Wie aus meiner Signatur ersichtlich, steht bei mir der Marathon des Flandres am 14. Oktober in Dünkirchen auf dem Programm. Der Kurs hat HM Länge und ist daher im Herbst zweimal zu laufen. Es bot sich also an diesen während einer unserer regelmäßigen Besuche einmal als Trainingslauf zu absolvieren, was ich dann auch gestern in die Tat umsetzte.
Der Streckenplan ist schon online und da ich mittlerweile seit über 25 Jahren nach Dünkirchen fahre ist meine Ortskenntnis soweit ausreichend, dass ich mich problemlos orientieren kann. So hat mich meine Frau also um 10:00 am „Place Jean Bart“ im Stadtzentrum abgesetzt, wo der Namensgeber, überlebensgroß in Bronze gegossen und mit wallendem Federhut seinen Säbel in den Himmel streckt. Hier auf der Hauptachse sollen dann im Herbst auch Start und Ziel sein. Doch die Strecke führt erst einmal durch eine Nebenstraße zum alten Teil des Hafens runter. Das „Bassin“ wird über ein altes Kai, auf dem heute das Gebäude der Stadtverwaltung, klein Versailles genannt, steht und einer Brücke überquert. Dann führt die Strecke an der Kaimauer entlang. Vorbei geht es an der „Duchesse Anne“, einer Dreimastbark, die 1901 in Bremen gebaut wurde und als „Großherzogin Elisabeth“ vom Stapel lief, bis sie 1946 als Kriegsbeute die Flagge wechseln musste. Dahinter liegt das Schifffahrtsmuseum mit einem ehemaligen Feuerschiff als Blickfang an der Pier. Aber schon nach ein paar Hundert Meter biegt die Strecke vom Hafen ab und führt durch die frühere „Citadelle“, von der jedoch nur noch der Name blieb. Die alte Bebauung ist den modernen Gebäuden der Universität und anderer Verwaltungen gewichen. Bevor man in den Ortsteil Malo-les-Bains eintaucht sind noch zwei Brücken zu überqueren. Als früher bedeutender Hafen ist Dünkirchen auch von Kanälen umgeben und durchzogen, auf denen die Waren der von See kommenden Schiffe ins Hinterland weiter transportiert wurden. Heute dienen sie mehr den Anglern als Refugium. Malo-les-Bains, kurz Malo genannt ist ein alter Badeort mit wunderschönen Hauser vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Da ich ja inoffiziell laufe bin ich auf die Bürgersteige angewiesen, was sich bremsend auswirkt, da die Bordsteinkanten hier sehr hoch sind und man quasi in ein Loch plumpst. Zum Glück geht es im WK über den Asphalt, der aber auch nicht immer sehr Vertrauen erweckend aussieht. Viele Schäden sind nur notdürftig ausgebessert und laden zum Stolpern ein. Aber schon nach ein paar hundert Metern geht es auf die Strandpromenade. Leider versperrt ein solider Dunst den Blick aufs Wasser. Nach gut 100 Meter steht die graue Wand und lässt nur noch der Phantasie freien Lauf. Die Promenade ist breit und in diesem Abschnitt trotzdem viele Spaziergänger und Läufer unterwegs. Regelmäßig werde ich sehr zügig überholt. Ob es daran liegt, dass die Läufer hier nur kurze Strecken laufen oder an dem Aufdruck „RP-Marathon Team“ auf meinem Rücken mag ich nicht beurteilen. Mit meinem Trinkgürtel falle ich auf jeden Fall auf. Dafür gibt es bei km 5 auch die erste von meinen vier Pullen.
Nach dem Hauptabschnitt der Promenade endet die Bebauung und es zeigen sich erste Dünen. Es ist der Strand, den die englische Expeditionsarmee 1940 für ihren Rückzug benutzt hat. Bei Ebbe kann man noch die Reste der Wracks sehen. Ab und zu geben auch noch Touristen Granaten ab, die wieder aus dem Sand der Dünen auftauchen. Heute ist aber alles von grauer Watte bedeckt. Mein Hemd klebt schon, obwohl mal gerade 16 Grad, machen sich die über 80% Luftfeuchtigkeit bemerkbar.
