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Peng! bei km 39 im Regenmarathon Dresden

Peng! bei km 39 im Regenmarathon Dresden

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Laut Veranstalter war es das schlechteste Wetter aller Dresden-Marathons: Nasskalte 4 Grad und Dauerregen. Da ich mein Langarmshirt zu Hause vergessen hatte, startete ich dennoch kurzärmelig (drunter ein Hemd), und auch mit kurzer Hose, da ich die neuen Kompressionsstrümpfe ausprobieren wollte und eine lange Hose dann vielleicht doch zu warm wäre.

Obwohl ich mich im Starterfeld ordnungsgemäß zwischen den Schildern 3:30 und 4:00 eingereiht hatte, ging es zuerst nur schleppend voran, entweder musste ich extrem langsam laufen oder rechts auf den Bürgersteigen herumkurvend überholen. Von meinem Zeitziel 5:20 min/km verlor ich auf den ersten zwei km ca. 1 Minute.

Die Strecke führte zunächst über die Marienbrücke auf die andere Elbseite, dann über die Augustusbrücke zurück in die Altstadt, dann die Elbe entlang stromaufwärts. Trotz Regens fühlte sich das zügige Laufen locker an, auch als sich das Tempo bei den gewünschten 5:20 eingependelt hatte. Stimmungsmachende Trommlergruppen hatten Schutz unter den Brücken gesucht und dort zudem Akustikverstärkung gefunden, aber bei so wenig Zuschauern kam natürlich wenig Stimmung auf. So war dieser Marathon tatsächlich mehr eine reine Sportveranstaltung als ein Stadtfest. Und so sah ich es auch und wollte mein Zeitziel und neue Wunschbestzeit von 3:45 erreichen - das ich aufgrund einer Verletzung im Knie und 50 fehlenden Trainingskilomtern von 3:39 korrigiert hatte.

Doch auf der ersten der beiden Halbmarathonrunden unterbot ich dann die Zeit und lief die Kilometer teils in 5:10 oder sogar 5:05. Zwar bekam ich leichte Schmerzen im rechten Sprunggelenk, aber mittlerweile bin ich so einige Zipperlein gewöhnt und verdrängte es einfach. Hoffend, vielleicht doch noch die 3:39 zu schaffen, durchlief ich die herbstlich-öden Stadtrandstraßen von Dresden, hüpfte über und umkurvte riesige Pfützen, die sich auf den unebenen Dresdner Straßen gebildet hatte - oder durchlief sie unfreiwillig und innerlich schimpfend - dann ging es auf breiten Avenues um den Stadtpark Großer Garten herum und durch ihn durch, vorbei an der Gläsernen VW-Manufaktur und wieder hinein in die Altstadt, rüber über die Carolabrücke, eine Schleife am anderen Elbufer gedreht, mit herrlichem Blick auf die Altstadt-Skyline über die Augustbrücke zurück zu Semperoper & Co, Halbmarathonmarke überquert bei exakt 1:51. Gedanke: Abzüglich der langsamen ersten 2km könnten 3:39 möglich sein ... Die Beschwerden im Sprunggelenk hatten sich übrigens auch wieder in Luft aufgelöst.

Nachdem die Halbmarathonteilnehmer uns verlassen hatten, wurde es deutlich leerer und fast einsam auf der Strecke: Die Zuschauerquote lag bei 1 bis 2 pro Kilometer, Läuferquote bei 1 bis 2 pro 50 Meter. Die abermals passierten Stadtrandstraßen zogen sich gähnend dahin - in dieser Runde noch mit einer Extraportion Langeweile auf einer monotonen Zusatzschleife -, Abwechslung bot nur der schöne Ausblick ans Elbufer und dessen Waldschlösschen. Fast grotesk wirkte ein fahrender Lautsprecherwagen, der uns entgegenkam und die Läufer wohl motivieren sollte, keine anderen Worte fand, als "Letztes Jahr war das Wetter besser ..."

