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Hamburg 2008: Völlige Zufriedenheit, denn ein Plan geht auf

Hamburg 2008: Völlige Zufriedenheit, denn ein Plan geht auf

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Ich bin voll zufrieden, denn es hat alles zusammen gepasst an diesem Sonntag in Hamburg.

Der Plan
Ich war angetreten um den Nachweis zu erbringen, dass nur eine ordentliche, akribische und gewissenhafte Vorbereitung zum Erfolg führen kann. Da aber gerade das im Hinblick auf einen Marathonlauf von vielen immer wieder bezweifelt wird ("Das mach ich doch mal eben nebenbei", "Da ist doch nix bei", "Auf der linken Arschbacke", "Das kann doch jeder" usw), hatte ich beschlossen einen etwas heimtückischen Weg des Nachweises über die Umkehrung dieser Behauptung zu gehen und anhand des Vorgehens gleichzeitig deren Richtigkeit zu beweisen.
Die Strategie
Damit mir aber im Vorfeld niemand auf die Schliche kommt, musste eine ordentliche Strategie her. Das bedeutete Zustände herzustellen die ein ordentliches Training nicht zulassen ohne Verdacht zu erregen. Schon im Herbst des vergangenen Jahres habe ich also damit begonnen. Die Idee war es, nur unzulänglich zu trainieren und trotzdem in Hamburg zu starten.
Die Umsetzung der Strategie
Zuerst habe ich daher meinen Start beim Berlinmarathon genutzt eine erste ernste Knieverletzung herbeizuführen und habe diese hinterher hier im Forum auch erfolgreich verkaufen können. Verstärkt habe ich das dann noch durch den Start beim Schlaubetalmarathon, der noch langsamer war als der in Berlin. Wie "schwer" die Knieprobleme tatsächlich waren, konnte ja jeder beobachten, der mich beim Sportlerball hat tanzen sehen. Ein dicker Fehler von mir, doch zum Glück hat niemand meine Glaubwürdigkeit bezweifelt.
Aber so ein kaputtes Knie reicht ja nicht um den Rückgang des Trainingsumfangs zu begründen. Nein da musste schon noch etwas mehr her und so wurde ich dann auch bald fündig, zumal mir die Jahreszeit in die Karten spielte. Ich nahm mir also im November eine schwere Erkältung, die absolut nicht abklingen wollte und mich fast drei Wochen (hehe) nicht auf die Piste ließ. Wer wollte mir das verdenken? Aber auch Erkältungen sind irgendwann zu Ende. Doch nun kam die Weihnachtszeit. Eigentlich ideal für lange Läufe. Jetzt musste etwas her, was diese auch verhindern konnte.
Ein Blick in die Presse und einschlägige Veröffentlichungen ließ mich alsbaldig fündig werden: Magen-Darm-Infektion hieß das Zauberwort. Ach tat das gut. Ich hatte meine Begründung und konnte in aller Ruhe das Weihnachtsfest verbringen. Leider verbreitete sich aber auch die Nachricht, das die Wirkung dieses Viruses nicht lange anhielt, so dass ich nur kurze Zeit davon profitieren konnte.
Nun kam mir zugute, was ich schon in Eisenhüttenstadt geschickt vorbereitet und auch schon Mitte Dezember in die Wege geleitet hatte: Zahnschmerzen. Das habe ich nun wirklich lange und umfangreich ausgekostet. Der erste Zahn musste, wie schon erwähnt, Mitte Dezember gezogen werden. Dramatisiert habe ich das alles dann zu Silvester und Neujahr, mit dem Einsatz des Notzahnarztes und zwei weiteren gezogenen Zähnen. In Wirklichkeit habe ich mir ein paar ruhige Tage gemacht, was dann auch prompt – planungsgemäß – mein Gewicht noch weiter in die Höhe schnellen ließ. Aber auch die besten Zahnschmerzen lassen irgendwann nach und so konnte ich diese Geschichte nicht endlos fortspinnen.
Etwas neues, völlig anderes musste her und dann las ich von einer im allgemeinen sehr langwierigen Geschichte und davon, dass schon Läufer ihre Karriere deswegen beendet hatten: dem Ischiasnerv. Ich machte also mal wieder einen etwas längeren Lauf und schon waren sie da: die Ischiasprobleme. Ich konnte also verbreiten, dass ich weder gehen, geschweige denn richtig laufen könne. Also: Laufpause. Hamburg rückte immer näher und der Plan ging jetzt schon voll auf.
Als dann genügend Zeit ins Land gegangen war um die Ischiasprobleme doch auszukurieren kam schlussendlich mein langfristig geplanter Terminkalender zum Einsatz. Geschickt hatte ich in der Jahresplanung meine Wochenendlehrgänge so gelegt, dass für lange Läufe einfach keine Zeit bleiben konnte. Jeder musste einsehen, dass Geld verdienen vor Laufen geht. Um aber keinen Verdacht zu erwecken und den Plan nicht aufzudecken und um vorzugaukeln ich würde mich doch noch auf den Wettkampf ordentlich vorbereiten, habe ich den Trainingsumfang in den zwei letzten Wochen vor dem Marathon deutlich erhöht. Es funktionierte alles. Ich habe jenen die es interessierte und denen es klar sein musste, dass ich unmöglich den Marathon in Hamburg laufen könne, noch soviel Sand in die Augen gestreut, dass meine Angabe der Zielzeit (sub 4 – ein wenig musste ich ja dem was ich vorher im Forum geschrieben hatte Rechnung tragen) kritisch hinterfragt und als Tiefstapelei bezeichnet wurde. Sehr gut, alles war gerichtet und der 27. April konnte kommen.