Dann führt der Weg wieder ins Landesinnere. Dieser Außenbezirk besticht durch nichts. Die Bebauung ist ungleichmäßig, stillos und viele Häuser etwas heruntergekommen. Nach einem Zickzackkurs führt die Strecke auf das Fort-des-Dunes zu, einem Bau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der aber von außen nur als Sandhügel wahrgenommen wird. Ab hier führt die Strecke hinter dem Dünenbereich entlang. Km 10, die nächste Flasche ist fällig und ich gönne mir auch ein Gel, da das Frühstück mit Baguette und Croissant doch etwas dürftig war. Langsam kommt die Sonne etwas heraus, kann aber den Dunst nicht wirklich vertreiben. Mein Shirt würde eh nicht mehr trocken. Auf der anderen Straßenseite zieht sich der Komplex, na von was schon, der Usine-des-Dunes lang. Eine Stahlfabrik, die auch nicht besser aussieht als eine in Duisburg oder Oberhausen. Zum Glück ist sie nicht so groß, denn der Anblick der Schrotthaufen, die sich höher als die Umgebungsmauer erheben ist nicht gerade motivierend. In diesem Abschnitt bis zum Wendepunkt gibt es aber mal etwas Grün. Am Ortsrand von Zuydcoote liegt ein Soldatenfriedhof mit der ungewöhnlichen Mischung von deutschen, englischen und französischen Gräbern. Die Mahnung wurde aber verstanden, im Oktober werden die Urenkel dieser Generation nur noch gegen den inneren Schweinehund kämpfen.
Der Wendepunkt ist mehr ein Wendeort und wie eine Schleife gestaltet. Praktisch läuft man ein Dreieck. Hier sind auch noch von den Vorjahren alle Stolperfallen wie Gullydeckel und Bodenventile blau markiert. Ein Highlight ist aber drin. Die zurück führende Strasse ist eigentlich eine Sackgasse, die aber von Fußgängern passiert werden kann. Was man aber mit den Betonklötzen machen wird, die normalerweise die Passage von Autos verhindern, kann ich mir noch nicht so richtig vorstellen. Auch die dahinter liegende Bordsteinkante kommt mir für die zweite Runde sehr tückisch vor.
Bis zum Fort-des-Dunes geht es erst einmal auf derselben Strecke zurück. Zur Abwechselung kommt mir einmal ein anderer Läufer entgegen. Er scheint etwas überrascht, denn sonst sind hier nur Radfahrer unterwegs. Aber man freut sich halt, wenn noch jemand den Versuchungen der Technik trotzt. Dann taucht die Strecke wieder in die Bebauung ein und trennt sich vom Gegenkurs.
Diese Umgebung bin ich gewohnt, ich kenne sie gar nicht anders und frage mich deshalb, wie sie wohl auf jemand wirkt, der zum ersten Mal hier läuft. Ein Fall für Udo. Die Häuser sind meist kleiner und ungepflegter als bei uns. Anfangs ist nicht viel los auf den Straßen, aber wo es dann ein paar Geschäfte gibt wird es dann auch gleich eng. Vor einer Kirche ist dann auch Markt und ich laufe Slalom. Nicht zu vergessen, an diesem Tag ist auch Muttertag in Frankreich. Weiß der Himmel, warum es dafür keinen einheitlichen Termin in Europa gibt, aber er wird zum Problem für mich. Die Blumenhändler haben ihre Stände direkt quer über die Bürgersteige aufgestellt. Also durch die parkenden Autos auf die Straße. Je näher ich dem Zentrum komme, desto voller wird es. Leute laufen mit monströsen Gestecken vor dem Bauch auf den Wegen und können kaum noch etwas sehen. Ein Paar kommt aus einem Fischgeschäft mit zwei riesigen Tabletts voller Meeresfrüchte. Einen Zusammenstoß kann ich nur knapp vermeiden. Zum Glück ist es nicht mehr weit. Mittlerweile bin ich bis in die Socken nass, das war bisher nur bei Regen der Fall. Vorbei am Krankenhaus kann ich schon die Flutlichtanlage des Stadions sehen. Auch dieses bleibt links liegen und ich passiere die letzte Brücke und erreiche in sauberer 1:59:26 h wieder den „Place Jean Bart“. Er schaut in die andere Richtung, als wenn ich ihn nicht interessieren würde. Dann eben nicht, aber wie auch immer, ich komme wieder.
Seeluft ohne Meerblick.
1PB 2006: M 3:30:33, HM 1:43:03, 10 KM 44:03
09.05.2010 Maratona del Custoza 04:01:38
06.06.2010 Schlössermarahton Potsdam 04:10:28
26.09.2010 Berlin Marathon
Kein existentieller Trübsinn, der nicht von einer veritablen Katastrophe im Handumdrehen geheilt würde. Michael Klonovsky
09.05.2010 Maratona del Custoza 04:01:38
06.06.2010 Schlössermarahton Potsdam 04:10:28
26.09.2010 Berlin Marathon
Kein existentieller Trübsinn, der nicht von einer veritablen Katastrophe im Handumdrehen geheilt würde. Michael Klonovsky