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Die Schlacht am Teutoburger Wald

Die Schlacht am Teutoburger Wald

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Das konnte nicht sein! Das war niemals die Strecke, die ich vor einem Jahr so locker gelaufen bin! Der Sand war diesmal weicher und tiefer, die Steigungen länger und steiler, die Engstellen enger, das Kopfsteinpflaster holpriger...

Nach dem schönen, langsamen Landschaftslauf 2006 war der Hermannslauf 2007 für mich ein Rennen. Ich hatte ein Zeitziel, ich hatte Ehrgeiz, mehr als drei Stunden sollten die hügeligen 31,1 km nicht dauern. Während das trockene Prasseln der vielen Hundert Laufschuhe von den Bäumen links und rechts widerhallte, versuchte ich auf den ersten abschüssigen Kilometern mein trainiertes Renntempo zu finden. Aber die Menschenmasse war hier noch viel zu eng zusammen. Um nicht zu langsam zu werden, musste ich immer wieder in enge Lücken vorspurten, bevor diese von anderen wieder geschlossen wurden. Als nach drei Kilometern das Gefälle in die erste langsame Steigung überging, hatte ich über zwei Minuten auf meinen Zeitplan verloren.

Die Vernunft hatte mich noch nicht ganz verlassen, ich unterdrückte den Drang die verlorene Zeit sofort wieder einzuholen und hielt mich an mein Renntempo. Aber es blieb eng auf der Strecke, manchmal nahm ich Passagen durch tiefen, weichen Sand in Kauf, um nicht wieder in einem langsameren Grüppchen hängen zu bleiben. Doch die Zeiten waren jetzt wieder im Plan und noch hatte ich viel Reserven.

Die erste Gehpause musste ich am Tönsberg machen. Bis zum letzten Drittel konnte ich noch langsam laufen, aber als es dann noch einmal richtig steil wurde, fiel ich in einen zügigen Walking-Schritt. Der Läufer mit dem gepunkteten Bergtrikot – gerade hatte ich ihn noch stolz überholt – zog wieder an mir vorbei. Ich beschleunigte auch wieder und schaffte den Rest des Berges laufend.

Die nächsten Kilometer waren die schönsten des ganzen Laufs. Vom Kammweg aus öffneten sich nach links und rechts immer wieder wunderschöne weite Blicke: grüne Bäume, gelbe Rapsfelder und blauer Himmel kontrastierten um die Wette. Mit leichten Schritten ging es erst sanft abwärts, dann richtig steil hinunter nach Oerlinghausen. Hier kam das Kopfsteinpflaster, eine begeisterte Zuschauermenge – nenne noch einmal die Ostwestfalen phlegmatisch! – und eine gut gefüllte Verpflegungsstation. Ich hielt mich nicht lange auf, es lief gerade sehr gut und ich überholte viel. Den Halbmarathon erreichte ich irgendwo bei 1:58, alles war wieder im Plan. Den Ehrenpreis für besondere Motivationshilfe widme ich jedem Zuschauer, der irgendwo an diesem Abschnitt zu seiner Begleiterin meinte: „Hier hinten sind die Läufer doch deutlich fülliger als vorne.“

Dann kamen die Treppen bei Lämmershagen. Man liest, dass die Schnellen hier überlegen, ob sie ein oder zwei Stufen auf einmal nehmen. Ich blieb erst einmal stehen – Stau! Unwilliges Murren ging durch die Läuferschar. „Ich hab mich so beeilt“, schimpfte jemand hinter mir. Ich fluchte auch – wenn auch nur innerlich. Ein kühler Wind zog von hinten vorbei, ich fröstelte, während ich mich in die Schlage einreihte. Stufe. Warten. Stufe. Warten. Kostbare Minuten verrannen.

Oben war die Treppe plötzlich frei, aber das Anlaufen fiel mir schwer. Ich ahnte es, der Genuss-Teil des Laufes war jetzt vorbei. Die Kilometer begannen rückwärts zu zählen. Letztes Jahr hatte ich hier zum Endspurt angesetzt, diesmal kämpfte ich mit kraftlosen Beinen und Magendrücken. Ich verlangsamte mein Tempo und versuchte gleichmäßig zu laufen, aber es war nichts mehr zu wollen. Bei jeder halbwegs erkennbaren Steigung musste ich einige Schritte gehen. Das Wiederanlaufen kostete jedes Mal viel Überwindung. Mit jedem Kilometer schwanden halbe Minuten meines Zeitpolsters. Das letzte Kilometerschild übersah ich, als jemand brüllte „Noch 900 Meter“ glaubte ich es nicht. Aber dann sah ich das Ziel vor mir. Ein Blick auf die Uhr – es reichte nicht mehr. Von den begeisterten Zuschauern vorangetrieben lief ich auf das Zieltor zu und stoppte meine Uhr bei 3:00:47. Egal. Irgendwo unter der Erschöpfung stieg eine große Freude auf. Eine Helferin hängte mir eine Medaille um und drückte mich herzlich. 31 wunderschöne Kilometer waren geschafft, ich war 20 Minuten schneller als vor einem Jahr und dann entdeckte ich in dem Gedrängel meine Familie. Und nächstes Jahr schaffe ich auch die sub 3:00!
Es läuft ...

