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Boston Marathon 2007 - oder wie ich lernt den Nor'Easter zu lieben

Boston Marathon 2007 - oder wie ich lernt den Nor'Easter zu lieben

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Alles begann am Freitag den 13.4.

Nach gut 1700 Trainingskilometern durch den Mittelfränkischen Winter (natürlich auf den Meter mit dem Forerunner protokolliert :zwinker5: ) ging es endlich los gen Boston.

Zu diesem Zeitpunkt war ich erst einmal froh dem nasskalten, matschigen, dunklen Trainingsalltag der letzten Monate entkommen zu sein.
Da das Teufelchen :teufel: mir nach der guten Zeit aus Hamburg eingeflüstert hatte einmal alles zu versuchen verschanzte ich mich also mit Jack Daniels......nein, nicht dem. Daniels Running Formula natürlich. Und unterzog mich dem Elite Programm. Kleine Werbeeinblendung: Das bisher beste Trainingslehrebuch was ich gelesen habe. Sorry an die Greif Jünger :D

Dass die Trainingsbedingungen ein Vorteil werden sollten konnte ich da noch nicht ahnen.......

Die Anreise verlief dann erst einmal recht unspektakulär. Von Frankfurt über Paris nach Boston. Ein Glück das die Air France weiß, dass man in Charles de Gaulle keine Chance hat in 45 seinen Anschluss zu bekommen. Also wurden wir gleich mit einem Bus zum Zielterminal gefahren. Es war echt knapp! Also erst mal durchschnaufen.
Vor lauter Threat-Level Orange hatte ich natürlich Befürchtungen die Einreise wäre ein Akt von Stunden. Aber: Weit gefehlt. Logan ist wirklich ein guter Tipp im Vergleich zu JFK o.ä.. Es brauchte bloß Minuten nach der Landung bis zum Hotel.

Gegen den Jet-lag dann gleich mal in die Stadt. Nur kurz: Wirklich eine Reise wert. Aber es zeichnete sich schon ab was die Wetterprognose andeutete. 5 Grad und windig. Da ahnte ich noch nichts von der allerletzten Prognose.

Der Samstag war dann für die Messe und die Stadt reserviert. Wie immer in Amerika war es total klasse gleich mit so vielen Leuten ins Gespräch zu kommen. Der arme Mitläufer aus Kalifornien hatte nicht einmal im Regen trainiert. Für Ihn sollte es hart werden.

Es war eine sehr gute Idee am Samstag zu Messe zu gehen. Viel Platz, und viele Gelegenheiten die üblichen Pröbchen von dies und jenem zu ergattern. Übrigens viel mehr als in Berlin und Co. Beim Laufsocken Stand habe ich mich gleich zweimal angestellt :wink:

Bei der Tour durch die Stadt dann noch schnell die Organisation gecheckt. Wo fährt der Bus ab? Wie sieht die Zielzone aus?
Das alles noch bei strahlend blauem Himmel.
Da hatte mich der Warnzettel aber schon etwas aufgewühlt den mir die nette Dame bei der Startnummernausgabe hinhielt:
Warnung vor extremen Bedingungen. Sturm, Regen, Kälte. Man sollt mit schweren Unterkühlungssymptomen rechen.....
Au Backe!

Sowohl die lokale Nachrichtensendung als auch der Weather Channel ließen leider keinen Zweifel. Es sollte der schwerste Frühjahrssturm seit langem über Neuengland ziehen.

Sonntag war er dann auch angekommen.

Ein Bild für die Götter! Orkanböen peitschen literweise den Regen an die Scheiben. Naja.....da habe ich natürlich keine stundenlangen Touren mehr gemacht. Letzte Einkäufe, und dann relaxen im Hotel.
Relaxen?
Nee, nicht wirklich. Keiner ist wirklich total entspannt am Tag vor dem Lauf. Aber wenn das heulen des Sturms fast den Fernseher übertönt. Herrlich.
Ok. 99,8% der Bevölkerung verstehen einen Marathonläufer eh nicht. Aber ich wette an dem Abend waren es mehr!
Egal. Man hat ja schließlich eine Mission, oder? Also beschäftige ich mich den Rest des Abends mit der Bekleidungsstrategie. Ja, sogar meine North Face Gore-Tex Jacke spielte eine Rolle in meinen Überlegungen.

