Halbmarathon 29.04.2007
Fast 2 Jahre Training, 10km-Läufe, Wettkämpfe und Testläufe liegen hinter mir.
Heute ist ein ganz wichtiger Tag in meinem Läuferleben!
Heute, so glaube ich, entscheidet sich, ob ich jemals einen ganzen Marathon laufen werde.
Bei einem meiner 10km Volksläufe gab mir ein anderer Läufer den Tipp einfach mal einen Marathon mitzumachen. Danach sei man infiziert. Am besten als Halbmarathon.
Aufgrund schlechter Erfahrungen mache ich das zwar nicht einfach so, aber den Rat bei einer Marathonveranstaltung einen „Halben“ zu laufen z.B. in Duisburg, wo man wie die „echten“ Marathonis im Stadion ins Ziel läuft begeistert mich sofort.
Also fahre ich heute morgen nach Duisburg. Gestern habe ich schon meine Startunterlagen abgeholt, Pasta gemampft und die Parkplätze ausgekundschaftet.
Trotzdem bin ich früh genug da, damit keine Hektik aufkommt.
Der April 2007 geht als der heißeste gemessene April in die Geschichte ein.
In verschiedenen Laufforen wurde schon vor dem Hitzemarathon gewarnt.
Ein Spitzenläufer empfielt, 20 bis 30 Sekunden pro km langsamer zu laufen als geplant.
Hallo? Will da jemand seinen Platz sichern?
Nicht, dass ich etwas mit vorderen Rängen zu tun hätte, aber ich habe mir durchaus ein ehrgeiziges Ziel gesteckt, welches nach meinen 10km Läufen U50 (unter 50 min) realistisch ist.
Außerdem sagt der Wetterfrosch für heute zwar den ganzen Tag Sonnenschein, aber nicht über 20° C voraus, also eigentlich (für mich) ideale Bedingungen.
Mein Wuschziel: unter 2 Stunden
Mein Traumziel: 1 Std 50 min
Mein Renntaktik:
- erstes Drittel etwas langsamer (5:20 min/km)
- zweites Drittel im Schnitt (5:15 min/km)
- drittes Drittel schnell (etwas über 5 min/km)
Da es mein erster HM (Halbmarathon) ist, wird es ja sowieso Bestzeit.
Sollte 5:20 pro Kilometer schon anstrengend sein, laufe ich halt damit durch. Hauptsache gut durchlaufen.
Im Training habe ich mein Gefühl für das genaue Tempo geübt. Hat auch gut geklappt. Im Training!
Gut eine Stunde vor meinem Start habe ich einen guten Parkplatz gefunden.
Ich steige aus dem Auto und…ich friere!
Zum ersten mal seit Wochen ist es wirklich aprilfrisch.
Fürs Laufen natürlich optimal, aber ich habe nichts zum Überziehen mit und meine Freundin, die mich bei meinem ersten HM begleitet (vielen Dank Angi!) und Fotos machen möchte, friert erbärmlich.
Zu meiner allergrößten überraschung treffe ich sogar Freunde, die heute auch den HM laufen.
Marcel und sein Kumpel wollen heute nur zum Training 2 Stunden laufen.
Ha, super…ich gehe mit Ihnen in die Startaufstellung und weiß nur eins…die überholen mich nicht!
Warmgelaufen bin ich, gedehnt und warte mit 2589 anderen meist sehr fit aussehenden Läufern auf den Startschuss.
Die erste Sambaband spielt schon und es macht jetzt schon Spaß, obwohl ich noch keinen Meter hinter mir habe.
Marcel sagt mir, dass wir in die entgegengesetzte Richtung laufen als ich dachte. Komisch denke ich, dann kann man als Läufer das Startbanner gar nicht lesen, aber das ist wohl für die Pressefotos andersrum aufgehängt.
