3. Kölner 12er, 12-Stunden-Lauf, Köln-Weiden, 15.10.2006
-Von kleinen Brötchen, großen Läufern und einem Schlüsselerlebnis-
Teil 1 - Die Tage vor dem Tag der Tage
Vorwettkampfgejammer ist ja normal. Aber ich konnte zu Recht jammern. Seit dem 24-Stunden-Lauf im Juni hatte ich keinen Lauf mehr über 27,5 km und nur einen über 3 Stunden. Ich fühlte mich formmäßig in einem Loch, aus dem es nur ganz langsam wieder hinausging. Die letzten 2 Wochen vor dem Lauf hatte ich, auch wegen einer sich anbahnenden Erkältung, fast gar nichts mehr gemacht. Also sicherlich keine guten Voraussetzungen, um bei einem 12-Stunden-Lauf anzutreten.
Aber ich war schon lange gemeldet, freute mich seit Monaten auf die Veranstaltung und wollte auf keinen Fall kneifen.
Kleine Brötchen backen war jetzt angesagt. Nachdem ich im Vorjahr beim 6-Stunden-Lauf 55 km erreichte, hatte ich mir Anfang 2006 als Ziel gesetzt, beim 12er möglichst nahe an die 100 km heranzulaufen. Nun mußte ich froh sein, wenn ich wenigstens 2 x die Marathondistanz schaffen würde.
Ich reiste bereits einen Tag vor der Veranstaltung nach Köln, weil ich an der DUV-Sitzung teilnehmen wollte. Dort traf ich dann auch auf Ulli und Andre. Das "Team USA" (Ulli, Stefan, Andre) war somit wieder komplett und bereit, den dritten gemeinsamen Ultra anzugehen.
Die DUV-Sitzung lief komplikationslos ab. Carmen Hildebrand und Wolfgang Schwerk wurden als DUV-Sportler des Jahres geehrt; Werner Sonntag erhielt einen Ehrenpreis. Nachdem ich anschließend im örtlichen RunnersPoint noch eine 3/4-Hose erstand traf sich das "Team USA" erneut am am Abend im Hotel 1147 bei der Stadtnummernausgabe. Dort wurden bei Gesprächen mit erfahrenen Ultraläufern die Energievorräte auch noch einmal ausgefüllt; bei mir mit Spaghetti Pescaiola und Weizenbier.
Übernachtet wurde anschließend in der Sporthalle des Fitnesszentrums, dass direkt am Startbereich liegt. Für mich war dies die erste Rudelübernachtung vor einem Wettkampf. Nachdem die südländische Fußballtruppe kurz nach 22:00 fertig war, kehrte langsam Ruhe in der Halle ein. Vereinzelt wurden in den Schlafsäcken noch Bäume umgesägt, aber das sollte mich nicht lange vom Schlaf abhalten.
Teil 2 - Der Renntag
Gegen 5:00 Uhr war die Nacht zu Ende. Im Vorraum der Halle war das Frühstücksbuffet bereits aufgebaut. Kaffee, Rosinenbrot mit Nutella, nette Plaudereien und eine familiäre Athmosphäre - ein schöner Tagesbeginn. Ich nutzte die Anwesenheit von Achim Heukemes und ließ mir mein Buch "Born to run" signieren.
Kurz vor 7:00 Uhr ging es hinaus in die Kälte und wenig später wurde das knapp 50 Teilnehmer umfassende Feld der 12-Stunden-Läufer in die erste Runde geschickt. Es war noch dunkel und nebelig. Das erste Teilstück zwischen Wald und Hundewiese war durch Autoscheinwerfer beleuchtet, danach profitierte man schon von den Lichtern der Vorstadt. Nach einigen hundert Metern tauchte das Feld in durch Straßenlaternen orange gefärbten Nebel ein - ein mystisches Bild, wie in Akte X.
Ich hatte mir ein Lauftempo von 6:30 Min/km vorgenommen, dass ich so lange wie möglich durchhalten wollte; also 13 Minuten pro Runde.
Viele Runden lief ich plaudernd mit dem mir bis dahin unbekannten Jens ("Jensen") zusammen, einige mit einem kleinen Grüppchen und nur wenige alleine. So vergingen Runden und Zeit wie im Flug. Das Wetter spielte dabei prima mit. Über den Wiesen lag anfangs immer noch Nebel, durch den die Sonne schien. Ein schönes Bild. Die Temperaturen blieben im läuferfreundlichen Bereich.
