Lizzy erzählt jedem, der es hören will oder auch nicht, dass sie keinen Stadtmarathon mehr laufen wird und jetzt sowieso erstmal pausiert.
Oktober (vor dem Marathon):
der München-Marathon rückt näher und mit ihm die kleine nagende Versuchung, doch noch eineinzigesklitzekleines Thönnchen dranzuhängen .. ... München ist bekanntlich keine Stadt, sondern ein großes Dorf und wo's doch vor der Haustür ist ... natürlich NUR, wenn ein günstiger Startplatz vom Himmel fällt .... und er fällt in Form einer PN einer Mitforianerin und Bekannten, die nicht laufen wird. Okay - ich zahle den halben Preis, das ist für so einen aus dem Nichts gestampften riskanten Lauf noch akzeptabel.
Am Dienstag vor dem Marathon laufe ich gleich zwei Wettkämfe. Einen Zehner in persönlicher Jahresschlechtzeit, was mir deutlich signalisiert, dass ich lange noch nicht wieder fit bin nach dem Marathon in Münster vor 4 Wochen. Und weil die Unvernunft nicht alleine bleiben will, den Fünfer eine Stunde später zur Gesellschaft noch mit ... danach schmerzen die Beine stärker als nach dem MüMa ...
München 8.10.06
7:00 Uhr morgens
mein Wecker klingelt. Ich bin todmüde, der Hund macht auch keine Anstalten, seinen Morgenauslauf zu fordern. Mein Lebensgefährte blinzelt mich im Halbschlaf fragend an.
Ich sage: "Ich laufe heute nicht. Viel zu kaputt"
Verpennte Antwort meines Liebsten: "Das ist auch besser so."
Beiderseitiges umdrehen und weiterpennen.
8:15 Uhr:
Der Hund möchte jetzt doch raus. Ich quäle mich unwillig erwachend aus dem Bett, werfe die Kaffeemaschine an und drehe mit ihm sein Ründchen. Die Morgenluft macht wach ... wann fahren nochmal die Busse? ... ob das noch zu schaffen ist ...?"
Nach Hause, panikartik in die Klamotten geschmissen, in Schlafzimmer gerast: "Wenn ich den Bus gleich noch schaffe, laufe ich doch - die Cola steht im Kühlschrank. Wenn du es schaffst und wenn du magst ... am besten im Engl. Garten."
Verdattertes Gesicht ignoriert, Scheibe Honigbrot mit Kaffee eingeworfen und ab dafür! Auf's Rad, zum Bus - Ankunft Eishalle ca. 9:45 Uhr. Einmal quer durch den Olympiapark gehechtet - warum nicht auch mal warmlaufen vor dem Marathon ;-)
9:55 Uhr
der erste der drei Startschüsse fällt. Die Teilnehmer der deutschen Marathonmeisterschaften rennen los, während ich gerade bei der Kleiderabgabe meinen Rucksack deponiere. Jetzt die Ruhe selbst. Der zweite Block wird frühestens 10:10 Uhr gestartet. Massig Zeit.
Ich werde erkannt von Thomas, der im letzten Jahr beim Zieleinlauf auf einem privaten hier geposteten Foto zu sehen war und mich damals per Mail darum bat. Dass er mich erkennt, finde ich lustig und verwunderlich - habe ich mir doch gerade die Haare zu einem extrem unvorteilhaften Kurzhaarschnitt stutzen lassen.
Thomas treffe ich noch mehrmals und wieder schummelt er sich auf private Fotos (Hallo Thomas, war nett - bis zum nächsten Jahr ) aber er hat keinen Einbruch und kommt dieses Jahr deutlich vor mir ins Ziel.
10:17 Uhr:
ich überquere ganz hinten aufgestellt die Startmatte. Die Beine sind hart und müde. Bedenklich. Ich beschließe, ihnen die ersten 10 Kilometer zum Warmlaufen zu geben.
Kilometer 10:
1:04:09 h später frage ich meine Beine, was sie meinen. Sie meinen nach wie vor, dass es eine Scheißidee ist, was ich da treibe. Haben sich aber in ihr Schicksal gefügt und spielen eine Strecke lang klaglos mit. Ab und zu, wenn Steigungen kamen, bin ich immer mal wieder 50-100 Meter flott gewalkt, um sie zu entspannen, bevor es dringend wurde. Ich glaube, das war der Grund, dass wir - meine Beine und ich - schließlich auch durchkamen.