Im Prinzip egal, aber meine Freundin wartet jetzt auf der anderen Seite, um ein Bild von mir zu machen. Ich setzte mal auf ihre Intelligenz und die weibliche Intuition. Und wenn all das schief geht, gibt es halt nur ein Zielfoto von mir, falls ich ankomme…
Endlich höre ich den Startschuss. Nur ca. 30 s später überquere ich die Startlinie. Stoppuhr starten und weiter in Reih und Glied mitlaufen.
12 Wochen lang genau geplantes Training finden jetzt ihren Abschluss. Das Laufen fällt leicht. Die Konzentration ist hoch, weil man niemandem auf die Füße treten will. Umknicken wäre wohl jetzt das Allerblödeste!
Gespannt bin ich natürlich auf meine Zeiteinteilung. Mein Tempogefühl ist jetzt schon völlig verloren gegangen. Die Beifall Klatschenden Zuschauer, die vielen Läufer um mich. Aber ich laufe einfach. Ich hatte gedacht, der 1. Kilometer wird eh zu langsam, wegen der Masse der Läufer. Aber die Strassen sind breit genug und ich kann jederzeit überholen.
Dann die erste km-Markierung. Ich schaue auf meine Uhr und bekomme einen Schreck! Viel zu schnell!
4:50min anstatt 5:20! Ich versuche die Handbremse anzuziehen.
Trotzdem ist es schwer ein Tempogefühl zu entwickeln. So viele Läufer vor mir, die teilweise auch ihr Tempo stark verändern.
Ich versuche mich auf mich zu konzentrieren und einfach etwas lockerer zu laufen…Da taucht die nächst Sambatruppe auf. Ich bin begeistert!
Eine super Stimmung, fetzige Musik, fröhliche manchmal grinsende ( die denken wohl: Selber Schuld!) Zuschauer. Es macht einfach Spaß! Und…
Ich laufe weiter zu schnell!
KM 2: 9min 55s. Nur 5 s langsamer als der erste. Immer weit vor meinem Plan.
Ich fühle mich super und weiß instinktiv, dass ich dieses Tempo über 10km durchhalten werde. Aber ein HM geht über 21,1 km!
Also versuche ich nun wirklich etwas zu relaxen.
Die nächste Streckenmarkierung übersehe ich, aber das macht nichts denn mir wird klar, dass ich einen HM laufe. Endlich! Und ich weiß auch schon (fast) sicher, dass ich es schaffe.
Ich geniesse jeden Schritt. Laufen macht Spaß!
Bei 5 km bin ich immer noch weit unter meiner Zeit, aber ich renne nicht mehr ganz so übertrieben schnell.
Bei km 6 die erste Getränkestation. Ich trinke etwas Wasser, weil es einfach sicherer ist. Im Training habe ich auf langen Läufen immer Getränkebeutel dabei aus denen man gut trinken kann. Auf Läufen werden Plastikbecher verteilt. Ich stelle fest, dass es wesentlich schwerer ist daraus zu trinken und gleichzeitig zu laufen ohne alles zu verschütten.
Ungefähr 2 Schluck trinke ich. Der Rest landet auf und in meinem rechten Schuh. Na ja egal! Frieren tut hier sowieso keiner.
Ich übe das trinken bei fast jeder Station, obwohl ich als Halbmarathoni nicht soviel trinken müsste, aber ich will es für meinen ersten Marathon üben und ich liege eh gut in der Zeit.
Warum stehen die meisten Zuschauer eigentlich immer genau hinter den Stationen. Gerade dort wo man mit Becher in der Hand ganz langsam läuft und versucht halbwegs gesittet zu trinken und zu atmen und nicht aus Versehen beides gleichzeitig!
Bei km10 die nächste wichtige Zwischenzeit. Wieder erschrecke ich mich, denn ich bin schneller als bei meinen reinen 10km-Wettkämpfen. Unter 50 min!
Der Plan auf meiner Hand sagt 53 min bei 10 km. Jetzt kann man sagen 3 min ist nicht die Welt, aber beim Laufen sind es sogar mehrere!
