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Berlin: wie (ich) es lief

Berlin: wie (ich) es lief

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Berlin: wie (ich) es lief

Sonntag früh.Vor 3 Wochen. Mit dem Glockenschlag 9 Uhr.
Die Nachbarn kommen gerad vom Bäcker, mit frischen Brötchen.
Wir beladen das Fahrrad mit Regenjacke und Trinkflasche.
Das Wetter sieht gut aus. 20 Grad und nicht allzu viele Wolken.
22 Kilometer sollen es heute werden, laut Vorbereitung der längste Lauf in diesem Monat.
Der letzte Monat vor Berlin.
Karin musste fahren, mit dem Rad, nebenher, die ganze Strecke entlang. Noch macht es ihr Spass, aber nach kurzer Zeit der erste Schauer. Zum Schluss waren es 3 Schauer aber mit einer Unterbrechung von nur rund 10 Minuten.
Und die Strecke wurde dann auch länger, aus 22 wurden kurzerhand 28.
28 tausend Meter am Sonntagmorgen und pläddernass. So soll es sein.

Alles vergessen, auch die mir immer wieder endlos vorkommenden Intervalle der 40 Runden auf der Aschendbahn im Stadion. Vergessen.

Berlin wir kommen.
Ich will laufen.

Noch schnell nen passenden Groupiefahrplan erstellt, mit den aktuellen S-U Bahnzeiten an meinen Verpflegungspunkten und ab ging es nach Berlin. So konnte mein Groupie Karin immer pünktlich an meinen 4 Wunschpunkten mir mein Fläschchen reichen. Und das klappte wunderbar. 1000 Dank !!

DPWN, DeutschePostWorldNet, mein Arbeitgeber sponserte mir und weiteren 49 Kollegen den Startplatz in Berlin, also liefen wir in gelb mit schwarzen Posthörnchen auf der Brust.
Klar, dass da auch noch ein wenig Rahmenprogramm dazu gehörte. Anreise Freitag morgen mit dem dba Flieger aus Düsseldorf.
Samstag Ausgabe der Startnummer, Fototermin und Talkrunde mit unserer frischgebackenen Marathon Europameisterin Ulrike Maisch und anschliessend die übliche Pastaparty.


Ja eigentlich konnte losgehen, aber die letzte Nacht im Hotelbett wollte einfach nicht enden.
Wie ich mich auch drehte, dunkel war es auf jeder Seite. Es dauerte lange bis endlich die Sonne aufging. Endlich. Zeit zum aufstehen. Wach war ich ja schon lange.
Mein Groupie malte mir noch schnell mit Edding meine Startnummer 29613 auf meinem frisch rasierten Hinterkopf, vorne am Shirt haben wir sie aufgenäht.

Ja, husch, schnell zum Hauptbahnhof, ab ins Starbucks am Brandenburgertor.
Haben wir uns so vorgestellt, aber der Laden hatte geschlossen, keinen von euch anzutreffen.
Ok, dann zum gemeinschaftlichen Fototermin vor dem Brandenburgertor in den ersten warmen Sonnenstrahlen. Mhhh, von 50 laufenden Postlern waren aber nur 20 anwesend, wollten die andern nicht laufen? Haben sie verschlafen? Oder sassen sie irgendwo in Berlin in der U-Bahn? Keiner wusste es. Ich habe es auch nie erfahren.

Ich wollte laufen, ich wollte ankommen, und bald durfte ich es auch.

Endlich, nach einem mir nie endenden Gewaltmarsch durch die LKW Spaliere,
die gerne auch meinen Kleidersack einlagern wollten, aber is nicht - durfte im Hotel duschen,
sah ich sie schon. Die tanzenden Vordehner, die Animateure der Hobbyläufer auf ihren Podesten mitten in einer wahnsinnigen Menschenmenge voller in Plastiktüten eingehüllten
Marathonis und die die es werden wollten.

Man, wann geht es endlich los.
Ich will laufen. Meine innere Freude….ich werde es schaffen.

