Es gibt Momente, die sind einmalig im Leben, man kann sie nicht zurückholen, so sehr man es sich auch wünscht.
Und ich hatte meine Erwartungen sehr hoch angesiedelt, wollte ich doch genau das tun. Diese Einmaligkeit des Augenblickes wiederholen, diese Stille in mir und um mich herum, im Schein der Lampe mir noch einmal selbst so nah zu sein, wie ich es zuvor noch niemals erlebt hatte. Hier hatte ich darüber berichtet, über diese Faszination in der Unterwelt.
Noch einmal wollte ich diese Augenblicke empfinden, jede dieser 4 Runden genießen, nur Eines wollte ich dabei verändern: ich wollte ein kleines Bischen schneller sein. Ein kleines Bischen nur.
Es ist mein 13. Marathon, ich gebe zu, ich bin ein wenig abergläubisch und das wird auch nicht besser, als ich am Morgen des 8. Dezember am Eingang zum Brüggmann-Schacht meine Startnummer aus der Tüte ziehe: 133!!! Also vielleicht geht es noch deutlicher: Dreizehn Drei!
Von diesem Moment an setzt sich in meinem Kopf die Zahl Dreizehn noch fester und ich kann nichts dagegen tun. Das bemerkt auch Ishimori, als wir bereits in 700 Metern Tiefe die Minuten bis zum Start zählen.
Der Startgong fällt und nun beginnt nicht, wie von mir erhofft und sehnüchtig erwartet, meine erste Runde bei meinem zweiten Untertagemarathon, den ich, dem Ersten gleich, genießen, einsaugen möchte, nein, es beginnt vielmehr Runde 5 meines Untertagemarathons, den ich bereits im Dezember des Jahres 2006 begonnen hatte.
Und da es bereits die 5. Runde ist, habe ich nun Musik in den Ohren, laufe fast alle Anstiege hinauf, werde doch nicht gehen, bin doch heiß auf´s Laufen. Schließlich darf ich die Runden nicht über 01:07:00 laufen, ich muß also ein klein wenig mehr Gas geben, als bei 1 – 4. Ich bin nun schon gar nicht mehr so allein, wie auf den ersten 4 Runden, kann die Ruhe zu mir selbst nicht finden. Nun, das wird schon werden, denke ich mir, und merke gar nicht, daß ich mir selbst dabei im Weg bin. Mit den Knöpfen, die ich mir in die Ohren gesteckt habe, mit der Uhr, auf die ich an jedem Verpflegungspunkt schiele und mit den Zahlen, die mir im Kopf herumspuken.
Nach 01:03:33 (Platz 164) erreicht die Startnummer 133 bei ihrem 13. Marathon zum ersten Mal wieder den Start/Zielbereich Halt, nein, zum 5. Mal, aber das wird mir erst später klar. Kurz nachdem ich in die Dunkelheit der nächsten Runde hinabtauche, bemerke ich einen eigenartigen Druck in der Magengegend. Mir wird plötzlich alles zu eng, die Laufhose, der Gürtel, alles wird lästig. Mir ist nur noch schlecht, zum Erbrechen schlecht, mein Bauch ist eisig kalt, obwohl mir sonst heiß ist.