Ein Läufer neben mir fragt mich nach der Zeit. Er rechnet kurz und sagt dann: In 1 std 45min sind wir im Ziel.
Ich staune. Und versuch ihn für eine Weile nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem versuche ich ihn NICHT zu überholen, sondern laufe in seinem Windschatten!
Das spart Kraft und man muss nicht so viel übers Tempo nachdenken.
Für 3 oder 4 km geht das gut, aber dann an irgendeiner Getränkestation ist er weg.
Ich habe immer noch Spaß! Ich geniesse jeden Schritt. Jeden Zuschauer und vor allem jede Sambaband! Aber auch die Radios, die manche Zuschauer an der Strecke aufgestellt haben motivieren unwahrscheinlich.
Irgendwo spielt einer AC/DC. Das ist genau meine Musik. Falls es irgendwo einen Rock-Marathon gibt, sage man mir Bescheid. Da laufe ich garantiert Weltrekord! (Zumindest gefühlten Weltrekord)
Irgendwo zwischen km 12 und 13, an einer Stelle ohne Zuschauer, ohne Musik und ohne viele Läufer um mich herum passiert es dann doch…
Ich fühle meine Beine! Von federleicht schalten sie mit einem mal um auf schwer. Nicht tonnenschwer, aber doch ein ganz anderes Gefühl als vorher.
Nun habe ich ja bis hierher viel Zeit reingeholt und ein höheres Tempo als 5:05min das ab km 14 geplant war, wäre sowieso nicht drin, aber auch nicht erforderlich.
Da ich bis jetzt so schnell war, versuch ich mein Tempo einfach so lange wie möglich konstant zu halten, denn von Krampf oder Schmerz ist keine Spur.
Mir wird allerdings klar, dass ich mein Konzept absolut nicht eingehalten habe, und dass ich mir so etwas bei einem richtigen Marathon nicht leisten dürfte!
Macht ja nix! Ist ja nur Halbmarathon und noch dazu meine erster! Ich werde daraus lernen!
Also weiter durch Duisburg. Das schöne an der Kulisse sind die Zuschauer und Sambatruppen. Ansonsten ist es halt ein Citylauf. Auf der ganzen HM-Strecke sieht man weder Rhein noch Ruhr. Wenn man überhaupt etwas an der Veranstaltung bemängeln kann, dann vielleicht das. Obwohl es mich heute überhaupt nicht stört.
Bei irgendeinem Stand probiere ich das Bananenessen aus. Das brauch ich beim echten Marathon auf jeden Fall. Ich stelle fest, das essen während des Laufens leichter ist als trinken. Kein Problem.
Einer meiner Mitläufer bekommt ein Stück Banane auf einer Serviette gereicht und bemerkt wie nobel das ist.
Wir machen Späße und fragen uns, ob es beim nächsten Stand wohl Messer und Gabel gibt und evtl. ein Gläschen Sekt dazu…Oder doch lieber im Ziel!
Bei km 17 die schweren Beine haben sich irgendwie weggelaufen, oder ich habe mich an sie gewöhnt. Trotzdem muss ich mich immer wieder daran erinnern meinen „neuen“ Laufrythmus beizubehalten. Schnelle kurze Schritte anstatt lange große. Ich habe gelesen, dass man so effektiv und kraftsparend läuft und es fühlt sich gut an.
Eine scheinbar erfahrene Duisburg-Läuferin kommt an uns vorbei und will uns aufmuntern indem sie sagt: Jetzt nur noch 4 km geradeaus und schon ist es geschafft.
Vier km geradeaus? Das soll Motivation sein? Ich erinnere mich wie ich bei meinem ersten ernsthaften 10km-Lauf in Bönen einen 1km-Schlußsprint versucht habe und 200m vorm Ziel von allen wieder überholt wurde und ich treffe einen Entschluss.
Ich liege immer noch gut unter der „Traumzeit“ also versuche ich heute gar keinen Schlussspurt, sondern genieße den Einlauf ins Stadion so gut es dann noch geht.
