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Die Golden Girls und eine Verfolgungsjagd

Die Golden Girls und eine Verfolgungsjagd

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Die Golden Girls und eine Verfolgungsjagd -- Ein ganz normales Training?

Es ist Samstag, der 15.03. ... ich drücke den Wecker aus und sage mir, dass ich es verdient habe noch eine halbe Stunde zu schlafen :P

Dann fahre ich zum See (14km Rundkurs) und laufe vom Parkplatz ein kleines Stückch zum Visitor Centre (gut 1km). Nach kurzer Besichtigung der WCs schlage ich wieder den Weg Richtung Auto ein, um die Strecke zu verlängern, da ich meinem Ziel der Doppelrunde Ende Mai ja nach und nach näher kommen will... Ich lasse am Auto die Ärmel meiner Jacke und eine weitere Schicht meiner Oberbekleidung zurück und krieche los zur Umrundung...


Ich versuche sehr langsam zu laufen und habe schnell meinen Rhythmus gefunden. Die Strecke ist anfangs etwas hügelig und ich mache meinen MP3 Player an; die Beatles lassen mich die Steigungen fast ohne Mühe hochhopsen.

Da die Beine ja schon in Bewegung sind fange ich dann an mit den Händen herumzufuchteln... die Hände tanzen also ... vielleicht sehe ich ein wenig aus wie ein Dirigent... und ich stoße ab und zu mal ein krummes Singgeräusch aus... ;) dann wieder verliere ich mich in mir selbst, es gibt keine Gedanken, die Welt, die Felder wackeln an mir vorbei,... ich sehe nur noch eine Linie, z.B. den Wegesrand oder die Oberseite der Mauer am Damm... liebe es so in der Monotonie zu versinken und zu träumen; es kommt ein Gedanke aber er ist nicht wichtig... der See kräuselt sich in Wind... ich werde von meiner Umwelt aufgesaugt.

Die Menschen die mir begegnen sind freundlich und grüßen mich ohne Ausnahme, wohl wegen dem weltentrückten Lächeln, das ich trage. Ich treffe eine Gruppe rüstiger Rentner-Wanderer, eine hörbar angestrengte laufende Familie mit z.T. hochroten Köpfen, Männer und Frauen, Hunde und Hasen, Einchhörnchen und laut surrende riesige Stromaste, aber vor allem ein mich absolut beeindruckenes laufendes Trio... die Golden Girls... ;) tatsächlich tragen zwei von ihnen leuchtend Gelbe T-Shirts, die Dame die am ältesten erscheint (Ü60) hat die Rolle des Pacemakers übernommen und läuft vorweg, die anderen beiden folgen... ein toller Anblick und die Ladies freuen sich ebenso wie ich, wir strahlen uns an, machen uns Komplimente und das Lächeln in meinem Gesicht ist jetzt wieder gegenwärtiger und noch ein wenig breiter, wenn das überhaupt möglich ist. Den kurz darauf entgegen kommenden Wanderer drohe ich damit zu verstrahlen, aber es scheint ihm ("Mr. Beam"/"Jim Beam"?) nichts auszumachen.

In meinen Tagträumen habe ich mein anfängliches Schnecken-Schnecken-Tempo beibehalten und anscheinend auch noch verringert (ich laufe trotzdem noch, also egal)... aber nun nach etwa ¾ der Strecke überholt mich eine Läuferin, als ich gerade versuche endlich mal was Neues aus meinem mp3 Player zu holen, als die Beatles. Ich hab sie von hinten kommen sehen und mache brav Platz, denn vorhin war sie noch nicht zu sehen und jetzt plötzlich da: die muss viel schneller sein als ich.


Als sie vorbei ist bin ich wieder etwas wacher und ich lasse sie den Abstand noch etwas vergrößern und hänge mich dann an sie dran. Ich werde versuchen ihre Geschwindigkeit mitzuhalten bis zum Visitor Centre. Ich bemerke, dass sie gar nicht so schnell ist und ich ohne weiteres ihre Geschwindigkeit halten kann. Mein Beine scheinen plötzlich eine Art Eigenleben zu entwickleln und wollen schneller und schneller, mein Kopf führt auch ein Eigenleben und rennt meiner Körpermitte davon, mit Gedanken an Mögliche Verlängerungen der Strecke, eine Beschleunigung am Ende etc... nun will ich aber nicht plötzlich wieder an der netten Dame in Leuchtweste vorbeizischen und ihr winken... sie hat mir sogar das Türchen am Damm aufgelassen, weil ich kurz hinter ihr war und mir nett zugewunken.