Bis etwa km 26 fühlte sich alles noch locker an, ich wollte nicht verbissen an dem 3:39-Ziel festhalten, wähnte mich mit den stabilen Kilometerzeiten zwischen 5:15 und 5:20 aber einer Zeit sub 3:45 sicher. Klar, dass es ab jetzt etwas schwerer würde, aber auch bei km 30 ging es mir noch prima, doch die Zeiten pendelten sich jetzt bei um die 5:20 ein und es war auch schon mal eine 5:25 dabei. Das ging so bis etwa Kilometer 35, nachdem die langatmige Großergartenparketappe geschafft war und es wieder Richtung Altstadt ging. Hier warf ich mir das letzte von vier Gels rein, huch - das fühlte sich aber seltsam an - körnig-krümelig statt gelmäßig glatt. Ist doch wohl nicht vergammelt?

Mein Wohlbefinden verbesserte es jedenfalls nicht und auch von der Anstrengung her fühlte ich mich jetzt so mitgenommen, dass ich anfing, mir die berühmte Warumfrage zu stellen - fast hätte ich einen Mitläufer damit interviewt, verkniff es mir aber. Nun kamen auch schon die zinnenbestückten Altstadttürme in Sicht - jetzt ab km 37 würde es nur noch ein paar Schleifen um Elbbrücken und Altstadtsehenswürdigkeiten geben. Das Ziel so greifbar nahe und mit Km-Zeiten immer noch um 5:20-25 war ich guter Dinge - obwohl der zwischendurch mal pausierende Regen wieder voll im Gange war. Kilometer 38 auf der Carolabrücke Richtung stadtauswärts bei 3:22 - das war minimal unter einem 5:20er Schnitt bisher.

Dann rechtsrum vor der sächsischen Staatskanzlei vorbei - ui - peng!, mir wird auf einmal komisch im Kopf, schlecht im Bauch, denke: Gleich liegst du da und wirst abtransportiert - Tempo rausnehmen hilft, ok - es geht weiter. Nochmal rechts eine Rampe runter zum Elbufer, aua weia, bergablaufen mag ich sonst gern, aber jetzt - hilfe, die Beine wollen nicht mehr! Da - ein Verpflegungsstand - zur Abwechslung mal Iso, her damit, vielleicht hilft es ja ... Cola - auch gut, rein damit! Der verschüttete Teil vermischte sich im Shirt gut mit dem Regenwasser. Es hilft alles nichts, Bauch ist besser, aber Beine sind auf einmal völlig dicht - geht gar nichts mehr. Ich muss ein paar Schritte gehen, trabe langsam wieder los - o, wie tut das weh! KM 39 erreiche ich bei 3:29 - also sub 3:45 kann ich vergessen, für sub 3:50 würds reichen, wenn ich zumindest noch traben kann. Also traben. Ich versuche zügig zu traben. Hab noch ein Traubenzuckstückchen aus der Werbetüte in der Hosentasche. Die Hälfte in den Mund, das hilft beim kräftigen Traben. Km 40 bei 3:36 - jetzt noch über die kopfsteinbepflasterte Augustabrücke, es geht aufwärts - nicht mit mir, sondern mit der Strecke - mithilfe der zweiten Hälfte des Traubenzuckers komme ich rüber und bei km 41 vorbei: 3:42. Und nu durch die Altstadt - auch nur wenig Zuschauer unter Schirmen, doch einige ermunternde Zurufe spenden Motivation. Das Ziel erreiche ich zügig trabend und stoppe meine Uhr bei 3:48:48. Immerhin neue Bestzeit.

