Wir Fans sind doch alle ein bisschen Bundestrainer"
veröffentlicht: 08.07.06 - 15:59
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Berlin (rpo). Italien spielt gegen Frankreich und die deutsche Fernsehgemeinde hört seine Stimme: Reinhold Beckmann kommentiert morgen Abend das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft für die ARD. Ob er vor diesem Spiel besonders aufgeregt ist, verrät er im Interview - und bezieht auch Stellung zur Kritik an ihm als Kommentator.
Am Sonntag werden voraussichtlich weit über 20 Millionen Fußball-Fans Ihren Analysen beim WM-Finale lauschen. Was ist das für ein Gefühl?
Reinhold Beckmann: Möglicherweise wird das Kribbeln vor diesem Spiel etwas stärker sein als sonst. Aber wenn der Ball erst mal rollt, dann bin ich mitten im Geschehen und verfolge ganz konzentriert, was auf dem Platz geschieht.
Gilt das Kommentieren eines WM-Finals in der Branche als ein Ritterschlag?
Beckmann: Vielleicht könnte man so sagen. Ich empfinde es als eine besondere Ehre für mich. Schon als Junge träumte ich davon, Fußballspiele zu kommentieren. Und jetzt das WM-Finale - das ist natürlich wie die Erfüllung eines Traums. Es wäre natürlich noch viel schöner, wenn wir an diesem Tag die deutsche Mannschaft auf dem Rasen sehen würden. Das ist ein kleiner Wermutstropfen.
Hätte Sie keine Probleme mit der Objektivität gehabt, wenn Deutschland ins Finale eingezogen wäre?
Beckmann: Nein, es gibt nichts Großartigeres für einen Kommentator, als Deutschland im Finale zu begleiten. Natürlich muss man unterscheiden zwischen der Rolle als Fan der deutschen Mannschaft und der des Sportjournalisten. Doch das gehört zu meinem Job.
Bereiten Sie sich für das Finale anders vor als bei den anderen Spielen?
Beckmann: "Nein, eigentlich nicht. Wie immer beschäftige ich mich sehr intensiv mit den Mannschaften. Aber Italien und Frankreich gehören zu den großen Teams, die man als Sportjournalist nicht erst seit der WM ziemlich genau kennt. Der wesentliche Unterschied zu anderen Spielen besteht darin, sich auch auf eine Siegesfeier und die Abschlussfeier einzustellen."
Welche Rituale pflegen Sie vor dem Spiel?
Beckmann: Ich trage immer die gleiche Jeans wie in den Spielen zuvor und habe ein Bild meiner Kinder dabei.
Beim Endspiel Italien gegen Frankreich treffen die Defensivkünstler der WM aufeinander. Erwartet uns ein Langeweiler?
Beckmann: Das muss nicht unbedingt so sein. Ein frühes Tor kann zwei Mannschaften munter machen. Aber die Gefahr besteht natürlich, dass sie taktisch sehr diszipliniert spielen, sich belauern und auf den alles entscheidenden Fehler warten. Dann könnte das Spiel zur Geduldsprobe werden.
Was könnten Sie während des Spiels tun, sollte das Spiel ein spielerisches Armutszeugnis sein?
Beckmann: Wenn ich es recht überlege, ziemlich wenig. Der Weg in die Coaching-Zone der beiden Trainer ist weit und meine Akkreditierung hat dort keine Gültigkeit. Aber ich könnte so ehrlich sein, ein langweiliges Spiel als das zu bezeichnen, was es wirklich ist.
Bei der WM haben die südländischen Journalisten für viel Begeisterung gesorgt. Haben die deutschen Berichterstatter in Sachen Emotionalität Nachholbedarf?
Beckmann: Ich glaube, wir sind bei dieser Weltmeisterschaft schon ganz schön vorangekommen, die Begeisterungsfähigkeit hat gewaltig zugenommen. Ich bin selbst ein wenig überrascht. Aber es ist noch ein weiter Weg, bis wir im Wettbewerb um das rekordverdächtige Bejubeln eines Tores mit lateinamerikanischen Journalisten mithalten können.
Es gab während der WM auch Kritik an Ihrer Berichterstattung. Wie gehen Sie damit um?
Beckmann: Es gab und gibt immer kontroverse Meinungen zu der unterschiedlichen Art, wie kommentiert wird. Das hängt mit dem persönlichen Geschmack zusammen und damit, dass jeder Kommentator das Spiel auf seine Weise sieht, interpretiert und damit das Publikum polarisiert. Schließlich sind wir Fans doch alle ein bisschen Bundestrainer.
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