Vorbereitung:
Troisdorf sollte der Abschluss und das Hauptevent dieses Jahres für mich werden, entsprechend war auch die Vorbereitung angelegt, einige lange Läufe, mehrere HM's und drei Wochen vorher der Schlaubetal Marathon als längster Vorbereitungslauf.
So war der Plan, bis zum Schlaubetal, als ich, wie auch immer, einen dieser Tage erwischte, an denen einfach alles zu 100 % funktioniert. Die Folge ist ja mehr oder weniger bekannt, statt gemütlich das Tal und den langen Lauf als Training zu genießen wurde ein voll gelaufener Marathon daraus, mit einer Zeit, die ich frühestens Ende nächsten Jahres erhofft hätte. Nun, nur noch drei Wochen bis zum nächste WK, war guter Rat teuer. Nur noch Regenerieren? Eine Woche noch was tun und dann tapern? Weitertrainieren wie geplant?
Es ist ja nicht gerade so, dass ich da aus der vollen Erfahrung einer mehrjährigen Laufgeschichte schöpfen kann, auch natürlich was die Belastbarkeit angeht. Troisdorf war also plötzlich mit einem dicken Fragezeichen versehen. Die erste Woche verging dann auch mit fast 100% nicht laufen, weil das olle kaputte Knie erst mal ordentlich dick war, erst am Samstag war ich soweit, mich wieder auf einen längeren Lauf einzulassen, 20 km in 2,45 km Runden machten dann doch wieder Hoffnung auf ein mehr als nur gutes Ergebnis, ebenso die Woche darauf, mit einmal 24 km in bislang im Training noch nie erreichtem Tempo und drei Tage später nochmal 28 km auf der Rundstrecke in etwa in dem für Troisdorf angestrebten Tempo.
Was man halt so alles will:
55 km sollten es mindestens sein, klar und vielleicht wären sogar die 60 möglich oder vielleicht sogar noch was drauf .... oder ..... oder .....
Die Nacht und der Morgen:
2:30 sollte der Wecker schellen, das hieß also bald in's Bett und schnell einschlafen, ersteres ist ja kein Problem, zweites dann schon eher, vor allem dann, wenn sich ausgerechnet an dem Tag plötzlich auch noch die Kinder im Bett breit machen ...
23:30 ich ziehe um in's Kinderzimmer, hier hat es sich allerdings inzwischen einer der Kater gemütlich gemacht, nun ja, besser 40 cm Bett statt 30 cm ......
00:00 Kater beschließt, dass es jetzt Zeit ist, soziale Kontakte zu pflegen und versucht mir eine Katzenwäsche zu spendieren ....
00:30 Die Tür fliegt auf, das Licht geht an, Gundi vermutet mich noch im Schlafzimmer und wollte sich nur eine Decke holen, weil sie, auch auf der Flucht vor den Kindern, auf die Couch umzieht ....
01:00 Gundi hat sorgfältig die Türe geschlossen, damit ich Ruhe habe ..... das passt nur leider nun dem Kater nicht so sehr, der jetzt auf Mäusefang gehen will ....
02:30 Der Wecker hat ein Einsehen, ich kann endlich aufstehen.....
Zum Glück ist die Autobahn leer, völlig das Gegenteil zu vor drei Wochen, ich hätte später aufstehen können.
Kurz vor 7 Uhr bin ich da, überall wuseln schon fleißige Helfer herum, tragen Dinge, bauen auf, ich fahre vorbei, parke direkt an der Strecke hinter dem Stadion und endlich kann ich ein wenig schlafen, nur 50 Minuten, dann schellt der Wecker, aber ich will ja nicht stundenlang wegen der Startunterlagen anstehen .... muss ich auch nicht, hätte ich wahrscheinlich auch eine Stunde später nicht gemusst ....
Der Lauf:
Kurz vor zehn treffe ich dann zumindest Markus, GastRoland, Sylvi und wenig später auch noch Martin und Georg, bevor sich alle miteinander unter das Tribünendach begeben. Es ist Nass, richtig Nass aber doch warm, nach ein paar Umfragen beschließe ich, ich starte mit kurzer Tight, zieh mir oben aber die Laufjacke über, in der falschen Annahme, ich könnte die dann später so einfach ausziehen, dazu noch Handschuhe ...... seltsames Bild, ich weiß ......
Ein dringendes Bedürfnis und der plötzliche Einfall, dass bei diesem Wetter ausnahmsweise vielleicht doch der Einsatz von Melkfett sinnvoll sein könnte, lassen mich dann auch noch fast alle anderen Foris und das Gruppenfoto verpassen. Schade, vielleicht ein andermal.