Nunja, entweder war das Gel schlecht oder ich hab auf der ersten Hälfte doch zu stark überzogen und nun zum ersten Mal (beim 7. Marathon) bekanntschaft mit dem Hammermann gemacht. An den Kompressionsstrümpfen hat es jedenfalls nicht gelegen - die fühlten sich gut an, schön warm bei diesem nasskalten Wetter - aber schneller haben sie mich auch nicht gemacht. Langsamer gemacht hat mich vielleicht der Regen und die Pfützen - auch die Spitzenläufer hatten deshalb ja z.T. mit Krämpfen und anderen Problemen zu tun.
Heute, am Tag danach, hab ich Muskelkater wie noch nie - schlimmer als nach allen Hermannsläufen, Marathons und sonstigen Wettkämpfen - obwohl wir gestern und heute noch ausgiebige Spaziergänge durchs mittlerweile sonnenstrahlverschönerte Dresden gemacht haben.

Grüße, Wernher - der sich auf eure Comments freut :hallo:
Garmin: betanien, Strava: https://www.strava.com/athletes/10542641

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Guten Morgen!

Klingt ja nach einer richtigen "Wetterschlacht" :daumen: . Schöner Bericht, nett zu lesen!
nur ein harter tag war ein guter tag! (sagt frank und der hat echt ahnung)

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Schöner Bericht und herzlichen Glückwunsch, dass Du trotz des miesen Wetters so eine Leistung geschafft hast, Respekt!
Das mit dem Muskelkater kann ich Dir nachfühlen, Treppen runter oder vom Klo hoch besonders schlimm, gell? :zwinker5: Ging mir letzte Woche so nach meinem 1. Marathon!
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Hallo Wernher,

schade für dich und alle anderen Läufer.
Den Dresden Marathon habe ich in guter Erinnerung und solch ein Erlebnis kann einem das Wetter schon ordentlich vermiesen.

Wortwörtlich, Schwamm drüber und abhacken.

Grüße
hemiga

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Nasskalte 4 Grad und Dauerregen sind aber schon extrem fies.
Schöner Bericht, und angesichts der widrigen Umstände trotzdem noch PB, was willste mehr !
Herzlichen Glückwunsch :daumen:
:winken: Hase


I am vegan because I feel that other sentient beings are not mine to use.

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An alle Leidensgenossen...nach sieben trockenen Marathons musste es ja irgendwann auch bei mir mit dem Wetter schiefgehen. Trotzdem fand ich Dresden (zumindest auf der ersten Runde !)im Regen noch ganz reizvoll.Die zweite Runde war schon ziemlich fies und so ganz ohne Motivation durch Zuschauer recht frustrierend. Die fehlende Motivation hat sich dann wie bei den meisten auch in den sehr unterschiedlichen zwei Hälften bemerkbar gemacht ( 1HM in 1:37:xx / 2HM in 1:43:xx ). Nachdem meine Bestzeit vom Frühjahr in Hamburg mit 3:17:10 nicht mehr möglich erschien hatte ich auch nur noch wenig Ambitionen unter 3:20 zu bleiben und hab dann relativ locker in 3:21:48 das Ziel
überquert. Freue mich jetzt auf die kommende Serie von Schönwetter-Marathons und bei 2 Marathons pro Jahr wird das Wetter ja auch erst im Herbst 2011 wieder so wie in Dresden. :teufel:

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Ich war in Dresden unter den Zuschauern (KM 20,5 und Ziel)...meine Hochachtung allen Teilnehmern, die "Ihrs" durchgezogen haben. Leider hat es diesmal für mich noch nicht mit einer Teilnahme in Dresden geklappt, mein Marathon-Debüt wird erst im nächsten Jahr stattfinden, evtl. in Dresden.

Also: Glückwunsch, dass du dem Wetter getrotzt hast!