Aber meine Beine wollen, der Kopf will... und alles dazwischen hat nichts zu sagen. Der Damm zieht sich in einem langen Bogen, in einem Boot Nahe am Ufer stehen zwei Angler beschäftigt und ein Vater betrachtet die Szene mit dem Töchterlein, die ihr Fahrrad noch nicht ohne Stützräder fahren kann, aber ein unglaubliches Gebaumel an dem Lila Lenker spazierenfährt und zu allem Überfluss schon Gangschaltung an dem Minirädchen hat. ... Ich denke an mein erstes und mein zweites Fahrrad und muss in mich hinein lachen. All diese Gedanken denke ich während ich mich zurückhalte und versuche den Abstand zur Leuchtweste nicht weiter zu verkleinern. Nun muss es aber raus! Also drehe ich mich nocheinmal in die Richtung aus der ich komme und laufe zügig, für meine Verhätnisse schnell, Ziel: Ende des Dammes. Nach wenigen Schritten habe ich dann aber schon genug und merke langsam wie ich nachlasse... Ich war schon wieder in Träumen versunken. Als ich das begreife kommt sofort der Befehl der grauen Zellen: "Nein, du kannst, wenn du willst, ... wenigstens bis zum gelben Schild!" und dann läuft der Weg an mir vorbei und ich schaffe es wie anfangs geplant bis zum Ende des Dammes. Dort drehe ich wieder und steuere wieder in die eigentliche Zielrichtung. Der Papa von dem Fahrradkind scheint sich zu wundern, warum ich dauernd an ihm vorbeilaufe...


Ich lege noch zwei kleine Sprints ein und gelange zum Visitor Centre. Dort sehe ich die Familie mit den roten Köpfen wieder, die Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben, sie schnaufen allerdings immer noch lautstark. Ich frage mich, wie lange sie schon dort sitzen.

Ich habe jetzt ca. 16 km hinter mir, noch gut einer bis zum Auto. Ich nehme mir vor für den kurzen Weg bis zum Waldrand noch einmal einen Gang hochzuschalten und trabe dann gemächlich im Wald den Hügel herunter... als mir aus einiger Entfernung zwei gelbe T Shirts und bei näherer Betrachtung auch die dazugehörigen Golden Girls entgegen leuchten. „You're going well“ sagen sie und wollen wissen, wie oft ich nun um den See gelaufen bin, huch... durch meine ständigen Richtungswechsel habe ich die Leute wohl etwas verwirrt. Ob sie mich vorher schon mal gesehen haben, als ich zur Toilette gelaufen bin? Um Erklärungen abzugeben bleibt natürlich keine Zeit und mein Kompliment an die Damen ist etwas holperig was die Sprache betrifft, ... mein Sprachzentrum wird immerhhin seit etwa 2 Stunden im Gleichklang geschüttelt, ... ich sage dass ich fast eineinhalb Rundern gedreht habe, was ja gar nicht stimmt, aber ... die Ladies waren schon weit weg... keine Zeit für Erklärungen, schon befinde ich mich inmitten einer wandernden Rentnertruppe, die sich mit mir über unser Wiedersehen freuen und mich auch fragen, wie oft ich jetzt den See umrundet habe... oh meine Güte... sie halten mich für etwas was ich nicht bin und wieder habe ich keine Zeit zum erlären, ... wie blöd. Noch darüber nachdenkend begegne ich dem zuvor verstrahlten Wanderer, der mit den Schultern zuckt und mein „Hello again“ mit einem 'schon die zweite Runde' beantwortet. Ja, die zweite Runde, aber ich werde sie nicht beenden, denn 50 Meter weiter wartet mein Auto mit einer leckeren Apfelsaftschorle.

Auf dem Weg zurück wurden meine High Spirits leider doch etwas getrübt, als mir auf den eineinhalb Spuren breiten Strasse ein voll mit jungen Mänern besetzer Kleinwagen förmlich entgegenfliegt und ich beinahe reflexartig mit meinem rechten Zeigefinger zu meiner Stirn zucke... ups...


Ich war eben geschockt, das ist nämlich auch ein Fernradweg und ausserdem treffe ich dort jedes Mal auf Pferde/ Reiter wenn ich dort fahre. Kommen sich zwei Autos entgegen muss in den meisten Fällen einer den Randstreifen befahren und stehen bleiben... und die sind beinahe abgehoben. Sie fühlten sich dann etwas angepisst und haben mich im Rückwärtsgang verfolgt, ja, die Jungs sind mir im Rückwärtsgang einige hundert Meter gefolgt und haben dann ihr Auto gewendet. Ich dachte: Oh mein Gott, jetzt werden sie mich verprügeln und ein Auto zertreten. Aber ich bin trotzdem einfach ganz normal weiter gefahren und dann scheinen sie es sich anders überlegt zu haben... Gott sei Dank! Ja, ich hatte Angst. ;) Aber bei lecker Pizza (Sünde!) war das schnell vergessen; und was das Tollste ist: Heute gar keine Zwickerchen! Also überhaupt keine! :) Juhuuuu.

Vielen Dank fürs Interesse und liebe Frühlingsgrüße,
Eure Missus.
21.05.2010 -- Abendvolksl. Heckershausen, 10km -- 56:14,8
02.07.2010 -- Nachtmarathon Marburg HM -- 2:10:01,8
07.08.2010 -- 17. Brückenlauf Goßfelden, 10km -- 56:54

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Ein herrlich entspannter, toller Laufbericht!
So fühle ich mich öfters, du kannst das prima beschreiben! :daumen:
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