Bis ungefähr Kilometer 30 lag ich noch einigermaßen im Plan, aber dann rächten sich die fehlenden langen Läufe. In Anbetracht der noch vor mir liegenden Zeit gönnte ich mir nun kurze Gehpausen, in denen ich mich meist mit Getränken versorgte. Die Rundenzeiten glitten in den Bereich über 15 Minuten, später über 16 Minuten ab.
Die imaginäre Marathonmarke überquerte ich knapp unter 5 Stunden. Somit blieben noch 7 Stunden für den zweiten Marathon, aber ich merkte, dass auch dieses Minimalziel diesmal nur schwer zu erreichen sein würde.
Nach 44 Kilometern legte ich eine längere Pause ein, aß etwas und fettete meine Füße neu ein, da ich spürte, dass sich unter einem Fußballen langsam Druckstellen und Blasen bildeten. Nach 50 Kilometern ließ ich mir vom Rennarzt Dr. Stefan Hintze den Ballen tapen, aber das Tape löste sich in der folgenden Runde sofort wieder ab. Für diesen Fall riet Stefan zum Abbruch. Da ich keine Lust hatte, wieder, wie nach dem 24-Stunden-Lauf, tagelang mit zerschundenen Füßen herumzuhumpeln und mein Minimalziel nun außer Reichweite sah, fiel es mir nicht sonderlich schwer, diesmal auf den Doc zu hören und nach 52 Kilometern aus dem Lauf auszusteigen.
Ich packte meinen Klappstuhl aus, setzte mich vor mein Auto an die Strecke und genoß Lauf und Sonne als Zuschauer, bis ich auf die Idee kam, mit dem Handy mal ein paar Fotos zu machen. So kamen dann fotografierend, gehend und trabend noch 2 Runden hinzu. Mit 56 Kilometern hatte ich dann wenigstens mehr Kilometer als beim 6-Stunden-Lauf in 2005. Ein kleiner, gedanklicher Trostpreis.
Danach, so kurz vor halb 4, widmete ich mich dann wieder meinem Klappstuhl.
Gegen 17:00 merkte ich, dass sich die Blasen am Fuß wieder zurückgebildet hatten. Sollte ich vielleicht doch noch mal...??
Zwei Stunden würden noch bleiben. Vielleicht jetzt noch mal Gas geben? 15-20 Kilometer könnten noch drin sein. Ich wurde hektisch. Schnell die Fettcreme suchen, um den gelaufenen Wolf einzufetten. Wo ist die blöde Tube nur? Ah, endlich. Rein ins Auto, einfetten, raus aus dem Auto, Tür abschließen, langes Shirt aus und in den Kofferraum, Startnummer wieder um, Kofferraum zu... Als der Kofferraum "klack" machte, machte es in meinem Kopf "klick". Oh, nein - der Schlüssel!!
Den habe ich in all der plötzlichen Hektik tatsächlich im Kofferraum liegen lassen.
Der erneute Einstieg in den Lauf hatte sich damit erledigt. Die folgenden knapp 2 Stunden verbrachte ich dann damit, einen Abschleppdienst zu organisieren, der den Wagen wieder aufmacht, und im kühler werdenden Abend frierend auf den Mann vom Service zu warten.
Als der Wagen wieder offen war, stand das Rennen kurz vor dem Ende. So blieben es dann bei mir 56 Kilometer, während Ulli und Andre mit ihren Ergebnissen zufrieden waren.
Na ja; wenigstens ein Ultra ist es bei mir noch geworden und ein guter Trainingslauf für den 6-Stunden-Lauf in Troisdorf.
Im Restaurant des Fitness-Centers saßen wir hinterher noch ein Weilchen nett zusammen und ich füllte die Energiespeicher mit einem Hähnchenschnitzel in der Größe eines Elefantenfußabdruckes auf.
Nachdem die Sieger geehrt und mit Preisen bedacht wurden, ging es wieder heimwärts.
Teil 3 - Der Rückblick
Sportlich gesehen blieb meine Leistung, wenn auch teilweise aufgrund ungünstiger Umstände, weit hinter den Erwartungen und noch weiter hinter den Hoffnungen zurück.
Gelohnt hat es sich trotzdem, schon allein weil ich wieder nette Läufer jeder Leistungsklasse kennengelernt habe. Neben den reinen Hobbyläufern war mit Australiendurchquerern, 3.100 Meilen-Läufern, Deutschlandläufern und so weiter auch reichlich Ultra-Prominenz am Start. Kreisklasse meets Champions League. Das Schöne war, dass niemand von den Topläufern Allüren zeigte, sondern das Ganze sehr locker und familiär ablief. Das ist das Tolle an solchen Veranstaltungen.
Es hat mal wieder Spaß gemacht in Köln.
Stefan