Der Lauf
Alles, aber auch wirklich alles passte genau.
  • Das Wetter - ich hatte die Entwicklung in den Tagen zuvor hoffnungsvoll verfolgt, denn ich hasse es bei Hitze zu laufen und so kamen mir die Temperaturen bei meinem Vorhaben natürlich entgegen. Ich habe mich daher so halb, es sollte ja nicht auffallen, angepasst. Also trug ich zwar ein dünnmaschiges aber dunkles Hemd was die Wirkung der Sonnenstrahlen verstärken sollte.
  • Der Kopf – ich war von vornherein davon überzeugt keinen schnellen und vor allem genussvollen Lauf abliefern zu können, hatte ich doch alles dagegen unternommen.
Um 09:03:58 Uhr ging es los.
Der erste Kilometer war noch sehr verhalten. Ich musste ja auch erst Mal reinkommen und so war das Tempo von 5:47 nicht sehr verheißungsvoll. Die Geschwindigkeit würde ja möglichweise bis zum Ende halten können und was wäre dann aus meinem schön Plan geworden?
Die Kilometer zwei bis vierzehn sahen mich denn auch bei einem etwas höheren Tempo (5:36), dass noch eine sub 4 Zeit suggerierte.
Ab Kilometer fünfzehn sah mein Plan vor, das Tempo noch weiter anzuziehen um die Ermüdung durch hohe Belastung schneller voranzutreiben. Doch das war gar nicht mehr nötig. Schon jetzt griffen alle Vorbereitungsmaßnahmen und an eine Tempoverschärfung war gar nicht mehr zudenken. Mit 5:54 lief ich bis zum Halbmarathon (2:00:30) und weiter bis
Kilometer 23: der erste greifbare Erfolg meiner Bemühungen. Ein erster Krampf auf der Rückseite des linken Oberschenkels. Kurzer Stopp, rausdehnen und weiterlaufen. Einen Kilometer lang tut sich jetzt gar nichts. Frust kommt auf, sollten etwa alle Bemühungen für die Katz gewesen sein und ic h doch unter 4 Stunden bleiben können? Doch dann geht es richtig los
Kilometer 24 bis 42 Krämpfe in beiden Waden, teils abwechselnd teils gleichzeitig. So richtig was zum wohlfühlen und schon glaubte ich wieder an meine Mission: ich hatte ja etwas nachzuweisen. Auf dem Teilstück 30-35 kam die Überlegung auf, zum Beweis meiner These das Rennen aufzugeben um als totaler Triumphator da zu stehen. Zuschauer, die natürlich keine Ahnung von dem hatten was ich vorhatte, spornten mich allerdings, bei völliger Missdeutung der Lage, an durchzuhalten. Gelegenheit dazu hatten sie reichlich, denn meine Fortbewegung sah jetzt so aus, dass ich 500 m lief, dehnte, 500 m lief, dehnte usw. So kam ich da auf einen Schnitt von 8:37. Ganz großartig! Ich fühlte mich immer besser, kam ich doch meinem Ziel, dem totalen Zusammenruch jeglicher Koordinations- oder zumindest Fortbewegungsfähigkeit immer näher. Näher kam allerdings auch immer mehr das Ziel da ich ab Kilometer 35 tranceartig in einen Laufrhythmus (7:35) gefallen war, der Krämpfe nur noch androhte aber nicht mehr wahr werden ließ - ich hatte mich nicht mehr im Griff. Und nun drohte tatsächlich auch die Möglichkeit das Ziel laufend zu erreichen. Denn auch die frenetisch anfeuernden ZUschauer vermochten mich nicht dazu bewegen schneller zu laufen, was mich gewiss meiner Planerfüllung ein gutes Stück neher gebracht hätte. Doch da, ein Hoffnungsschimmer
500 m vor dem Ziel: der linke hintere Oberschenkel, der sich seit km 23 nicht mehr gerührt hatte, war wieder da und machte dicht. Allerdings, angesichts der Nähe des Ziels und der erwartungsfrohen Blicke der Zuschauer dehnte ich noch ein letztes Mal mit dem Erfolg, dass nun auch die linke Wade zu machte. Es muss jetzt ein freudiges Funkeln in meinen Augen gewesen sein. Aber dann ein energischer Ruck und beide Krämpfe waren weg und so bin ich dann die letzten Meter auch noch bis ins Ziel gelaufen.
Die Zeit: 4:37:35 – ich habe im Ziel die Arme hoch gerissen, denn mein Plan war aufgegangen, der Nachweis erbracht. Dieser Lauf war ein voller Erfolg.

