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"Dance Me to the End of Love" - der Bücherlauf 2006

"Dance Me to the End of Love" - der Bücherlauf 2006

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Wie an anderer Stelle schon geschrieben, war die Trainingsvorbereitung den Sommer über eher suboptimal, um es nett auszudrücken. Man könnte auch sagen, Tempotraining hat unter anderem stattgefunden, aber ich hatte kein Vertrauen auf die Wirksamkeit einzelner eingestreuter Einheiten. Beim Schurwaldlauf lief dann alles so positiv, dass ich es fast schon nicht fassen konnte.

Der Bücherlauf 2006 stand an, eine kleine aber feine Veranstaltung, die aus der Kombination, ein Verlag, der Jubiläum feiert, eine laufverrückte Belegschaft und dem Engagement großer Teile des Schäffer-Poeschel Verlags vor fünf Jahren entstanden ist und sich in der Branche zum festen Termin entwickelt hat. Ich durfte dieses Jahr das zweite Mal mitlaufen, quasi als Ersatz für meine Frau.

Zur inneren und äußeren Vorbereitung des Laufes lag ich mit Moshe und Madeleine auf der Matte. Madeleine Peyroux säuselte mir „Dance Me to the End of love“ ins Ohr, während ich mich, soweit möglich, entspannte und meine Feldenkrais-Übungen machte. Samtweicher Gesang mit leicht erotischem Gefunkel und die Freude, dass die Achillessehne nicht wie am Vortag bei der kleinsten Bewegung schmerzt. Diese hatte sich, nachdem ein „Treppensturz“ im Januar eigentlich gut verheilt war, seit Mittwoch wieder in Erinnerung gebracht. So langsam gesellte sich zur geschmeidigen Stimme die Geschmeidigkeit der Bewegungen.

Ein strahlend blauer Spätsommerhimmel grüßte von oben, die Luft warm und eine tolle Atmosphäre schon bei der Anmeldung, bzw. Nummernausgabe. Aber es war nicht alles so golden wie der Tag, war es das Frühstück, waren es die Nerven? Jedenfalls musste ich einige Male das Warmlaufen durch eingeschobene Topfsitzungen unterbrechen. Frei nach dem Motto, etwas traben, Toilette, einige Steigerungen, Toilette und nach dem Lauf-ABC noch mal das lieb gewonnene Örtchen. Irgendwann nahte der Zeitpunkt, an dem ich mich entscheiden musste, Laufen oder nicht, Tempos in die Hose stopfen oder nicht. Ich setzte alles auf eine Karte und entschied mich, mich lieber mit meinen Teamkollegen über Die Taktik zu unterhalten. Denn die schnellen Läufer des Klettverlags weilten wohl in Berlin oder sonst wo und machten dort anderen Foris das Leben schwer. Wir schnupperten etwas Hoffnung, eventuell die Serie der Kletterfolge bei der Firmenwertung durchbrechen zu können. Immerhin hatte man „heimlich“ von Samstag auf Sonntag noch den Geschäftsführer als Joker nachgemeldet.

Vor dem Start das übliche Bild, vorne drängelnde Läufer, weiter hinten trippelnde Läufer und mitten drin ich, wie gewohnt eher weiter hinten. Ein immer wieder lustiges Bild, aus was für zum Teil sehr skurrilen Typen sich die Läufergesellschaft zusammensetzt. Einige Damen bei ihrer Premiere gaben sich betont locker, ein Jungspund mit Championchip am rechten Asics DS-Trainer, der langatmig über die Vorzüge einer solchen technischen Einrichtung bei einem „wirklich großen Lauf“ raisionierte während er seine Kopfhörer in dem dafür vorgesehenen Muscheln verstaute und ein beinchenschüttelnder, mit den Händen flatternder Typ – halt das war ja ich. Endlich der Countdown und der Startschuss.

Langsam setzt sich das Feld in Bewegung, während es vorne schon zur Sache geht. Trotz der gerade mal 200 Läufer, kann es auf einem Waldweg ganz schön eng werden. Der erste Kilometer geht es leicht bis mittelschwer ansteigend durch den Wald, hier sollte man auf keinen Fall zu schnell angehen, dachte ich nach der Erfahrung vom letzten Jahr. So überholte ich lockeren Schrittes alles, was sich so in den Weg stellte. Hoppela, da hätte ich beinahe eine Mitläuferin umgelaufen, die gar nicht gelaufen ist. Sie musste schon hier eine etwas steilere Fase gehend bewältigen, ob sie sich das Profil und die ca. 225 HM angeschaut hatte? Aus dem Wald heraus in weiten Zügen durch eine Wiesenniederung auf die 2. Kilometermarke zu. Nach dieser sollte sich das Feld sortiert haben, denn dann geht es gleich sowohl wieder in den Wald, als auch ab da im Wesentlichen hinauf.