Die ersten gelben Ballons stiegen auf, der Startschuss für die ersten Läufer viel und….dann durfte auch ich los. Mit, ich weiss nicht wie vielen andern Läufern, ging es über die Startlinie.
Vom H-Block aus doch noch ne schöne Strecke dort hin.
Wir jagten sie, wir durften sie vor uns her schieben. Die Jungs die den Weltrekord brechen wollten. Ich wollte nur ankommen, gesund ankommen.

An der Siegesseule fing es an, die Anfeuerung, die Menschenmassen die es sich nicht nehmen lassen wollten und mit allen allen möglichen Ideen anzutreiben. Klasse.

Irgendwann hab ich dann meinen Lauf gefunden, bin immer schön in meiner Herzfrequenz gelaufen, wie ich es mir hab vorschreiben lassen. Ging ja auch nicht schneller oder langsamer.
Aus der Läufertraube kam man ja nicht mehr raus. Und Kollegen habe ich auch nicht mehr gesehen, kein Läufer aus dem DPWN Team.

Am Hauptbahnhof dann mein Groupie. Pünktlich, wie bestellt stand sie da und feuerte mich an. Jaaa.
Die Läufertraube war immer noch zusammen. Eine Traube aus tausenden von Läufern, Dänemark war massig vertreten, Italien lief links und rechts, irgendwann sah ich auch mal einen Läufer aus der Ukraine. Wahnsinn.

Endlich, nach 15 Kilometern zog sich die Läufermasse ein wenig auseinander. Luft, Platz.
Das tat gut.
Ich konnte ruhiger laufen, nicht immer so wie ein Hase von links nach rechts springen.
Wasser, davon konnte man beim Lauf nie genug bekommen. Zwei Becher mussten her.
Einer sollte in den Körper der andere auf den Körper zum abduschen. Tat jut.

Plötzlich ein lautes Klopfen, es wurde immer lauter. Es wurde extrem laut.
Gänsehautfeeling setzte ein. Unter einer Brücke standen sie, keine Ahnung unter welche der vielen Brücken. Ich sah sie zu erst überhaupt nicht. Die Läufer die dort vorbei kamen reckten alle ihre Fäuste in die Höhe, mit jedem Trommelschlag. Wau…geil.

Da standen sie, 15 oder 20 Trommler. Alle unter der Brücke. Alle schlugen sie im gleichen Rhythmus. Das Echo der Trommeln.
Und da mussten wir alle vorbei. Gab das Ansporn…zum Durchhalten.

Vor lauter begeisterten Zuschauern, händchenstreckende Kinder die abgeklatscht worden wollten und dabei wohl ihren eigenen Wettstreit ausübten, ätsch ich hab jetzt 38 zusammen, hörte ich noch so im weiter laufen, übersah ich einige Kilometerangaben.
Aber nicht so wild, es gab ja wohl noch genügend davon bis ins Ziel.

Mein Groupie war schon wieder pünktlich, klappt also alles mit der S + U Bahn in Berlin.
Bin stolz auf dich ! Du machst auch deinen Marathon.

Jazzmusik auf der rechten Seite, nicht grad meine Musik, aber es passte wieder mal.
Die Jungs freuten sich, wenn man sich brav bei ihnen für die Unterstützung bedankte.
Daumen hoch.

Irgendwann hatte ich dann auch die ersten 20 Kilometer geschafft. Und die Zeit stimmte auch,
aber das war ja nicht so wichtig. Zwischenzeitlich bemerkte ich auch, dass einige Läufer sich wohl überschätzten und in der Zuschauermenge am Strassenrand verschwanden.

Gleich müsste es kommen, der Mann vor dem so viele Respekt und Angst haben. Aber ich seh ihn noch nicht. Hat bestimmt Verspätung, aber ich bin nicht bös drum. Obwohl ich eigentlich nen pünktlicher Mensch bin.

Und immer wieder überall Superstimmung, Musik aus den Kneipen, von irgendwelchen Balkons mit riesigen Boxen, was für Eindrücke, ist Berlin immer so?

