My first Trainingsplan - endlich wollte ich mich mal vernünftig vorbereiten. Das Problem mit Trainingsplänen ist, dass man immer hinterherhinkt. Anfang März macht ein Infekt eine wichtige Woche zunichte, über Ostern sind Schneestürme und private Ereignisse im Weg. Überhaupt, ist es nicht schizophren, sich dem Diktat eines selber gepinselten Trainingsplans zu unterstellen? Einige Threads und Postings hier im Forum sind stumme Zeugen für meine Zweifel.
Marathon unter 3 Stunden, das ist mein Traum. Aber ob ich eine Chance habe weiss ich noch nicht.
In Linz muss man die Startunterlagen schon am Samstag holen. Für U_D_O vielleicht ein Problem, weil er vermutlich Samstag noch einen anderen Marathon hätte
, für Ein-Event-pro-Wochenende-Läufer wie mich eine Einladung zu einem schönen Wochenende in Linz. Und so verfliegt der Samstag auch geradezu, nach dem Foritreffen auf der Messe besichtige ich noch Teile der Strecke und werde wie immer kribbelig.Sonntag, jetzt wird's ernst:
Interessiert es Euch, wann mein Wecker geklingelt hat? Nein? Dachte ich mir. Also überspringen wir auch das ereignislose Frühstück und machen uns gleich auf den Weg zum Start. Ich schlendere auf die Eisenbahnbrücke zu, immer mehr Läufer und Skater um mich herum. Sehen alle beängstigend fit aus... Maria Callas singt die "Königin der Nacht" (frage mich immer noch, wie sie in diesen kleinen iPod passt) und auf der Strasse begegnet mir noch zufällig Hannes (tria100). Als ich die Brücke betrete setzt Pavarotti zu "Nessun Dorma" an, die Altstadt von Linz taucht in der Morgensonne auf und als ich mich umdrehe steht in Griffweite die Autobahnbrücke, die heute morgen nur uns Läufern gehört. Geschäftiges Treiben überall auf der Brücke und am Ufer und als ich den Uferdamm betrete sing Pavarotti nur für mich:
Dilegua, o notte! Tramontate, stelle! Tramontate, stelle! All'alba vincerò! Vincerò! Vincerò!
(Verschwinde, Nacht! Geht unter, Sterne! Geht unter, Sterne! Zum Sonnenaufgang werde ich siegen! Werde ich siegen! Werde ich siegen!)
Jawoll Herr Kaloi! Jetzt steht es fest, ich laufe mit dem 3:00:00 Pacemaker mit, großes Kino, siegen oder untergehen. Aber bevor ich im Pathos versinke wechsle ich lieber die Playlist und erfahre von Joan Jett, dass sie Rock’n’Roll liebt. Der Rest ist Vorbereitung von der Stange, warmlaufen, erleichtern, Zeit rumkriegen.
KM 1- 10: Startschuss, die wilde Jagd beginnt. Dr. Andi, unser absolut genialer Pacemaker, macht gleich mal etwas Boden gut, 3:56min ist etwas flott für den ersten Kilometer. Dr. Andi ist nebenbei noch der Rennarzt, wir sind also bestens betreut. Dann pendelt sich das Tempo ein und es geht über Plesching Richtung Steyreggerbrücke. Die Beine sind locker, die Blase bei KM5 nochmal schnell geleert, nur das Laufen in der etwa 30-köpfigen Pacemaker-Gruppe ist etwas spannend. Kurz vor der zweiten Verpflegung laufe ich daher nach vorne raus und es folgt auch gleich der einzige echte Kritikpunkt an der ganzen Veranstaltung.
Ein Becher Wasser in der Hand macht die Strecke einen 90°-Knick und verengt sich auf etwa 3m, die dann noch mal von mehreren Hundert Staffelläufern auf gefühlte 50cm verengt werden. Neben mir stolpert einer und landet unsanft, mir stellt auch einer das Bein, ich kann mich aber fangen. Hoffentlich konnte der Kollege weiterlaufen. Den Staffelwechsel sollte man wirklich 300m früher auf der breiten Strasse machen.
KM 11- 21: Heil auf dem Donaudamm angekommen heißt es jetzt km 11 bis 16 ökonomisch laufen. Schon mal versucht, kraftsparend zu laufen, wenn das Tempo eine Konstante ist? So richtig viele Variablen bleiben nicht mehr. Schrittlänge, Windschatten, Armarbeit, aber wirklich schöner macht das ein Tempo von 4:15min/km auch nicht.
Der Schlenker durch Urfahr ist nicht schön, aber zum ersten Mal seit dem Start ist wieder richtig Publikum da, die Bewohner so mancher architektonischer Schandtat sind allesamt draußen und feuern uns an. Bei der Verpflegung ist man inzwischen übereingekommen, die 0,5-Liter Flaschen Wasser und ISO einfach rumgehen zu lassen, da in so einer großen Gruppe einfach nicht jeder an die Tische rankommt. Die Stimmung ist gut, die Sonne lacht und wir passieren die HM-Marke mit 1:28:50 Std. Hmm, gerade mal 40sek über meiner HM Bestzeit, erst Zweifel schleichen sich von hinten heran. Zum Glück bin ich immer noch umringt von 25 Mitstreitern, da kommen die Zweifel nicht richtig ran an mich...