Im Wald und kurz vor dem Steigungsbeginn laufe ich auf eine kleine Gruppe auf, die Vorjahressiegerin samt ihres Verehrerclubs muss ich denken, denn eine kleine Meute Männer hat sich an ihre Fersen geheftet. Ganz gentlemenlike ziehen sie mit steiler werdendem Weg an ihr vorbei, vielleicht lag es am Höschen, das war letztes Jahr deutlich knapper ausgefallen, vielleicht lag es daran, dass sie mittlerweile verheiratet ist, wohl eher war sie etwas zu schnell angegangen. Darum auch ich schnell vorbei. Den Rest ihres Verehrerclubs konnte ich im weiteren Rennverlauf als Orientierungspunkte nutzten und arbeitete mich so langsam weiter vor und vor allem auch hoch. Immer wieder giftige steilere Rampen, aber es läuft geschmeidig, geradezu raubtierkatzensamtpfodenleicht. Hier kann ich den Erfolg des weit verbesserten Laufstils direkt mit dem Eindruck vom letzten Jahr vergleichen und denke, es ist gut! Atmungstechnisch experimentiere ich mit Zunge raus oder Zunge rein, um die warme Spätsommerluft etwas mit Feuchtigkeit anzureichern, ein Blick auf den Pulsometer offenbart mir, ich sollte noch Reserven haben.

Daher kann ich mich sogar zwischendurch etwas an dem schönen, schon ganz leicht vorgefärbten Wald erfreuen. Das Problem von Läufen über Hügel ist ja immer die Einteilung nach Zwischenzeiten, grob und mutig sagte ich mir, im flachen ein 4er Plus, in der Steigung dann immer unter 4:45 bleiben und mal gucken, ob zwischen Kilometer Fünf und Sechs, dem „Gipfel“ noch was geht. Auch das lief ganz nach Plan, wie macht man das nur immer so? Und es ging auch noch was zwischen der Fünf und der Sechs, bei der Hälfte war eine kleine Verpflegungsstation eingerichtet, dort wollte ich meine Kehle etwas anfeuchten. Die zwei Herren vor mir auch, aber ich feuchtete nur und sie versuchten zu trinken, wie macht man das in ansteigendem Gelände? Die zwei wussten das offenbar auch nicht und ich konnte auflaufen und an beiden vorbeiziehen.

Nun begann wieder das Mysterium, im berghoch lügt man sich äußerst erfolgreich vor, runter kannst Du Dich wieder ein wenig erholen, alles geben bis hoch, runter kommt man immer. Pustekuchen, bergab erhöhte sich meine Atemfrequenz sogar noch, vielleicht die Folge der einstudierten langen, aus guter Hüftstreckung heraus erfolgten Schritte, bei gleich bleibend hoher Schrittfrequenz. Aber schnell ist man so! Jedes mal, wenn ich den Eindruck hatte, ich hämmerte zu sehr meine Füße in den Boden dachte ich an Madeleine Peyroux und schon flog ich wieder wie auf Samtpfoten dahin. Leider nicht schnell genug, denn einer meiner Konkurrenten hatte sich schnell vom Trinken erholt und nutzte einen der sehr bösen Gegenanstiege aus, um mich wieder zu überholen. Kurzzeitig kapitulierte ich und ließ ihn etwas ziehen, bis sich doch der Ehrgeiz meldete und ich versuchte den Abstand wieder zu verkürzen.

Eine scharfe Linkskurve nach einem sehr steilen Gefälle, nutzte ich dann. Bremse auf, laufen lassen, um die Kehre sausen und an dem Kerl vorbeifliegen. Aus dem Augenwinkel nahm ich noch das Kilometerschild am Wegrand wahr, aber welches? Instinktiv wollte ich fragen, hey war das jetzt Acht oder Neun? Unterließ es aber, das wäre ja auch nicht unbedingt gut angekommen. Es blinkte hell auf im Wald, ahhh, die Lichtung an der es rechts auf die Zielgeraden geht. Jetzt nur nicht krampfen, locker bleiben, auf die Hüfte achten, locker und aufrecht auftreten und immer „Dance Me to the End of Love“ im imaginären Ohr. Eher ein Tanz zum Ende des Laufes. An meinen Lieben vorbei, den Mädchen gewunken, ein Blick zurück, der holt mich nimmer, ein Blick nach vorne, den hole ich auch nicht mehr. Die Cheerleader nett gegrüßt und mit letzter Kraft in den Zielkanal hinein. Uhr gedrückt und auslaufen lassen. Es ist geschafft!

Jetzt erst einmal zum Getränkeausschank gestolpert, Apfelschnitze gebunkert und schnaufen, schnaufen. Und warum muss ich immer nach einem Lauf pinkeln gehen? Menno! Auf einmal ein Blick auf die Uhr, wow, noch einmal über eine Minute schneller als beim Schurwaldlauf und das obwohl hier 10,25 km gelaufen werden und einige Höhenmeter mehr. Erst mal setzen.

Ah, die Familie, schön, alle in den Arm zu nehmen und ganz schön anstrengend, nach einem Lauf mit den Kleinen im Zielbereich herumzukicken, nun gut, so spart man sich das Auslaufen.

