-.....E.i.n.e....w.a.h.r.e....B.e.g.e.b.e.n.h.e.i.t.....-
Ich laufe seit Oktober. Mittlerweile kann man das was ich mache auch „Laufen“ nennen. Durchschnittlich 30 km die Woche sagt mein Trainingstagebuch. Ohne mind. 8 km bezwungen zu haben lässt mich mein Ego nicht nach Hause. Bis zu 15 km schaffe ich am Stück. 3- bis 4-mal wöchentlich schreien die bayerischen Schotterwege, Straßen und Wiesen nach mir. Und ich lasse sie nie warten. Nie. Schon am 2. lauffreien Tag werde ich hibbelig.Ich bin infiziert. Diagnose: Laufvirus.
Es ist Zeit. Zeit für einen kleinen Test. Meine Selbsteinschätzung sagt mir: Läufer belügen sich selbst. Psychisch bin ich fit für die 20 (km). Aber mein Kopf kommuniziert anscheinend nicht überzeugend genug mit meinem Körper. Der gibt mir nämlich dann mit 3 Tagen Muskelkater zu spüren, dass ich nicht die Form für einen „Halben“ habe.
Ein 10-km-Lauf soll mir zeigen wie es wirklich um mich steht. Eine entsprechende Veranstaltung ist bald gefunden. Die 10-km in Bad Füssing. Am letztmöglichen Voranmeldetermin tu ich es. Die Anmeldung ist abgeschickt. Es gibt kein Zurück. Ich werde antreten. Der Geizhals in mir lässt mir auch überhaupt keine andere Wahl. Für 15 EUR darf ich mich quälen. Komme was wolle. Bad Füssing ICH komme.
Sonntag. 10.02.2008. 5:45 Uhr. Morgens bzw. nachts in einem kleinen Ort im Bayerischen Wald. Der Wecker klingelt. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr an einem Sonntagmorgen vor 10:00 Uhr aufgestanden. Meistens verschlaf ich sogar das Mittagessen. Aber heute ist das anders. Ich bin die Erste, die aufsteht. Um 6:00 Uhr haue ich dann meine Schwester aus den Federn. Meine mentale Unterstützung, die genauso gern weiterschlafen will wie ich und deshalb über mich und den Krach den ich verursache herzieht.
7:30 Uhr / Abfahrt.
9:00 Uhr / Ankommen in Bad Füssing.
9:20 Uhr / Startunterlagen abholen – Umziehen.
9:35 Uhr / Ich stehe am Start. Meine Schwester macht noch ein Vorher-Foto um am Ende vergleichen zu können. Nach und nach füllt sich der Bereich. Die Luft wird knapp. Neben mir stehen andere Hobbyläufer, nein Athleten mit kurzen Shorts und ärmellosen Hemdchen bei vielleicht 5 °C. Ich wollte doch nur bei einem Volkslauf mitmachen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen war nicht meine Zielsetzung.
9:45 Uhr / Ein Schuss ertönt. Es muss wohl schon losgehen. Die Profis rennen oder besser sprinten los. Auch ich beginne zu laufen. Den ersten km in ca. 4:30. Eindeutig zu schnell für mich. So schnell laufe ich sonst nie. Aber es scheint machbar. Die Zuschauer klatschen Beifall. Km zwei wieder in 4:30. Der Schein trügt. Meine Beine möchten nicht weiter. Zehn km in dieser Geschwindigkeit. Utopie. Den dritten km schaffe ich noch in 5:00. Für den Vierten brauch ich schon 6:00. Noch nicht mal die Hälfte und ich bin kaputt. Stimmen in meinem Kopf fragen mich ernsthaft, ob ich total meschugge bin. Was hab ich mir bloß dabei gedacht.
Fehler Nr. 1: Die Teilnahme.
Fehler Nr. 2: Aufstellung im Startbereich viel zu weit vorne (schon oft drüber gelesen, nie als Gefahr betrachtet)
Folgefehler (Nr. 3): Anfangstempo viel zu schnell. Wie soll ich auch mit Weltspitzeläufern mithalten?
So. Was tun? … Kämpfen! Ich brauche einen Plan. Auf dem nächsten km werde ich mich erholen. 7:00 ist die Folge. Meine Beine sind immer noch schwer, aber es geht schon wieder. Ich laufe ein 6er-Tempo. Km sieben ist geschafft. Ich fühle mich besser. Das Glas ist mehr als halb voll. Es geht noch was. Bloß mein Kopf sagt: Ich will nicht mehr. Letztendlich gelange ich nach 57:14 min. und einem phänomenalen Schlussspurt ins Ziel.
Meine Schwester erwartet mich schon. Aufmunternde Worte? Ein Lob? Nein. Sie meint ich sehe aus wie eine Tomate. Gut. Das grüne Laufshirt betont meine Gesichtsfarbe wirklich unvorteilhaft. Sie macht noch ein Nachher-Foto von mir für die Leute zu Hause. Zur Belustigung natürlich.
Ich bin enttäuscht. Will nie wieder laufen. Hätt’ ich doch bloß nicht so schnell angefangen. Der Autor eines großen Laufbuches hat mich gemahnt. Selbstüberschätzung ist schon fast eine Todsünde. Was ist eigentlich die Hölle für Läufer? Walker werden? Hätt’ ich mich doch besser durchgebissen. Ich werde meine Laufschuhe an den Nagel hängen müssen. Herr Greif persönlich wird sie mir wegnehmen. Ein Schlussspurt genügt nicht. Wettkampfhärte brauch ich. Hätte… hätte.. hätte…
Nach 3 min. hab mich körperlich erholt. Nach 5 min mental. Ich werde meine Laufschuhe niemals hergeben. Trotz dieses Schlamassels hab ich den ersten 10-km-Lauf unter einer Stunde beendet. Euphorie pur. Mein nächstes Ziel ist schnell formuliert:
Halbmarathon unter 2 h.
MfG
Grünschnabel