So macht es Spass, man wird jeden Kilometer, jeden Meter weiter getragen

Halbzeit, das war nicht zu übersehen.
Von jetzt an ging es Berg ab, von jetzt an lohnte sich ein zurücklaufen auch nicht mehr.
Wie so auch?
Alles lief bestens, der Puls stimmte, die Stimmung war super, die Schuhe liefen, Verpflegung
war punktgenau. Ich habe niemals einen Gedanken damit verschwendet aufzuhören.

Eigentlich weiss ich überhaupt nicht an was ich die ganze Zeit, die ganzen langen Kilometer gedacht habe.
Hatte am Anfang sorgen, dass mein linker Asics Laufschuh mir irgendwann Probleme machen würde, Tage vorher bemerkte ich, dass dieser sich am Bereich der Hacke von innen auflöste. Und das schon nach 3 Monaten und gar nicht mal so vielen Trainingskilometern.
Aber er hielt durch.

Jetzt sah ich auch mal endlich einen DPWN Kollegen aus unserem Post-Team.
Und noch alles klar? Hörte ich von links und verspürte dabei einen aufmunternden Klaps auf der Schulter. Na logisch, bis jetzt geht alles seinen Weg, ganz automatisch.
Ich lies ihn aber weiter ziehen, hängte mich nicht an seine Fersen.

Aber gleich an der nächsten Ecke, hinter der nächsten Kurve, sollte es wieder weiter gehen.
Sambatänzerinnen an der Strasse. Aber meine Augen richteten sich jetzt langsam ab von den vielen Zuschauern, schade eigentlich. Es gab ja auch noch die Cheerleader und Steelbands die uns auf den langen Weg hin zum Brandenburger Tor begeleiteten.

War auch gut so.

Es war zwar nicht der prophezeite Mann mit dem Hammer oder die grosse Wand, meine Wade machte mir plötzlich Ärger. Die Rechte. Wie auch ab und zu im Training, aber schon lange her.
Mist, das darf jetzt nicht sein.
Bisher ist doch alles so gut gelaufen.
Kilometerpunkt 30 habe ich wunderbar zurück gelassen. Die folgenden 3-4 Tausender habe ich ebenfalls genossen und meinen Puls weiter so beibehalten. Mir ging es doch gut.
Dass die Zeiten jetzt nicht mehr genau so sind wie auf den ersten Meter ist doch klar.

Aber wieso jetzt, wieso, wo lag das Problem, was hab ich falsch gemacht?
Jetzt schoss mir einiges durchs Hirn.
Fragen über Fragen.
Aber keine Antworten.
Rechts raus und dehnen, massieren lassen, gehen. Pause! Nein.
Also eine Stufe tiefer und langsamer.
Und das alles 7 Kilometer vor dem Ziel, auweia.
Ich will ankommen, sonst hätt ich ja auch gleich meinen Op Termin beim Kieferchirurgen
letzte Woche wahrnehmen können.

Die Lösung kam in Sichtweite. Eine Verpflegungsstation.
Also Wasser schnappen, in aller Ruhe trinken und dabei ein Stück gehen, der Muskulatur ein
klein wenig Erholung gönnen. Dann ging es weiter, mit leichtem Lauf. Es klappte.
Hier und da mal wieder für´n kurzen Moment, wirklich nicht lange, den Füssen sagen, dass sie gehen sollen.

Plötzlich, unerwartet, und überraschend. Eine Stimme vom Strassenrand.

Ihr seid alle Sieger, ihr schafft es. Nur noch zweimal links und dann rechts Richtung Brandenburger Tor. Ihr schafft es!

Da waren sie wieder. Die super Zuschauer, und mein Groupie.
Es musste klappen. Sie feuerten uns alle an.
Ich hatte das Gefühl getragen zu werden. Noch einmal ein Sück
gehen, dann zieh ich durch.

Redbull verleiht dir Flügel? Ist da doch was Wahres dran?