Mit einer guten Viertelstunde Verspätung geht es dann endlich los, - Regen, eigentlich das, was ich am allerwenigsten mag, Regen beim loslaufen, schlecht. - Mit Markus, Martin und Georg zusammen habe ich mich ganz hinten eingeordnet, langsam angehen, immer wieder mal jemand überholen .... oder so. Die Vorsätze halten nicht mal bis zur Startlinie, als ich drüber laufe habe ich schon die ersten paar 10 Läufer überholt ....
Schnell merke ich, dass ich meinen Fußsensor gar nicht eingeschaltet habe, also muss ich auf die Schilder achten, damit ich nicht zu schnell werde. 15:00 pro Runde wäre das Ziel, 14:30 noch OK ......
Nach einigen hundert Metern geht es das erste Mal auf die Deichkrone, konnte ich mir bislang unter der Bezeichnung 'wassergebunden' nicht so recht was vorstellen, wird mir nun klar, dass dies wohl bedeuten soll, dass bei Regen alles Wasser in tiefen Pfützen auf der Deichkrone gebunden bleibt ...... Nein, nicht mein Wetter, nicht meine Strecke, das wird mir hier schon klar, ..... 'aber es ist ja ein Rundenlauf, ich kann ja einfach irgendwann aufhören ...' lässt sich hier zum ersten Mal das feine Stimmchen vernehmen, das mich nun sechs Stunden lang begleiten wird.
Nach dem Deich geht es durch ein Wohngebiet, dessen Häuser zu einem großen Teil eine unbewohnten Eindruck machen, ein Stückchen die Straße vor, nach rechts abbiegen, wieder ein Stückchen, dann wieder rechts und zurück zum Stadion, alle paar 100 m stehen Helfer an den Strecke und trotzen dem Wetter, feuern eine an, auch noch nach Stunden. Dieser Teil der Strecke ist angenehm, flach, hart, die Pfützen so, dass man daran vorbei laufen kann. Hier lässt es sich laufen, wenn da nur nicht diese Schlammstrecke wäre.
Hinter dem Stadion finden sich dann zwei bemerkenswerte Tafeln, von denen eine zumindest wohl erklärt, warum das Wohngebiet teilweise leer steht. Zum einen ist der Wald dort nämlich zwar als Naturschutzgebiet ausgewiesen, gleichzeitig wird gleich daneben erklärt, dass man unbedingt auf den Wegen bleiben solle, da hier von früher wohl noch Kampfstoffe, Minen oder ähnliches vergraben liegen .......
Der erste Zieldurchlauf zeigt dann klar, dass ich viel zu schnell unterwegs bin, andererseits, es fühlt sich gut an, gegenüber dem Marathon vor drei Wochen bin ich deutlich langsamer unterwegs, warum also nicht? Das geht so ganz gut, bis irgendwo bei km 22. Irgendwann während dieser Zeit laufe ich bis auf Jo auf, GastRoland sehe ich bei den Zieldurchläufen, - 'falscher Teil vom Feld, ganz falscher Teil' sage ich mir jedes Mal und laufe weiter, ich bin das doch erst vor drei Wochen so gelaufen, sogar noch schneller, warum also nicht? Dann, meldet sich das Knie, nichts spezielles, einfach nur ein Schmerz, der mal hier, mal dort auftaucht, zum langsamer Laufen zwingt, die ersten 20km @ 5:30 wohl doch zu viel, zu schnell, zu kurz nach dem Marathon?
Bis km 32 ist aber noch alles in Ordnung, ein wenig langsamer laufen als 15:00 und dabei etwas Ausruhen, Zeitpolster ist ja dicke vorhanden .... dann treffe ich das erste Mal im Leben Mr. Hammer, plötzlich fühlt sich gar nichts mehr gut an, obwohl ich mich anstrenge werde ich immer langsamer. Muss feststellen, dass ich anscheinend mit Essen und Trinken auf der Strecke nicht so gut zurechtkomme. In Rotenburg habe ich, wenn ich mich recht erinnere, immer abwechselnd eine Runde was gegessen, eine getrunken, das geht hier auf der doppelt so langen Runde irgendwie nicht so recht auf. Keine Ahnung, was die genaue Ursache war, aber daran muss es wohl letztlich gelegen haben.