Matthias

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Puh! :wow:
Als ich "Peng" in der Überschrift mit "Sprunggelenk" in Zusammenhang brachte, wurde mir ganz anders. :frown:
Aber dann wars ja doch nur halb so schlimm! :nick:
Gratulation zur PB bei Schweinehundewetter! :daumen:
Gruß
wosp :hallo:
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Ich hätte keinen Schritt mehr laufen könne, okay, KÖNNEN vielleicht schon, aber ich war froh, als ich im Ziel war.
Wer bei dem Wetter auch noch einen Marathon läuft, ist echt hart drauf :)

Super gemacht!
Daheim verblasst, Die Welt rückt nah, Mit vielen Pfaden liegt sie da, Und lockt durch Schatten, Durch Trug und Nacht, Bis endlich Stern um Stern erwacht, Wolken, Zwielicht, grauer Nebeldunst, Ohne Gunst, ohne ... Gunst

3 km: 9:44 - 5 km: 17:12 min - 10 km: 34:24 min - HM: 1:18:16 min

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Wernher hat geschrieben:auf den unebenen Dresdner Straßen
Das hast Du aber sehr diplomatisch ausgedrückt :zwinker2: .
Wernher hat geschrieben:
mir wird auf einmal komisch im Kopf, schlecht im Bauch, denke: Gleich liegst du da und wirst abtransportiert
Kann auch sein, daß Deinem Kreislauf schlichtweg Energie gefehlt hat, ist allerdings bei 4 Gels etwas seltsam.
Wernher hat geschrieben:auch nur wenig Zuschauer unter Schirmen
Die müssen bei dem Wetter schon sehr leidensfähig gewesen sein.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man bei Regen ziemlich schnell auskühlt und der Körper zusätzliche Energie benötigt, um nicht zu unterkühlen. Für die Muskeln ist Kälte natürlich auch nicht optimal. Hoffentlich hast Du Dich nicht erkältet.
Renn-Schnecke

... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...

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Renn-Schnecke hat geschrieben:Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man bei Regen ziemlich schnell auskühlt und der Körper zusätzliche Energie benötigt, um nicht zu unterkühlen. Für die Muskeln ist Kälte natürlich auch nicht optimal. Hoffentlich hast Du Dich nicht erkältet.
Das kann ich bestätigen. Ich habe gegen Ende etwas Tempo rausgenommen, weil meine Muskulatur einfach völlig unterkühlt war. Ohne den Regen wären es für mich beinahe optimale Bedingungen gewesen.

Gruß
Hendrik

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Dogi hat geschrieben: Wer bei dem Wetter auch noch einen Marathon läuft, ist echt hart drauf :)

Super gemacht!
ich weiß :D :zwinker2: :P
Mein Laufblog

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schrambo hat geschrieben:ich weiß :D :zwinker2: :P
Wir Sachsen halt... :D

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Danke für alle eure Glückwünsche und Comments! :hallo: :daumen:

Nachdem ich noch so einige Nach-Marathon-Zipperleins in meinen unteren Extremitäten hatte, bin ich jetzt wieder fit (auch nicht erkältet) und erwäge Sonntag, also 14 Tage nach dem M, in Verl den 10er mit Ziel neue PB zu laufen, vielleicht auch noch den Arolsen-Marathon am 1. Adventssamstag.

Grüße, Wernher
Garmin: betanien, Strava: https://www.strava.com/athletes/10542641

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Glückwunsch zur Bestzeit und Respekt für das Durchkämpfen :daumen: .

Aber irgendwie kommt mir das Wetter bekannt vor :nick: , habe ein paar Jahre in Dresden studiert und geregnet hat es dort mehr als genug.

Viele Grüße
Anett
Radiergummi-Liga
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HendrikO hat geschrieben:Wir Sachsen halt... :D


:hihi: :hihi: :hihi:
Ich sag' nix :zwinker5:
Daheim verblasst, Die Welt rückt nah, Mit vielen Pfaden liegt sie da, Und lockt durch Schatten, Durch Trug und Nacht, Bis endlich Stern um Stern erwacht, Wolken, Zwielicht, grauer Nebeldunst, Ohne Gunst, ohne ... Gunst

3 km: 9:44 - 5 km: 17:12 min - 10 km: 34:24 min - HM: 1:18:16 min
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