Meine These wurde bewiesen: Erfolg ist immer von der Vorbereitung abhängig.
Meine Vorbereitung im Hinblick auf meine Zielsetzung war perfekt und hätte nur in wenigen Kleinigkeiten besser sein können. Umgekehrt gilt das natürlich auch für den Misserfolg, aber der steht hier ja nicht zur Debatte.

Fazit: Nachdem der Beweis nun erfolgreich erbracht wurde, werde ich beim nächsten Marathon wieder den umgekehrten Weg wählen - oder nicht starten.

Ciao
Michael

PS
Dieser Bericht ist der Versuch auch den größten Scheißlauf positiv umzudeuten.
Link zum Erdinger-Tippspiel

Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet (Greenpeace)
und

Nichts ist scheißer als Zweiter (Eric Mejer)
und
Die Nahrung soll Deine Medizin sein
und nicht die Medizin Deine Nahrung

Hippokrates

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Boah, da hast du dir das ja voll gegeben :geil: Da half offensichtlich auch kein Plastikkärtchen mit Zwischenzeiten mehr :wink: Aber wer ist gestern schon mit Traumzeit in Hamburg ins Ziel gekommen?

Gute Regeneration!
Jan

*** Ironman Regensburg 2010 ***
*** Ironman Hawaii 2010 ***

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"Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert." - Hannibal Smith (A-Team)
"What do you do, you just go out there and gambol about like a bunny?" - Sheldon Cooper

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Irgendwie bestätigt dieser launige Bericht doch dich These, dass Training hilfreich sein kann. Das nächste mal bist du gesund und gut trainiert und alles wird wieder gut.

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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Hallo Michael,

sehr überzeugender Test und ein super Laufbericht :hihi: :hihi:

Trotzdem herzlichen Glückwunsch - es kann nicht immer super laufen.