Da habe ich fast die Pasta Party vergessen. Sehr schön gemacht. Wenn ich nur nicht den Büffel-Yoghurt zum Nachtisch gegessen hätten…….brrrrr.
Gruß, an die NETTE Tischnachbarin aus den Catskill Mountains! :hallo:

Race Day:

Was in Boston mit dem Streckenlayout einhergeht ist die Busfahrt nach Hopkinton. Also 6 Uhr früh an der Sammelstelle, und dann 1h! fahrt im Schulbus (Sitzabstand Grundschule) aufs Land. Eine Gelegenheit den letzten Powerbar zu essen und ein bisschen abzuschalten.

Die Stoßgebete von 22000 Läufern wurden erhört: Es hat zumindest nicht mehr geschüttet. Eher nur milder Dauerregen.

An der Highschool angekommen sollte sich die Wahl des frühen Busses auszahlen. Ich ergatterte einen der begehrten Plätze in der Turnhalle! Da man noch gute zwei Stunden rumbringen musste war das ein unschätzbarer Vorteil. Noch mal lang machen. Trocken bleiben! Die Szenerie draußen war wirklich filmreif. Die Wiesen ein einziger Matschsumpf, hunderte die sich in jeden Vorsprung kauern um wenigstens etwas Trocken zu bleiben.
Blieb nur noch die Frage: Worin lauf ich verdammt?!
Wie eine Frau vor dem Kleiderschrank ;-)
Es wurde dann die Short Tight mit einem langen Oberteil, Mütze und Handschuhe.

Wir sahen aus wie ein Jahrestreffen der Müllabfuhr. Was man alles in Mülltüten wickeln kann. Echt herrlich.

Dann setzte sich langsam alles in Bewegung zum Start. Endlich! Da ich im Gegensatz zu den Boston Profis keinen Campingstuhl oder eine Iso-Matte dabei hatte war es nicht all zu gemütlich.
Das war auch gleichzeitig das Warm-Up. Ca. 1km durch die Stadt bis zu den Corrals. Diese waren leider schnell so voll das man nicht wirklich traben konnte. Um nicht zu sehr auszukühlen hüpften also alle ein wenig auf der Stelle.
Wären nur nicht da schon die Socken klatschnass gewesen.....

Der Rest des Prozedere war eher unspektakulär. Keine Animation wie in anderen Läufen. Hymne singen natürlich. Und auf einmal ging es los. Das kam fast überraschend.

Wurscht. Ab durch die Mitte! Der Auftakt ließ sich erst einmal recht gut an. Der Regen störte, ließ sich aber aushalten. Dank Corral 3 ging es auch sehr zügig los, und man hatte gleich ausreichend Platz. Es stellte sich aber gleich eine erste Schwierigkeit ein. Wie halt ich auf einem welligen Kurs das Tempo gleichmäßig? Die ersten Kilometer sind zwar primär abschüssig. Es geht aber immer wieder auch leicht bergan.

Die Begeisterung für die Bergabstücke sollte sich gut 1,5 später vollständig gelegt haben.

Der Zuschauerzuspruch war, auf Grund des Wetters in den ersten gut 10 km sehr spärlich. OK, in dieser ländlichen Gegend nicht verwunderlich. Es sollte dann aber später deutlich besser werden.

Tja, noch lief alles schwer nach Plan. Das Gelände flachte ab. Der Schnitt pendelte in den angepeilten 4:15/20. Dass heute nicht der Tag für Rekorde war hatte ich bis dahin schon akzeptiert. Ja, ich gebe es zu. SEHR schweren Herzens.
Der Regen? Hatte eher noch etwas nachgelassen und ging in Schauer über. Dafür wurde das Gelände offener, und der Wind blies doch recht forsch von vorne.

Richtung Halbmarathon eins DER Highlights der Strecke. Vorbei am Wellesley College. Gut 1km einer Phalanx von Mädels die sich die Seele aus dem Leib kreischen. Man hat zwar hinterher ein Pfeifen auf dem rechten Ohr. Aber der Motivationsschub kommt genau recht.

Kurzer Scan aller Körperfunktionen. Status grün.

Also Kurs gesetzt auf die Newton Hills und durch. Der Heartbreak Hill ist sicher vielen ein Begriff. Aber……es sind eigentlich 4. Und Heartbreak ist bloß der letzte. Ich nehme es vorweg. So musste ich noch nie auf den letzten 10 beißen.