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Puh - Schlange stehen vor Treppen, heftige Steigungen - hört sich alles andere als ein Lauf an, an dem ich unbedingt mal teilnehmen möchte, auch wenn es in OWL ist - eine Gegend, in der ich mal 6 Jahre lang als Student gelebt habe. Vor diesem Hintergrund eine respektvolle Verneigung vor Deiner Leistung! Glückwunsch!

Bist Du unterwegs mal über Achim Achilles gestolpert?
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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Ja, es ist ein Jammer, wenn man erstmal eine Referenzzeit für einen Lauf hat. Er liegt wie eine Wolke auf der Strecke, macht sie so anstrengend und schwer zu laufen....

Ich gratuliere dir trotzdem zu der wirklich guten Zeit, die ja fast ein Traum ist.

mandy
mein Blog: AmandaJanus

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Gratulation, nächstes Jahr klappt es mit den drei Stunden. Ich finde den Hermann als einen der schönsten Läufe.

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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super Bericht,
habe ganuso gefühlt wie Du, die Letzten Steigungen konnt ich auch echt nicht mehr laufen, bei mir war schon fast am Tönsberg der Ofen aus.
Konnte wenigstens die Zeit vom letzten Jahr um 3 Minuten toppen. Geplant waren auch min. 15 Minuten.

Mich hat die Medaillenfee nicht gedrückt... *neidischwerd*

Gruss
Axel

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Glückwunsch. Zu den drei Stunden: Ich wollte eigentlich mindestens meine Zeit vom letzten Jahr erreichen (deutlich unter 3 Stunden), war aber schlecht trainiert und hab bereits nach kurzer Zeit gemerkt, dass das nichts wird. Bin dann auf unter 3 Stunden gelaufen und....hab mein Ziel um 2 Sekunden verpasst.

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Hallo Justrunning,
Obwohl ich das Rennen aus Gruppe A ganz anders erleben dürfte (es war auf keinem Fall leichter) erinnert mich Dein Bericht an mein Rennen vor 3 Jahren, wo ich mich aus der Gruppe C nach vorne durch Sand, Sträucher und mit Elenbogeneinsatz durchkämpfen musste.
Du hast mich auch daran erinnert, dass man auch die Landschaft herum bewundern sollte. Ich habe leider nichts gesehen, nur die Uhr, schmerzende Beine, die Kilometerschilder und die Konkurrenz, die an mir vorbeizog.
Für mich war der Lauf nicht schön, aber schon gestern habe ich mit der Vorbereitung auf "Hermann 2008" angefangen. Da MUSS die 2 Stunden-Marke fallen.

Gruß
Rolli

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Hallo JR,

schön geschrieben, man konnte virtuell mitlaufen. Wenn Du nächstes Jahr einen Verpflegungspunkt ausläßt und Dich an der Treppe ein bißchen vordrängelst, dann schaffst Du auch die sub 3 Stunden :daumen: .
JustRunning hat geschrieben:Den Ehrenpreis für besondere Motivationshilfe widme ich jedem Zuschauer, der irgendwo an diesem Abschnitt zu seiner Begleiterin meinte: „Hier hinten sind die Läufer doch deutlich fülliger als vorne.“
So ein Spruch ist schon klasse, vor allem, wenn er von einem übergewichtigen, unsportlichen Menschen kommt.
Renn-Schnecke

... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...

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Vielen Dank euch allen für die netten Worte.

@elwoody Und ich dachte schon, mit meinen 47 Sekunden wäre ich knapp gescheitert!

@Rolli Startgruppe A, das sind die mit richtig Power - hat der Organisator kurz vor dem Startschuss gesagt. Das wird schon hinhauen mit der 1 vorne, auch wenn ich mir so ein Tempo nicht einmal vorstellen kann.

@Renn-Schnecke Ich versuche es nächstes Mal mit kontinuierlichem Training - und nicht wieder nur die letzten fünf Monate vor dem Lauf. Dann schaffe ich es vielleicht auch ohne drängeln.

Gruß, J.R.
Es läuft ...
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