Es klappte, und das grosse Tor kam immer näher.
Endlich, das Ziel lag so nah. Es war zu sehen. Dort hinten.
Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass noch 43 Sekunden, 43 Sekunden vom ganzen Lauf
geschafft werden können um unter 04:30 bleiben zu können.

Ja! Das wollte ich. Nur noch dieses. Dann ist Schluss für heute.
Dann bin ich einer von vielen Siegern. Sieger die die 42 km bezwungen haben.

04:30:02 zeigte meine Uhr an. Hab ich richtig beim Start gedrückt?

Und die Ziellinie……….die lag hinter mir!

Geschafft in 04:29:56, ein Traum wurde war.

Ich bin ein Marathonie, und mein Groupie hat auch eine eigene Medaille verdient und neben bei sogar noch die U und S Bahnverbindungen vonBerlin ausreichend kennen gelernt.

Berlin, du warst SPITZE.


Wir sind alle Sieger!

Gruss FRANK

Congrats!

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Hallo Frank.

Schön geschrieben. Mal etwas weiter gedacht und nicht so auf die Sekunden fixiert.
Recht hast du. Verrückt, sich wegen 3:15,3:30 oder 4:45, die man knapp verpasst hat aufzuregen.
Es war ein tolles Wochenende.

Spin

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Hallo Frank,

Glückwunsch zum tollen Marathon und auch zu dem super Bericht. Ich bin die Strecke nochmal mit dir durchgegangen.

Manfred

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Glükchwunsch zum Marathon, ich meine ist doch alles in allem doch angenehmer als der Besuch bei Kieferchirurge, oder? :zwinker2:
Schöner Bericht.
Liebe Grüße
Birgit

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Hey Frank,
toller Bericht. Ja, jetzt wird mir wieder bewusst was so alles neben der Strecke los war und das Durchhalten mit möglich gemacht hat.
Glückwunsch zur wirklich guten Debut-Zeit.

Ciao
Michael
Link zum Erdinger-Tippspiel

Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet (Greenpeace)
und

Nichts ist scheißer als Zweiter (Eric Mejer)
und
Die Nahrung soll Deine Medizin sein
und nicht die Medizin Deine Nahrung

Hippokrates

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Hallo Frank,

das ist der erste Berlin-Bericht, den ich heute am frühen Morgen gelesen habe (eigentlich keine Zeit, nur mal so reingeklickt und dann hängengeblieben). Er hat mir unheimlich gut gefallen, so schnörkellos und echt!
Glückwunsch und nun weiterhin gute Regeneration und wenig Stress beim Kieferdoc

Manu :hallo:
Kylie

try running in my shoeshttp://kyliecat.wordpress.com/

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Hi Frank,

Klasse Bericht!
Plötzlich ein lautes Klopfen, es wurde immer lauter. Es wurde extrem laut.
Gänsehautfeeling setzte ein. Unter einer Brücke standen sie, keine Ahnung unter welche der vielen Brücken. Ich sah sie zu erst überhaupt nicht. Die Läufer die dort vorbei kamen reckten alle ihre Fäuste in die Höhe, mit jedem Trommelschlag. Wau…geil.

Da standen sie, 15 oder 20 Trommler. Alle unter der Brücke. Alle schlugen sie im gleichen Rhythmus. Das Echo der Trommeln.
Und da mussten wir alle vorbei. Gab das Ansporn…zum Durchhalten

Und das mit den Trommlern habe ich an der wahrscheinlich gleichen Stelle ganz genauso empfunden!

Weiterhin alles Gute!

Kalle
los gehts...

M Berlin 24.9.06: 3:18:56
M Berlin 30.9.07: 3:06:49
M Berlin 28.9.08: 2:55:24
M Berlin 20.9.09: 2:55:50, was war mir warm...

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Hallo Frank!
Bin ich froh Deinen witzigen Bericht gelesen zu haben. :hihi:

Herzlichen Glückwunsch zum guten Lauf, Marathonie! :daumen:

Caramba :hallo:
Success is knowing that you did your best to become the best that you are capable of becoming (John Wooden)
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