Die erste Hälfte hatte doch schon Ihre Spuren hinterlassen, und ich ging den ersten Hügel recht entschlossen an. Meinen Oberschenkeln schien es nicht all zu sehr zu gefallen. Nach 25km erste Krampferscheinungen auf der Rückseite. Das Mantra für den Rest der Strecke begann sich zu formen: Du wirst nicht gehen, Du wirst nicht gehen…..
Es ließ sich alles gut auslockern. Aber die Warnung saß. Gas raus. Locker durchziehen.
Der zweite. Steiler. OK Kumpel. Das wird kein Spaß.

Die Bergabpassagen der ersten Hälfte bescheren die nächste Überraschung. Mein linker Oberschenkel beginnt sich auf der Vorderseite zu einem recht deutlichen Schmerz zu entwickeln. Genau. Es wird am 3. Berg nicht besser.
Heartbreak. Kilometer 32. Da wo es so schon langsam zäh wird den längsten Anstieg der Kette. Das Feld wird sichtlich langsam. Die Gesichter zeichnen nicht wirklich ein Bild der Erfüllung. Es wird ein Kampf. Keine Frage.

Es geht nach Boston. Merklich bergab wiederum. Ihr habt es erraten  Es macht keinen Spaß. Der Oberschenkel hat sich entschlossen sich zu einer Mischung aus Krampf und brennen zu steigern.
Du wirst nicht gehen, du wirst nicht gehen….
Wat nu? Ziele mit einer 2 an erster Stelle liegen Äonen hinter mir. Tendenz gegen 3:08/9. Neuer Kurs. Wenigstens die Mindest Boston Quali-Zeit bestätigen. Wenigstens fürs Ego mitnehmen das man hierher gehört.

Die Zeit fällt merklich ab. Es ist kaum mehr 4:45. Aber die Meilen schwinden. Meilen können so verdammt lang sein. Schrecklich. Jeden Kilometer einen Marker zu haben ist irgendwie beruhigender, oder?
Wer hat da die Brücke über die Bahnstrecke gebaut? 1 Meile vorm Ziel verzerrt die Wahrnehmung das Hügelchen zu einer Mauer. Beißen!
800m. Warum diese Unterführung? Warum!
400m, zwei Kurven, einbiegen auf die Boylston Street. Blick auf die Uhr. Es wird knapp. Verdammt knapp. Und was willst du jetzt? Fragen meine Beine. Wir machen hier keinen Spurt mehr mit. Ich sehe aus wie das Leiden Christi.

Ziel: 3:10:46, 14 Sekunden unter der Quali. Das war Maßarbeit.

Bestzeit? Natürlich verfehlt. Aber es wird wohl lange meine ideelle Bestmarke bleiben.

Fazit? Ein Traum :daumen: . 111. Boston Marathon. Gegen die Gewalten. Weniger Zeit zur PB eingebüßt als Robert Cheriyot.

Und mit der Gewissheit in 24h auf Sanibel Island die müden Knochen auf den Strand zu legen ;-)

Ach, fast hätte ich das Teufelchen :teufel: vergessen. Flach, Berlin?, sub 3. So die Richtung……

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Dann will ich mal der erste sein der "Danke" zu dem schönen Bericht sagt und Dir zu der guten Zeit gratuliert! Unter den Umständen ist eine 3:10 echt klasse! Ich bin vor genau 10 Jahren in Boston gelaufen, da waren die Bedingungen allerdings viel besser und es war fast zu warm.

Wir sehen uns in Berlin! :wink:

Liebe Grüße!

Thorsten (der in Berlin auch gerne unter "3" laufen möchte!)
Meine Homepage (www.meinewebseite.net/runningmanthorsten) freut sich immer über Gästebucheinträge! :)

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Schöner Bericht, tolle Zeit trotz der widrigen Wetterverhältnisse, was wäre bei idealem Wetter wohl herausgekommen ????

Toll !! Aber man muss alles einmal mit gemacht haben.

Herzlichen Glückwunsch !!

firenza
auch das noch :tocktock:

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Vielen Dank für den schönen Bericht! Berlin ist Bestzeitenpflaster. Ich drücke schon mal die Daumen, dass es da nicht auch Katzen regnet ...

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Hab gerade im Netz ein Video vom Boston-Marathon gefunden in dem die komplette Strecke gezeigt wird! Ist also sehr interessant für alle die noch nicht in Boston gelaufen sind, aber mal dort laufen möchten!

Liebe Grüße!

Thorsten.
Meine Homepage (www.meinewebseite.net/runningmanthorsten) freut sich immer über Gästebucheinträge! :)
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