Ende vom Lied, wir haben tatsächlich zur fünften Auflage des Bücherlaufs, den Pokal der Firmenwertung „heim geholt“. Auch noch recht deutlich. Ich selbst bin in der AK Fünfter, leider sehr knapp hinter dem Vordermann, aber hochzufrieden mit der Zeit. Jetzt erstmal die Füße hochlegen und neue Pläne schmieden.

Und ich hoffe Madeleine Peyroux hat nicht Recht mit „I Think It's Going to Rain Today“…

Jörg

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Um mit einem anderen Leonard-Cohen-Titel zu antworten: Hallelujah

Danke, du schreibst immer so schön.
Liebe Grüsse von Gregor :hallo: (Bremen)
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the Hip did it again....

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Athabaske hat geschrieben:... Der erste Kilometer geht es leicht bis mittelschwer ansteigend durch den Wald, hier sollte man auf keinen Fall zu schnell angehen, dachte ich nach der Erfahrung vom letzten Jahr. So überholte ich lockeren Schrittes alles, was sich so in den Weg stellte.
Das ist wieder mal Athabaskesche Weisheit :P
„I Think It's Going to Rain Today“…
Doch, tut es. Aber der Laufbericht hat gerade etwas von gestrigen Sommerwetter zurück geholt. Danke für den schönen Bericht, und Gratulation zum Pokal!

Grüessli, Marianne

Verwechslung

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Tja, so ist es manchmal ... durch die Verwechslung von "dance me to the end of love " von Madeleine Peyroux mit "dance me love" von Silje Nergaard bin ich auf Madeleine Peyroux aufmereksam geworden. Das Forum lebt halt von Inspirationen. Danke Jörg, und danke für den tollen Laufbericht. Es ist ein echter Genuss ihn zu zu lesen! :daumen:
Steif
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Ständig verschwinden Senioren spurlos im Internet, weil Sie "ALT" und "ENTFERNEN" gleichzeitig drücken.

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Glückwunsch Jörg zum Pokal, zum erfolgreichen Lauf und zu einem gelungenen Bericht der mir immer wieder das Schmunzeln ins Gesicht zwingt. :daumen:

Gut gemacht. Würdest Du uns auch noch die ganz nebensächliche Information der benötigten Zeit mitteilen?

Na los , raus damit. :megafon: :zwinker2:

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Toller Bericht! :daumen:
Athabaske hat geschrieben: Zur inneren und äußeren Vorbereitung des Laufes lag ich mit Moshe und Madeleine auf der Matte. .......Samtweicher Gesang mit leicht erotischem Gefunkel
Auch 'ne nette Methode, sich auf einen Lauf einzustimmen, doch - eindeutig! :D

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Lizzy hat geschrieben:Toller Bericht! :daumen:

Auch 'ne nette Methode, sich auf einen Lauf einzustimmen, doch - eindeutig! :D
...ja, kann ich nur empfehlen.

Du gibst Dich ohne Kenndaten zufrieden? :D

Jörg

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Vielen vielen Dank Jörg...

...das war ein äußerst kurzweiliger und humorvoller Bericht - wie Dein letzter auch - der mich richtig mitfiebern ließ. Gratulation zum Erreichten..

Ich glaube fast ich muss doch mit Dir in Schwaikheim laufen, oder besser hinter Dir herlaufen :zwinker2:
Salut

Christian


"Halte dich fern vom Laufen !" Hippokrates

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Athabaske hat geschrieben: nd ein beinchenschüttelnder, mit den Händen flatternder Typ – halt das war ja ich.
....
ich hämmerte zu sehr meine Füße in den Boden dachte ich an Madeleine Peyroux und schon flog ich wieder wie auf Samtpfoten dahin.

Was für ein herrlicher Bericht!!! :daumen: :) :zwinker2: :daumen:

Glückwunsch zum Erfolg der gut geschüttelten Samtpfoten...

:hallo:
Sag nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst (Matthias Claudius)

http://artificial-nonsense.blogspot.com/

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Athabaske hat geschrieben:eine kleine Gruppe auf, die Vorjahressiegerin samt ihres Verehrerclubs
...vielleicht lag es am Höschen, das war letztes Jahr deutlich knapper ausgefallen,
...vielleicht lag es daran, dass sie mittlerweile verheiratet ist,
...wohl eher war sie etwas zu schnell angegangen.
Darum auch ich schnell vorbei.
Bezug unklar, bitte erläutern :zwinker2:

Ansonsten auch ich: :beten:

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jasper hat geschrieben:Bezug unklar, bitte erläutern :zwinker2:
Und vor allem :pix:
Danke für den Bericht, Jörg, und Gratulation zum Pokalsieg! :D
"If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide." (Gandhi)

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na jasper, das ist doch klar, ich hatte beschlossen lieber eine gute Zeit zu laufen und schloss mich den anderen Herren an, statt hinter einen nicht vorhandenen knappen Höschen herzuhecheln :D

Und kleinwinfriedGROSSK, es wäre indiskret jemanden hier ungefragt zu outen...

...aber unter uns :tuschel: , Du verpasst nicht wirklich was :teufel:

Danke nochmals für die netten (teilweise sehr in die Tiefe gehenden) Kommentare

Jörg
Gesperrt

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