KM 21- 28: Eisenbahnbrücke, KM 22, hier habe ich heute Morgen beschlossen, dass ich es wage. Jetzt soll es auch so sein. Wir sind nicht weit vom Zielbereich und viele Viertel-Marathonies auf dem Heimweg feuern uns an. Das ist ja das schöne an Linz, dass alle Bewerbe der Reihe nach auf dem Hauptplatz einlaufen, die Altstadt ist von 9:45 bis 14 Uhr fest im Läufer-Hand.
Da wir so eine Riesen-Gruppe sind bekommen wir besonders reichlich Applaus. Aber schon Richtung Franckviertel ist es wieder vorbei und wir durchlaufen relativ langweilige Wohngegenden. Gerade hier bei etwa KM25 beginnen meine Oberschenkel zuzumachen.
Zum Glück kommt jetzt das Stück mit Gegenverkehr und ausführliche Sozialstudien lenken davon ab. Leider ist "Der Läufer" wieder nicht statistisch zu fassen, im letzten Drittel des HM Feldes ist eine bunte Mischung unterwegs. Andere Volksgruppen sind da einfacher zu fassen. DER Fussballfan z.B., oder DER Camper. Der Abzweig in die Salzburger Strasse beendet meine Studien leider.
KM 28- 35: Jetzt kommt ein Stück, das ebenso anstrengend wie hässlich ist. Volle zwei Kilometer entlang einer hüfthohen Beton-Leitplanke, der Lärmschutzwall der Autobahn ist da sogar eine erfreuliche Abwechslung. Offenbar sinken meine Ansprüche mit zunehmender Erschöpfung. Apropos Erschöpfung, meine Beine haben sich erstmal in ihr Schicksal gefügt. Das sollte sich bald ändern, fiese kleine Dinger...
Bei KM32 ist es nämlich vorbei und ich spüre wie nah ich einem Krampf im rechten Oberschenkel bin. Allerdings bin ich in bester Gesellschaft, im Minutentakt purzeln die Kollegen nach hinten raus aus unserer kleinen Gruppe. Ich bin am Anschlag, aber jetzt sind es nur noch 9km. Mehrfach beginne ich zu rechnen "4:30 kann ich halten, das wäre dann eine Endzeit von...", aber beim Rechnen laufe ich freundlicherweise immer wieder auf Dr. Andi auf. Der wird jetzt auch gesprächiger, "Beißen Burschen", "Bleibt’s dran" und andere medizinisch bedenkliche Ratschläge halten uns bei der Stange. Ach ja, wir sind noch etwa sieben Leute, als wir bei KM35 wieder Gegenverkehr bekommen.
KM 35- 42: Linz ist immer wieder überraschend. An den schönsten Ecken läuft man völlig allein und an andern Stellen stehen plötzlich wild jubelnde Zuschauer, diesmal freue ich mich über eine 4-köpfige Familie, die auf der Markatstraße neben einer Tankstelle steht und sich die Lunge leerbrüllt. Endlich kommt der ersehnte Linksknick, die letzten Kilometer bin ich gestern abgeradelt. Wir nähern uns dem Hauptplatz, noch ein Linkknick und schon entfernen wir uns wieder. Warum machen die Veranstalter die letzten Kilometer eigentlich immer viel länger als die ersten??? Unterwegs sammle ich noch einen jungen Burschen aus Wien auf, der ohne Uhr läuft und keine Ahnung hat, dass er unter 3h laufen kann.
Im Ziel wird er mir vor Freude fast um den Hals fallen, aber bis dahin sind es noch gut 2000m, die Hälfte davon über Kopfstein. Männer sind ja wehleidig veranlagt, jetzt tun die Schritte aber wirklich weh. Endlich ist die Strecke gesäumt mit Zuschauern wir fliegen durch die Fussgängerzone Richtung Hauptplatz. OK, wir stolpern mehr als wir fliegen, aber es fühlt sich sooooo unglaublich geil an. Der Hauptplatz öffnet sich, ein Meer von Menschen auf den Tribünen, der Sprecher quasselt sich den Wolf, aber das alles bekomme ich nur ganz am Rand mit. Mein Blick hängt an der Uhr, deren erste Ziffern die erträumte ZWEI ist, gelb auf schwarz strahlt sie mich an und bei 2:59:23 piepst die letzte Matte.
Ziel: Der junge Wiener kommt, bedankt sich überschwänglich, wir staksen storchenbeinig Richtung Zielverpflegung. Am Bierstand dann noch ein nettes Erlebnis: Etwa 10 Halbmarathonies versuchen ein Bier zu ergattern und der Wirt verteidigt seine letzten Reserven. "Wir haben fast nichts mehr, der Rest ist für die Marathon-Läufer." Da erblickt er meine grüne Startnummer und drückt mir sofort ein frisch gezapftes in die Hand. Wenn Blicke töten könnten....
Der Rest ist schwer zu beschreiben, der Heimweg völlig belanglos. Schmerzen in den Beinen gegen Glückshormone, aufgedreht und müde zugleich, auf einmal ist das große Saisonziel erreicht. Zuhause lese ich von den guten Ergebnissen der anderen Foris, die arme Kitty musste sogar zur Siegerehrung bleiben. Ich wie immer nicht, aber ich wäre wohl vom "Stockerl" ohne Hilfe auch nicht mehr runter gekommen, daher ist das ganz gut so. Und jetzt werde ich, wie meiner Frau versprochen, den Staub vom Rennrad wischen und die Radsaison beginnen...
Euch allen eine schöne Saison und hoffentlich gehen Eure Träume auch in Erfüllung!!!
Der RauschenBär
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