Vorspiel
Nachdem mein Erstlings-Marathon in Frankfurt vor 2 Jahren ganz gut lief, und ich vor 1 Jahr verletzt verzichten musste, war schon lange das Ziel im Kopf klar. Im Frühjahr war ich 3 leicht bergige Marathons gelaufen. Den letzten davon in Luxembourg in 4:28, sehr schön, mir war damals gleich klar: das ist für mich kaum zu toppen. Wenn überhaupt, dann in Frankfurt.
Da ich lange Läufe nicht mag, besonders wenn sie auf flachem Asphalt stattfinden sollen, hapert es auch sehr daran. Der Köln-Marathon bot sich als Trainings- und Testlauf an. Ich war bis dahin mental gut drauf, hatte ich doch nur erfolgreich meine HM-Bestzeit um 3-4 Min. verbessert und Landschafts-Trainingsläufe über hügelige Feld- und Waldwege, locker oder mit Tempo, jedenfalls problemlos bestritten. Aber in Köln taten mir schon ab km 6-7 die Beine weh und ständig bzw. abwechselnd wollte irgendwas verkrampfen. Mit vielen Gehpausen behielt ich es einigermaßen im Griff und kam in miserablen 4:51 an. Mit diesem Arschtritt zwang ich mich an den folgenden beiden Wochenenden zu zwei 27-28km-Trainingsläufen im 6er Schnitt, davon ca. 20 km auf flachem Asphalt. Gingen ganz gut. Was anderes kam eigentlich auch nicht in Frage.
In Köln hatte mir eine Olga gefehlt. Ich habe zu niemandem im selben Zeitbereich ein gewisses Konkurrenzdenken aufbauen können und wollen. Mir ist bewusst, dass mich das fördern würde, wenn es mir gelänge. Ich halte Ausschau, auch im Forum, der einzige wäre eigentlich Günthi. Oder E.T., der sub 4:27 angekündigt hat? Ziemlich utopisch, ich habe, verunsichert von Köln, echte Bedenken die 4:37 vom ersten Mal zu schaffen. Markus ist eh zu schnell. Es freut mich sehr, als Günthi sich anmeldet und seine Zielzeit verkündet (sub kitty oder sub mir... ).
29.10.06
Ich muß mit der Bahn fahren und bin erst so kurz vorm Start in der Festhalle, dass ich trotz schnatterinchens Hilfe keinen anderen Fori mehr treffe. Mist!! Etwas ratlos bis suchend ordne ich mich irgendwo ein. Beschließe, das beste draus zu machen, dass ich „allein“ bin, und so lang wie möglich im 6er Schnitt zu laufen. Langsamer hatte mir in Köln auch nix genutzt, also wozu? Das Split-Denken ist was für Profis, nix für mich.
Zwischen km 3 und 5 beobachte ich eine auf dem Vorfuß schwebende, große, dünne, junge Frau, selig vor sich hin lächelnd. Mir kommt exciplex in den Sinn. Ja doch, das könnte sie sein. Meine Olga!? Solche Figuren eignen sich prima. Bei meinem besten HM hatte mich auch so eine gezogen.
Doch sie wird mir zu langsam. Als ich neben ihr bin, lächelt sie mich auch noch freundlich an! Und bleibt zurück. Schade, war eben noch viel zu früh für eine Olga.
Ich halte immer wieder Ausschau nach bekannten Gesichtern (hoffe u.a. auf Günthi oder E.T. in der Annahme, dass sie hinter mir gestartet sind). Leider keiner, aber es läuft gut und genau im 6er Tempo bis km 20. Ich gönne mir Geh-Trinkpause und überschreite die HM-Matten nach 2:08. Gut so, ähnlich Luxembourg.
Aber ab jetzt lassen sich leichte Missgefühle im linken Bein nicht mehr wegleugnen. Beginnende Krampfneigung, wie in Köln ab km 6-7, ich befinde mich Gottseidank „schon“ bei 22. Ich merke, wie mir der Kopf einen Streich spielen will. Er denkt: selber schuld, bist ja nie weiter auf flachem Asphalt gelaufen!! Hehe, jetzt geht’s bergab mit dir!