München ist leiser als jedes Dorf. War im letzten Jahr schon wenig Publikum an der Strecke - dieses Jahr war total tote Hose. Trotz Wärme (mir viel zu warm wie immer) verirren sich sogar in der Innenstadt nur sehr wenige Leute als Zuschauer an die Strecke. Unglaublich, wie leer es ist. In Münster fand ich es ja ZU laut - aber ein Mittelding wär' nicht schlecht gewesen. Insbesondere, weil später Ostbahnhof, Berg-am-Laim und Zamdorf nicht unbedingt die Kulisse eines Landschaftsmarathons bieten sondern stinklangweilig sind.
Auch heute stelle ich mir die Sinnfrage nicht. Die Antwort wäre immer gleich: "Weil ich irre bin , sich das aber in meinem Alter nicht mehr grundsätzlich ändern läßt"
Bei Kilometer 20 pickt mich ein Team vom BR am Verpflegungsstand aus der Menge und macht ein kleines Interview. Ich denke - und frage ;-) : "Sehe ich SO scheiße aus, dass die gezielt mich anpeilen oder warum ...? (es wurde soeben in "Sport Regional" in Bayern3 gesendet und ich sehe grausam aus ;-)
Halbmarathon
Meine Beine sind müde. Sehr müde. Hier und da - Hüfte, Fuß, Oberschenkel - zwickts sogar etwas schmerzhaft. Himmel - so früh! Es ist abzusehen, dass ich heute dem Hammermann Gesellschaft leisten muss.
Abbrechen? Ich rücke meinem zu-Hause immer näher ... gefährlich nahe ... aber jetzt will ich auch die Medaille. In München gab's letztes Jahr eine hübsche. Ich hoffe, dieses Jahr auch wieder. Und dann sind da ja die abgegebenen Kleider ... Nix da - weiter!
Meine Laune ist übrigens weitgehend neutral bis streckenweise recht gut. Es ist Sonntag, die Sonne scheint, ich hatte für heute nichts anderes vor ... warum nicht etwas länger laufen, auch wenns ein bisschen zwickt
Kilometer 24
An der heimatnächsten Stelle: mein Lebensgefährte! Wieder einmal beweist er mir, was ich lange weiß: er ist der beste aller Männer ... der Hund ist gefüttert und versorgt, Cola hat er im Gepäck (nie wieder ein Marathon ohne Cola!) und außerdem den iPod, den ich in der Eile auf dem Tisch liegenlassen hatte und der mich später über viele Kilometer retten wird.
Kilometer 30-35
über die 30er Marke mit 3:22:51 h und trotz schmerzender Beine tapfer laufend, holte mich Thomas kurz vor KM32 ein. Genau passend, um sich wieder ein paarmal mit ablichten zu lassen dann zog er von dannen.
Der Hammermann, der mich schon seit dem Halbmarathon ständig umlauerte, wurde von mir eingelullt. Angriff ist die beste Verteidigung und so ging ich dazu über, mit dem virtuellen Quälgeist rumzuschäkern. SO schlimm ist der gar nicht ... eher ein kleiner Schelm
Ganz Mann, ließ er sich natürlich becircen und setzte zumindest bei mir nie die volle Kraft des Werkzeugs ein. Irgendwie rettete ich mich über die Kilometer. Zwar langsamer werdend und mit gelegentlich aufflackernden und wieder abebbenden Schmerzen .. aber es war klar: ich komme an.
Was ich auch nach 4:56:17 h tat. Körperlich ziemlich geschafft, psychisch unverdrossen und hartnäckig gut gelaunt. Ich lass mir doch den Sonntag nicht von so ein paar Kilometerchen versauen
42,194 km
Der Kreislauf geht in die Knie. Ich gehe mit. Hinsetzen funktioniert aber nicht so leicht, weil die Beine streiken Es dauerte ein, zwei Minütchen bis ich sicher bin, dass alles wieder im Lot ist.
Schadensbilanz
- die Beine schmerzen fast so stark wie nach dem ersten. Nicht ganz - aber deutlich stärker als nach den beiden vorhergehenden
- ich habe mir die erste Fuß-Schuh-Blutblase meines Läuferinnenlebens erlaufen
- ich bin total laufsatt
- meine Hüfte ziept
Das war's jetzt wirklich erstmal. Die Medaille ist fast noch schöner als im letzten Jahr. Ziemlich ähnlich, aber leuchtender, glänzender, bunt! Ganz mein Geschmack
BILDER / Fotoeindrücke
gibts HIER im BLOG: weil dort die Freischaltung entfällt und man alles auf einen Blick hat.
Danke für's Lesen und Gucken. Hiermit verabschiede ich mich bis auf weiteres in den läuferischen Winter. PAUSE!