Die Erkenntnis das Trainingspläne durchaus einen Sinn haben habe ich auch gewinnen können :wink:
Viele Grüße aus Schwerte :hallo:

Matthias



Münster Marathon 2008 (3:13)
Seilerseecup Iserlohn (1:35)
Mendener Waldlauf 2008 (1:38)
Hamburg Marathon 2008 (3:22)
Karstadt Marathon Startnummer 444 (3:17) PB
Duisburg Halbmarathon 2007 (1:31)PB
Steinfurt Marathon 18.3.2006 Startnummer 411 (3:46)
Duisburg Marathon 30.4.2006 (3:32)
Köln Marathon 8.10.2006 3:45
Rhein Ruhr Halbmarathon Duisburg 2007 1:32

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Sehr schön Michael!

ist doch toll wenn ein Plan mal funktioniert. Schon mal dran gedacht den der Zeitschrift Runners World zu verkaufen :D :daumen: ?
mit freundlichem Gruß aus Hamburg


Martinwalkt
About me, alles auf einen Blick

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Hallo Michael,

was kann bei so einem perfekten Desaster-Plan denn anderes rauskommen?
Ich dagegen hatte einen Scheiß-Plan. Die ersten 20km lief es dabei noch ganz flüssig...

Interessant, dass so unterschiedliche Pläne doch zum gleichen Ergebnis führen.

Aber ich hätte mit Dir um nichts in der Welt tauschen mögen.
Dagegen war mein HH-Marathon ja ein Spaziergang.

oLi

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@Ripple: Gute Besserung und Bessere Voraussetzungen für den nächsten Lauf!

@Oli: wir hatten wohl denselben Plan...?? Siehe meinen Bericht vom VCM... :klatsch:
http://www.myblog.de/katzie

Schmittcast-Junkie :peinlich:

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und ich hatte schon befürchtet, du wärest unzufrieden ins Ziel gehumpelt! Nichts da, es war alles wie es sein sollte, nein musste. Perfekt!
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Klasse Bericht! Wenn das wirklich alles so geplant war, dann herzlichen Glückwunsch zur Zielerreichung.
Ich drücke die Daumen, daß du deinen nächsten Marathon "klassisch" vorbereiten kannst.

Gruß
Ralph

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Tut mir leid, Micha, aber Dein Plan ging NICHT auf! Denn mit so einer Scheißvorbereitung hat man VERDAMMT NOCHMAL NICHT UNTER 5 STUNDEN ZU LAUFEN!

PS.: Da Du ja jetzt alles abgefaßt hast, was man so abfassen kann, kann's ja eigentlich nur noch besser werden, oder :daumen: ? Mach einfach eine schöne lange Laufpause, tritt Deinem Körper in den Allerwertesten und such Dir 'ne neue Strategie :zwinker2: .
Renn-Schnecke

... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...

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Also ich würde es auf jeden Fall wieder mit Ferntrainer Greif versuchen! :D :daumen: ... da hast Du wenigstens die Schmerzen und Beschwerden vom und beim Laufen.
Steif
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Ständig verschwinden Senioren spurlos im Internet, weil Sie "ALT" und "ENTFERNEN" gleichzeitig drücken.

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Hallo Michael,

vielen Dank für diesen etwas anderen Bericht! Erhol Dich gut.

Hans-Peter


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Wow - aber schön, wenn der Humor bleibt. :daumen:
He says things that annoy me. He gives me good advice. (Oscar Wilde)
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Köstlich zu lesen, ich liebe Selbstironie. Dieser Bericht sollte unbedingt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
:)

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Großartig Michael,

ich möchte nicht unbedingt mit solch perfekter Vorbereitung am Marathon-Start stehen, denn das wäre wirklich zu viel des Guten.
Klasse, dass der Plan aufging, solche Überschriften von dir liest man nicht häufig, das ließ mich aufhören.

Wie ging die Textzeile noch...

manchmal sind die Dinge gar nicht so, wie man's sich vorgestellt hat, sondern besser...

Glückwunsch

mandy
mein Blog: AmandaJanus

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Da bin ich ja ganz froh, nochmal ein bisschen herum gestöbert zu haben. Schöner Bericht, ich mag diese Art von Humor. Erinnert mich an Watzlawick "Anleitung zum Unglücklichsein".

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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