Gestern Abend wollte ich mal wieder laufend genießen. Da in keiner unmittelbaren Marathonvorbereitung, bin ich zur Zeit frei wie ein Vogel. Aber natürlich schiele ich schon in Richtung Herbst und will die Form halten. Außerdem steht ein anstrengendes Trekking bevor und deshalb sollten es ca. zwei Stunden langsamer Dauerlauf werden. Um es kurz zu machen: Es war ein grandios schöner Lauf! 2h 10min, ca. 26 km, und gegen Ende nicht mal richtig kaputt. Abendlich kühl, dennoch sonnig, Vögelgezwitscher, attraktive Strecke als Mischung aus Wald, Feld, bisschen Straße ...
Ein Lauf also, bei dem man zwei Stunden seinen Gedanken nachhängen kann. Mir ging durch den Kopf, was mir beim Laufen schon so alles passiert ist und ganz besonders in mich rein grinsen musste ich bei dem Erlebnis, das ich euch im folgenden erzählen will.
Doch auch gestern Abend bestätigte sich wieder mal "unverhofft kommt oft". Gegen Ende des Laufes begegnete ich plötzlich und unerwartet meiner Frau. Ich wusste sie läuft, hätte aber hundert andere Wege wählen können, als den auf dem sie mir dann tatsächlich entgegen kam. Allein dafür hätte sich der Lauf gestern schon gelohnt! Klingt vielleicht komisch aber es ist ein wunderschönes Gefühl der eigenen laufenden Frau beim Laufen zu begegnen. Näher will ich das gar nicht ausführen ...
Ja, das war's immer noch nicht: Einen km weiter überholt mich eine Mountain Bikerin und begrüßt mich mit lauter Stimme:"Das hätte ich mir ja denken können, dass du das bist...", weil sie kurz zuvor meiner Frau begegnet war. Sprach's und setzte sich mit dem Bike neben mich. Eine an sich liebe Freundin, mit der ich mich hin und wieder zum Essen treffe. Die Formulierung "an sich liebe Freundin" lässt ja schon erahnen, dass ich in diesem Moment nicht so erfreut war. Sie redet gern und ich hör gern zu ... ja schon ... aber nicht wenn ich laufe, da will ich meine Ruhe. Dennoch erfuhr ich schnell das Neueste aus ihrem Umfeld. Hätte gar nicht gedacht, dass seit letztem Mittwoch - da hatten wir uns, beim Griechen tafelnd, zuletzt ausgetauscht - schon wieder so viel Entscheidendes passieren konnte . Na jedenfalls hatte sie nach ein paar Minuten ein Einsehen und bikte davon. Es hat mich nicht wirklich gestört, dazu war's zu kurz und so kam ich dann quietschfidel zu Hause an. Müde, etwas ausgepowert aber glücklich ...
Und nun zu der eigentlichen Geschichte. Es passierte schon vor 4 Jahren, Ende August. Da befand ich mich in der Schlussphase der Vorbereitung zu meinem ersten Marathon. Zu Hause laufe ich gerne auf Flussdeichen, die hier verhindern sollen, dass der Lech bei Hochwasser vorbei kommt und guten Tag sagt... Sie sind grasbewachsen und wegen Schafbeweidung auch fast überall gut zu belaufen - fester Untergrund und dennoch nicht zu hart. Für ein paar Tage musste ich dann nach Uetersen (wer's nicht kennt, das liegt einen "Steinwurf" weit von Hamburg weg). Auf der Karte meines Zielgebietes entdeckte ich schnell die Elbe und an deren Ufern ebensolche Flussdeiche. Nur höher und länger. Und schon hatte ich mein Trainingsgebiet für die Dauer der Reise gefunden.
Für meinen ersten Lauf dort - ich hab extra noch mal den Trainingsplan von damals rausgekramt, wegen der Details - brauchte ich 14 km Strecke: 2 km Einlaufen, 10 km im Marathontempo und abschließend noch mal 2 km Auslaufen. Also fuhr ich zum Deich und stellte hocherfreut fest, dass auch dort die Schafe mir einen tollen Laufuntergrund "frei gefressen" hatten. Zwar musste man ab und zu mal den Deich runter und wieder rauf, wenn Abschnitte mit Zäunen getrennt waren, aber das störte mich absolut nicht. Also los dann. Etwa nachdem das Einlaufen abgeschlossen war, überquerte ich eine Art Fußgängerbrücke über einen Nebenfluss der Elbe und setzte dann meinen Weg im Marathontempo fort. Es lief gut, weil ich gut drauf war. Die Sonne schien, es war warm und nur ganz wenig Wind. Eine tolle Strecke obendrein! Völlig unbekannt und doch kann man sich nicht verlaufen, weil einen der Deich ja wieder zurück bringt. Ab und zu sogar ein Blick auf einen vorbeiziehenden Ozeanriesen. Was will das Läuferherz mehr? Ok, nun ist's weit genug, jetzt umdrehen und zurück laufen! 7 km lagen jetzt ungefähr hinter mir. Die Stimmung blieb gut, das Läuferglück mir treu ... Bis zu jener Art "Fußgängerbrücke". Die war jetzt nicht mehr da! Oder besser gesagt, es war gar keine Brücke, sondern ein (Nordlichter mögen mir den fehlenden Fachwortschatz verzeihen) Fluttor, das jetzt geöffnet war. Und die beiden Flügel waren zur Seite "geklappt". Blöder hab ich sicher nie aus der Wäsche geschaut als in diesem Moment. Und jetzt? Da drüben, nur 10 Minuten entfernt, stand mein Auto. Unten am Deich entdeckte ich zwei Männer und fragte sie, was denn mit der "Brücke" wäre ... Ihre Gesichtsausdrücke änderten sich nicht, als einer mir zu verstehen gab, dass die Tore erst morgen wieder geschlossen werden würden. Also scheint es die Wahrheit gewesen zu sein ... Und selbst wenn nicht - ich hatte keine Zeit und noch weniger Lust zu warten. Also was tun? Die von den Männern aufgezeigten Alternativen waren "Schuhe aus und schwimmen" oder zur nächsten Brücke laufen. Die gab es ein paar km nebenflussaufwärts, wie ich wusste.
Ich überschlug im Kopf die Strecke: Es würden noch einmal ungefähr 16, 17 km zusammen kommen. Und ich hatte nichts zu trinken dabei. Aber schwimmen kam nun wirklich nicht in Frage, also laufen. Ich hatte die Karte einigermaßen im Kopf und wusste so, wie ich laufen musste, da der Fluss eine Biegung machte. Einmal fragte ich noch nach dem Weg, fand die Brücke und lief dann über Straßen bis zu meinem Parkplatz. Dort hatte ich nur noch einen Gedanken: ZUR NÄCHSTEN TANKE! Nach 30 gelaufenen Kilometern und deutlich über 3 Stunden trinken! Wie kann ein Mensch einen solchen Durst haben?
Wegen "unverhofft kommt oft" hatte ich meinen "langen Lauf" für diese Woche früher als beabsichtigt absolviert ...
Noch heute schmunzele ich oft beim Gedanken an meine Dämlichkeit von damals, wenn ich auf "meinen" Deichen unterwegs bin ...
Grüße an alle
Udo
Unverhofft kommt oft ...
1"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger.
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe
PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe
PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h