Ich versuche es mit Persönlichkeitsspaltung. Das darf er mir nicht antun. So schlimm ist es schließlich nicht. Ein wenig Tempo zurück, und „Aussitzen“. Laufen fällt ja noch nicht schwer, tut nur etwas weh. Um die negativen Gedanken weg zu drücken, beschließe ich, eine Weile zu „schlafen“ und irgendwie dabei vorwärts zu kommen, einige km lang, so viele wie möglich, bis 30 oder so... (und danach noch 12 km im 10er-Tempo zu rennen, nach Vorbild von zack, das wärs!!). Ich zuckele in der Straßenmitte (habe zur Zeit keine Lust auf Kinderhände) und nehme die Zuschauer und gelegentliche Musik als Randberieselung wahr.
Km 25, Verpflegungsstelle, ich wache halb auf und trinke nacheinander Wasser (warum?), Rosbacher Sport (gut!) und Cola, die es hier erstmals gibt, wusste ich eben noch nicht, aber trotzdem. Irgendwie hat der Schweinehund Oberhand gewonnen. Nach soviel Trinken kann ich auch nicht gleich wieder anlaufen, das gibt Seitenstechen. Also noch ein wenig gehen, vielleicht verschwinden die leichten Schmerzen dadurch wieder...
Sie verschwinden nicht, ich brauche andere Motivation. Ich überlege und „schlafe“ solange noch mal in langsamem Trott. Bis bei ca. km 27? 29? ein Solo-Sänger mich aufweckt. He, der ist echt peppig!
Ich rechne mal eben. Eine neue PB wäre schon noch drin! Ich fasse den folgenschweren Entschluß: Wenn ich sub Lux bleibe (4:28:03) mache ich NIE mehr einen Citymarathon mit, jedenfalls keinen flachen. Meine Beine hassen das, also warum mache ich es eigentlich, bei Landschaftsläufen bin ich relativ besser und vor allem schmerzfrei. Also jetzt da durch, und dann nie mehr! Wenn es klappt, sonst, zur Strafe...
Reiß dich zusammen, Kopf, und sieh zu, dass die Beine wieder 6er Tempo laufen, auch wenn sie sich inzwischen schwer anfühlen. KM 30: knapp 3:07. Daß das linke Bein wehtut, ist mir inzwischen vertraut, hart sind die Muskeln aber nicht. Das rechte wird jetzt auch schwer. Ich vermisse Powergel (hab keins mit), habe etwas Traubenzucker mit, aber keine Lust ihn auszupacken, es gibt ja Cola. Weiter, nicht viel denken, weiter. Bei km 33 fange ich an mich auf frauschmitt zu freuen, die bei 38 stehen wird mit rosa Puschel. Ich finde zwar keine Olga, aber kann mich vorläufig an Puschel festbeißen. Und zwar möglichst bald will ich dort sein. Sie wartet auf mich. Doch, sicher. Bis dann werde ich „Tempolauf“ machen, so schnell es eben noch geht. Und dann ist es ja nicht mehr weit.
Ab km 36 fange ich also an zu suchen, konzentriere mich auf rosa Puschel. Da ist sie! „Frauschmitt?!“ „Jaa!?“ Wir kannten einander noch nicht, aber sie geht zügig neben mir her für Minuten, die mir jetzt die ultimative Motivation geben. Sie sagt, Schnatterinchen war super, Markus auch gut, aber nicht weit vor mir. Sie erinnert mich auch daran, dass es mir –außer schweren Beinen – super geht. Ich werde also jetzt nur noch überholen und Bestzeit laufen.
Ja, so mache ich es. 4:26:39. Glücklich, k.o., genieße ich die super Zielverpflegung (Kaffee! Nudelsuppe!), sehne mich nach einem Sitzplatz und freue mich auf Landschaftsmarathons. Genieße das Duschen (komfortabel diesmal), treffe danach endlich Günthi dank seinem Anruf, und die anderen (Schnatterinchen verrät mir wieder, wo). Und freue mich ....
So, genug geschwafelt.
Eure MarieKäferin
Mein letzter Citymarathon
1Sag nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst (Matthias Claudius)
http://artificial-nonsense.blogspot.com/
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