Bei km 19 ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass ich jetzt schon gern den letzten km sehen würde, der mit der Teufelszunge die über der Bahn hängt, angezeigt wird.
Aber was sind schon 2 km? Nichts. Ca. 10 min was ist das schon? So rede ich mir ein. Und das hilft!
Jedenfalls mir! Einige Läufer am Wegesrand haben sich wohl doch etwas übernommen. Sie gehen, aber sie sehen alle so aus als würden sie das Ziel noch sehen!
Denn kurz danach sehe ich den Teufelslappen tatsächlich!
Nur noch ein einziger (winziger) Kilometer!
Meine Augen werden ein wenig feucht und die letzte Müdigkeit wird vom hervorragenden Publikum und von weiteren Sambabands vertrieben!
Dann höre ich in der Ferne die dumpfe Stimme des Moderators im Stadion.
Gänsehaut!
Noch ein Blick auf die Uhr. Ich werde sogar meine Traumzeit unterbieten. Ich hoffe, dass mein Schatz schon im Stadion ist!
Dann sehe ich das Stadion. Jetzt geht alles sehr schnell. Durch den Discotunnel mit dröhnender Musik hinein ins Stadion. Auf der dreiviertel-Runde im Stadion geht es mir super. Ich schaue auf die Tribüne, erkenne aber vor lauter Zuschauern niemanden.
Dann fällt mir ein, dass ich auf der Videotafel zu sehen sein soll. Aber als ich hinsehe bin ich wohl an der Kamera schon vorbei.
Ich bin auf der Zielgeraden. Die Uhr zeigt 1:47 und irgendwas.
Ich laufe durchs Ziel. Ich reiße kurz die Arme hoch. Ich habe gewonnen. Mein persönlicher Sieg gegen die 21,1 km.
Ich lasse mir die Finishermedaille umhängen und suche nach Angi und nach Getränken. Jemand sagt mir, dass die Getränke außerhalb des Stadions zu finden sind.
Ich verlasse langsam das Stadion. Mir geht es gut. Einfach super. Ich bin ausgepowert, aber durchaus im grünen Bereich.
Ich hole mir 4 Becher Isogetränke und dann mein Finishershirt und dann den wohlverdienten Kuss meiner Freundin!
Nach 1.5 Jahren Training habe ich den Halbmarathon in einer Zeit von 1:47:32 geschafft.
Damit bin 574ster von 1660 Männern, die den Hm beendet haben.
Bei aller Euphorie weiß ich aber auch, dass ich den ganzen Marathon heute nicht geschafft hätte.
Ich weiß aber, dass ich ohne Verletzung noch in diesem Jahr dazu in der Lage sein kann.
Glücklich und zufrieden wie einer nur sein kann fahre ich nach Hause, lege die Füße hoch und genieße meinen Triumph.
Zwei Tage später melde ich mich zum Köln-Marathon im Oktober diesen Jahres an…
Mein erster Halber beim Rhein-Rhur-Marathon (spät aber lang)
1Comeback 27.09.2009 in Bertlich
2008 9.Feb WLS Duisburg 10km 44:14 PB
2008 1.März WLS Duisburg 15km 1:11:13 PB
2008 29.März WLS Duisburg HM 1:40:10 PB
2008 27.April Hermannslauf 31,5km 3:16:35
2008 01.Juni Rhein-Ruhr-Marathon 3:56:02 PB
2008 9.Feb WLS Duisburg 10km 44:14 PB
2008 1.März WLS Duisburg 15km 1:11:13 PB
2008 29.März WLS Duisburg HM 1:40:10 PB
2008 27.April Hermannslauf 31,5km 3:16:35
2008 01.Juni Rhein-Ruhr-Marathon 3:56:02 PB
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- immer wieder interessant, welche Kräfte im Wettkampf frei werden, die man im Training kaum für möglich hält.
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