedback bekommen.

@ aldente - Grüße richte ich gerne aus - nur da muß er noch mindestens noch ein halbes Jahr warten :D

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Paß auf, daß du irgendwann nicht auf dem Zahnfleisch gehen mußt...

Glückwunsch zur Zeit!
Run As Thou Wilt.
Gesperrt

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