Banner

24 Stundenlauf von Steenbergen (Holland) am 02/03.05.2008

24 Stundenlauf von Steenbergen (Holland) am 02/03.05.2008

1
Steenbergen ist ein kleines Städtchen in Holland und war in diesem Jahr Ausrichter der Holländischen Meisterschaften im 24 Stundenlauf. Es war nicht geplant, das ich bei meinem ersten Tageslauf ausgerechnet mit einigen Cracks der Szene laufen wollte/sollte. Ursprünglich hatte ich mir die Erstaustragung in Köln durch einen großen Kölner Leichtathletikverein ausgeguckt, denn hier hätte alles gepasst, kurze Anreise, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen als mögliche Zuschauer und und und, leider ist diese Veranstaltung jedoch abgesagt worden, sodass bei meiner Suche nach einem Ersatz eben "Ultraloopen Steenbergen" nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich ganz gut passte, denn mit dem Auto wären es ca. 240km. Ich hatte mich dann aber für die Bahn entschieden, denn da gab es ja noch die große Unbekannte über den Zustand meines Körpers nach etlichen Laufstunden. :confused:
So begann mein 02. Mai bereits um kurz vor 5 Uhr, da mein erster Regionalzug in Richtung Köln um 06:45 Uhr fahren sollte. Ein schönes, ausgiebiges Frühstück und ein letzter Check aller Laufutensilien musste noch sein. Es sah mal wieder aus, als würde ich für einige Tage verreisen. Aber hier zählte die Erfahrung aus zwei 12-Stundenläufen + Biel. Einerseits wurde warme Temperaturen vorhergesagt und andererseits evtl. Schauerneigung, zudem wusste ich durch Biel (Start 22 Uhr), das es in den Nächten noch mal sehr frisch werden kann. Also wurde vom Achselshirt bis zum langärmeligen Laufshirt alles doppelt eingepackt, dazu Laufjacken, kurze und lange Tights und nicht zu vergessen eine Lauflampe und Handschuhe. Einen Schlafsack nahm ich ebenfalls mit, nur das Zelt wollte ich nicht auch noch schleppen.
So ging es dann vollgepackt mit einer riesigen Sporttasche und einem Kleiderbeutel vom Luxemburg-Marathon (in einem Hollandfreundlichen Orange :D ) mit diversen Zügen und einem Bus in Richtung Steenbergen.
Die Vorfreude und Nervosität stieg im Gleichklang, bis ich im Bus kurz vor dem Zielort wieder ein wenig heruntergeholt wurde. Ich lernte eine Holländische Läuferin kennen, die bereits einige dieser Läufe hinter sich hatte und sich für 2009 den Transeurope Lauf von Italien nach Norwegen über geschätzte 4500km in ca. 2 Monaten ausgeguckt hat.