Genau hier meldet sich dann auch das Stimmchen wieder zu Wort und meint 'Du könntest einfach aufhören, - jetzt!', ich bin ganz nah dran, nachzugeben, 32,5 km sind doch völlig OK, warum also nicht .... andererseits, es sind nur noch drei Ründchen bis 40 und dann nur noch eine bis zum Marathon ..... ab da denke ich nur noch in Runden, genauer in '...nur noch die nächste Runde'
Zwischendurch mal eine Regenpause, - eine ist besonders lang, sieht fast nach Wetterbesserung aus. Einer der Helfer nutzt sie um die Deichkrone per Besen vom Wasser zu befreien. Für eine Runde bekommt man ein Gefühl dafür, wie es sein könnte, wenn das Wetter besser gewesen wäre. Dann kommt der wohl heftigste Schauer des ganzen Tages und macht die komplette Arbeit zunichte, jetzt sind die Pfützen noch voller, die Grasränder noch mehr mit Wasser vollgesaugt .....
De Marathonrunde kommt und mit irgendwas bei 4:15 bin ich also meinen fünften Marathon gelaufen ..... trotz allem noch die zweitbeste meiner Marathonzeiten. Danach geht es allerdings weiter bergab, der Wille, zumindest die Marathondistanz noch zu erreichen hat noch Kräfte mobilisiert, jetzt ist auch der weg. Ich muss gehen, gehen, nicht einmal zu einem halbwegs passablen Walkingschritt bin ich mehr fähig, ein wieder anlaufen kann ich mir zeitweise nicht mehr vorstellen, für die nächsten 5 Kilometer brauche ich über 41 Minuten, Knie und Wade am linken Bein sind nur noch Schmerz ....... lediglich in Stadionnähe laufe ich wenigstens, hier motivieren die Zuschauer dann doch genügend ... nach der ersten dieser zwei Runden sehe ich an der Stelle, an der man von der Bahn abbiegt ein Schild liegen, "Laufen bis es nicht mehr geht, dann gehen bis es wieder läuft", hier beschließe ich, die 50 noch 'voll' zu machen, dann eben so, wie auf dem Schild beschrieben, heute geht es eben nicht anders!
Zu Beginn der 20. Runde dann ist auf einmal plötzlich alles wieder anders, ich kann wieder laufen, sogar zügig, will wenigstens diese Runde noch ordentlich zu Ende bringen, die Schmerzen der Runden vorher sind wie weggeblasen. Endorphine? Wieder etwas aufgefüllte Energievorräte, die die Bewegungen wieder kontrollierter ablaufen lassen? Keine Ahnung.
Die 50 km Runde laufe ich jedenfalls erst mal in 14:33, die letzte Runde in dem Tempo ist fast 20 km her .... danach falle ich erneut in ein tiefes Loch, muss wieder gehen, kann nochmal anlaufen und endlich habe ich das Gefühl, 'jetzt kannst Du auch bis zum Schluss weiterlaufen', schlage erst mal den angebotenen Plastiksack aus, bin mir sicher, ich werde noch einmal hier vorbeikommen bevor Schluss ist.
Gut 6 Minuten vor Ende nehme ich dann dankbar den Sack mit und beschließe, denn nächsten km noch voll zu machen, warte mit zwei, drei anderen noch eine Minute auf den Schuss und bin froh, zumindest noch 56 km geschafft zu haben und die Gewissheit, dass bei optimalem Verlauf noch mehr drin sein wird. Gleichzeitig macht sich aber auch eine heftige Abneigung gegen lange (vor allem noch längere) Läufe in mir breit, wenn überhaupt ein Mal, dann in fünf Jahren vielleicht, oder so.
Der Tag danach:
Nach den Erfahrungen vom letzten Marathon hatte ich natürlich Sorge, dass das Knie wieder dick sein würde, zumal ja immer wieder die Schmerzen beim Laufen da waren. ZU meiner Verblüffung war aber dieses Mal am Knie nichts, null Komma nichts, ein heftiger Muskelkater in beiden Beinen, eine ordentlich schmerzhafte Stelle, an der der Fußsensor gedrückt hat (der kommt bei so einer langen Geschichte wohl nicht mehr an den Schuh!) und das war alles. Gleichzeitig sprießen schon wieder die ersten zarten Ideen, was man vielleicht doch nächstes Jahr und so ......
Grüße,
Roland
fürs Durchkämpfen.
...... dummerweise hab ich natürlich auch nicht dran gedacht, dass sich ja auch noch schnelle Staffeln auf der Strecke tummeln.