Ich versuche, das zu ignorieren, nehme wie geplant, bei Km 15 mein Gel, trinke Wasser und Iso, kann manchmal das ungute Gefühl in der Magengegend verdrängen, aber finde nicht wirklich zu mir selbst. Muskulär läuft alles noch planmäßig und ich habe nicht den Eindruck, langsamer geworden zu sein. Ok, die kleine Pause im Seitenstollen hat nicht lang gedauert. Deshalb bin ich sehr verwirrt und erschrocken, als ich die nächste Runde mit 01:09:19 so deutlich langsamer war. Hinterher werde ich sehen, daß ich trotzdem einige Plätze gutmachen konnte. Nun geht es also in Runde 7, die schlimmste von allen. Ich kann überhaupt nicht mehr genießen hier unten, es ist anders, es ist nicht schön, mir ist schlecht, ich habe Bauchkneifen, muß noch zwei weitere Male das „stille Örtchen“ aufsuchen, verfluche es, steh mir selber im Weg, merke nicht, daß mich meine eigene Musik stört, versuche, mir mit den Händen beim Berge hinaufgehen den eiskalten Bauch zu wärmen, kann vor lauter Übelkeit meine Gels nicht wie geplant zu mir nehmen, verliere dadurch an Energie.... und fühle mich wie ein Häufchen Elend. Aber ich laufe, wo es von der Steigung her möglich ist. Bruchteile von ich weiß nicht welchen Ewigkeiten spiele ich mit dem Gedanken, nach der 3. Runde auszusteigen. Nach der 3. Runde, die ja eigenlich meine 7. ist. Und genau so fühle ich mich auch. Aber ich werde es nicht tun. Ich werde die Sache beenden. Wenn ich keinen Spaß haben darf, dann quäle ich mich eben. Aber ich werde diesen 13. Marathon hier unten beenden. Sonst zählt er nicht und ich muß den 13. noch einmal laufen. Dann quäle ich mich eben. 11 Kilometer gehen immer! Wieder werde ich mit Namen und Verein genannt, als ich nach weiteren 01:15:55 den Start/Zielbereich passiere, natürlich werde ich weiter laufen, aber nicht, bevor ich noch einmal das Dixi besuche, das kurz nach Beginn jeder Runde freundlich grüßt. Mir ist immer noch schlecht und es wird auch nur kurzzeitig etwas besser. Als mich irgendwo beim geschätzen Kilometer 37 eine Läuferin überholt und wir kurz ins Gespräch kommen, bietet sie mir Brot gegen die Übelkeit an. Ob mir das Brot geholfen hat, oder mein Kampfgeist, oder mein Ego... ich weiß es wirklich nicht, aber nachdem ich die Hälfte des mir angebotenen Brotes verspeist hatte, war alle Übelkeit verflogen, alle Kräfte mobilisiert, auch wenn ich mein Zeitziel lange, lange abgeschrieben hatte, nun wollte ich nur noch so schnell wie möglich heim, allem Schmach ein Ende setzen, es lief wieder, verdammt, es lief.... warum, warum erst auf den letzten verdammten Kilometern?!
Nach 1:19:55 und einer Gesamtzeit von 04:47:55 (Gesamtplatz 125, Ak-Pl. 4 und 8. Platz weibl.) ist die Sache endlich ausgestanden. Unzufrieden setze ich mich auf eine Holzpalette, bin sauer auf mich selbst, auf meinen Bauch, auf die Musik, die ich mir nun endlich aus den Ohren reiße, auf alles einfach. Enttäuscht, daß ich meine eigenen Erwartungen nicht erfüllen konnte, obwohl ich mich fit und gut trainiert gefühlt habe. Neun Minuten schneller wollte ich laufen, als im letzten Jahr, fast neun Minuten langsamer war ich am Ende. Sauer bin ich, sauer auf diese Übelkeit, dieses Magendrücken, das verhinderte, daß ich meine Gels wie geplant nehmen konnte. Umsonst herumgetragen habe ich sie, an einem Gürtel, der zu allem Übel auch noch auf meinen Magen drückte – ein Gleichnis ....
Sauer auf mein Erwartungen, aber vorallem auf die Idee, eine tolle Sache noch toppen zu wollen, statt sich einfach zu bescheiden mit dem, was gewesen ist. Zufrieden zu sein, mit den Dingen und zu akzeptieren, daß es manchmal einfach Dinge gibt, die nicht zu toppen sind. Hatte ich es nicht auch bereits bei meinem zweiten Rennsteiglauf gespürt?! Großartige Dinge sind einzigartig, sind einmalig. Alles Andere ist vermessen, großmäulig, gierig. Ja, gierig! Und ein Trugschluß. Und es wäre kein Berich von mir, wenn ich nicht mit der Weißheit eines Anderen schließen würde:
Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir in uns tragen,
die Träume, die wir spinnen
und die Sehnsüchte, die uns treiben,
damit wollen wir uns bescheiden.
(Heinz Rühmann in„Die Feuerzangenbowle“)
die Träume, die wir spinnen
und die Sehnsüchte, die uns treiben,
damit wollen wir uns bescheiden.
(Heinz Rühmann in„Die Feuerzangenbowle“)