Ich hatte mich ja auch schon mal für Etappenläufe interessiert, aber eher von 3-10 Tagen und nicht gleich über 60. Soll nochmal jemand sagen, das ich verrückt bin. :zwinker2:
Gegen 12:30 Uhr waren wir also da und hatten noch bis 15 Uhr (Startzeit) um die Startunterlagen abzuholen, die Campingzone zu suchen, um beim Lauf möglichst stressfrei sich umziehen zu können, bzw. evtl. etwas zu schlafen. Danach holte ich meine Kamera raus und spazierte den kleinen (2,102km) Rundkurs ab, machte Bilder von der Strecke und sah teils professionellen Betreuern beim Aufbau der Eigenverpflegung zu. Meine Reserve sah eigentlich nur diverse Gels und Riegel vor, falls ich die offizielle Verpflegung irgendwann nicht mehr sehen konnte. Aber dazu später mehr. :nick:
Insgesamt sah die gesamte Veranstaltung einen Marathon, einen 6-Stundenlauf und einen 24-Stundenlauf vor. Der Marathon startete genau 5 Minuten vor den 24-Stundenläufern. Die 6-Stundenläufer sollten gemeinsam mit den 24-Stundenläufern finishen, also starteten sie am 03. Mai um 9 Uhr. Eigentlich eine gute Idee, das beim Start ein größeres Teilnehmerfeld unterwegs war und zum Ende hin nochmals frische Läufe hinzukamen. Eigentlich, denn das hieß auch 2 Probleme für mich!!!! Erstens, durfte ich mich keinem Marathonläufer an die Fersen klemmen, also die Kappe tief ins Gesicht ziehen, den Blick nch unten und langsame 24-Std.-Beine als Tempomacher suchen, und zweitens, die frischen 6-Stundenläufer überhaupt nicht beachten, während ich hier bereits 18-Stunden unterwegs wäre. Wäre, wohlgemerkt. :teufel: Aber um das vorwegzunehmen, ich bin ins Ziel gekommen. :nick: Den Start der Marathonläufer habe ich auch kurz in Bildern festgehalten, um dann schnell die Kamera zu verstauen und 5 Minuten später selbst an der Startlinie einer überschaubaren Zahl von ca. 42 Startern zu stehen. Endlich mal wieder eine Gruppe, wo ich wieder zu den jüngeren gehörte, denn das Teilnehmerfeld bewegte sich am W/M40 aufwärts. Nichts ungewöhnliches, denn nicht selten werden die Siegerlisten von 45 oder 50jährigen angeführt. Somit hätte ich also noch Potenzial und vor allen Dingen Zeit. :hihi:
Der Startschuss fiel und so langsam trottete das Feld los, zumindest schien es so, denn bereits nach 200-300 Metern zog sich das kleine Feld auseinander. Wie sollte ich mich verhalten, welchen Anfangstrott sollte ich mitgehen?!? Ich entschied mich für 2 Frauen, die einen geschätzten 7-7,5 Minutenschnitt liefen. Meine anfänglichen Pacemaker hatte ich also gefunden, so dachte ich es vorerst. Allerdings nach einer geschätzten Stunde und 4 gelaufenen Runden änderte sich mein Gefühl. Ich nahm nach jeder Runde die Möglichkeit der Verpflegung war, was äusserst praktisch war, denn kurz hinter den Zeitmessmatten gab es Getränke (Wasser, Iso, Tee, Cola) und Nahrung (Kekse, Kuchen, Muffins, Bananen, Apfelsinen und Rosinen) und eine große Anzeigetafel, die sofort den Läufer registrierte und mit Startnummer, Rundenanzahl, Rundenzeit und Anfangsbuchstaben des Namens anzeigte. Ein kurze Verweildauer lohnte sich also, alleine schon deswegen, weil die beiden Cracks sich lange ein Kopf an Kopf Rennen lieferten und in einer (für mich) anderen Welt liefen. So mischte sich das Feld mehr und mehr, da einige sich selbst verpflegten und im Ziel weiterliefen und andere die Verpflegung im Ziel nutzten. So verlor ich auch die beiden Frauen aus den Augen und lief mein eigenes Rennen, den Rhythmus hatte ich mittlerweile gefunden. Die ersten 20 Runden (40km) lief ich zwischen 13:45 und 14:55 Minuten, die Runden 21-40 zwischen 15 und 20 Minuten. Die ersten 12-Stunden wollte ich durchlaufen und mein bisher bestes Ergebnis bei einem 12-Stundenlauf bestätigen. Es klappte, ich fühlte mich gut, hatte mit mehr als 92,5 km mein bisheriges Resultat um 2,5km gesteigert und beschloss daher in der 44. Runde einen Abstecher zu meinem Schlafsack zu machen und irgendwie mal 2 oder 3 Stunden zu schlafen. Es war kurz nach 3 Uhr nachts und frisch, aber ruhig, dennoch war an Schlaf nicht zu denken, zu unruhig war der Körper durch die letzten Stunden. Mehr als ein Dösen war nicht drin, zudem fror ich dann doch etwas. Nach einer gefühlten Ewigkeit, letztendlich waren es nur knappe 2 Stunden und 15 Minuten Ruhe schälte ich mich wieder aus dem Schlafsack. Wie würde es jetzt weitergehen?!? Wäre ich überhaupt in der Lage, jetzt einen Fuß vor den anderen zu setzen und dann noch im Laufstil?!? Ich zog mir eine neue Laufjacke an, holte die Handschuhe!!!! :daumen: heraus und machte mich langsam wieder auf die Strecke. Die Muskeln waren kalt, ich zitterte etwas, aber gleich kam ja der Zielbereich, die 44. Runde war nach über 2 Std. 39 Min incl. Dösens geschafft und zum neuen Verpflegungsangebot gesellte sich jetzt die Suppe, um einerseits zu wärmen und andererseits den Salzhaushalt wieder etwas gerade zu rücken. Ich nahm direkt 2 Becher, die heisse Suppe wirkte sofort. Langsam verflog die innere Kälte und die Zuversicht kehrte zurück. Jetzt konnte als Teil 2 meines Ziels losgehen und nicht nur dieses lange Rennen zu finishen, sondern möglichst auch die avisierten 150km zu erreichen, schließlich wollte ich durch meine Spendenaktion auch etwas lostreten. Langsam wurde es wieder etwas heller, meine Caplight brauchte ich nicht mehr und die wunderbare Idee des Veranstalters, unbeleuchtete Teile des Rundkurses mit Teelichtern in eine gewisse Atmosphäre zu verwandeln war einfach klasse. Ich hoffe, das die Bilder von meiner Kamera das ein wenig rüberbringen werden. Die Vögel wurden langsam wach, es zwitschere überall, die Enten und Schwäne trauten sich mehr und mehr an den Weg, jetzt punktete die Idylle mit allem, was sie hatte, Nebel erhob sich vom kleinen Bach, erste Sonnenstrahlen glänzten im Feld, was für ein herrlicher Tagesbeginn. Es war immer noch ruhig entlang der Häuser, an den wie vorbeiliefen. Langsam wurde es wieder wärmer, die Handschuhe waren nicht mehr nötig, auch die Jack wurde zu warm. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich mich zum 3. Mal umzog und dabei feststellte, das die Tasche genau richtig gepackt war, einzig die 2. Laufjacke wäre nicht nötig gewesen, denn bis auf einen sehr kurzen Schauer gab es keinen Regen.
Die ersten 6 Stundenläufer kamen, gleich würden sie mit uns die letzten Stunden laufen. Ich konnte es selbst noch nicht begreifen, war ich doch schon seit 18 Stunden unterwegs. Langsam spürte ich, das meine Grenzen kommen würden, die Rundenzeiten wurden langsamer und waren teils zwischen 18 + 25 Minuten. Die 6-Stundenläufer waren zwischenzeitlich gestartet und zogen ihre schnellen Kreise. Ich kam mir vor, als würde ich auf der Stelle treten. Nur unsere beiden Kopf-an-Kopf 24-Stundenläufer sahen so aus, als könnten sie ansatzweise dieses Tempo mitgehen können, obwohl sie eigentlich schon viel länger unterwegs waren. Hatten die irgendwo einen Motor in den Beinen oder im Hintern?!? :D
Mein Ziel rückte näher, rechnerisch konnte ich die angepeilten 150km noch erreichen, die Zwischenzeiten würden reichen, auch wenn ich noch langsamer werden würde. Mittlerweile war es so warm, das ich wieder eine kurze Tight sowie das ärmellose Laufshirt anzog. Obwohl es zunehmend anstrengend wurde, verflog die Zeit nur so. Inzwischen war die letzte Stunde angebrochen, ich hatte 68 Runden erreicht und wollte auf jeden Fall die 70 Runden voll machen. Ungläubig stand ich vor der Anzeigetafel und sah dort, das die beiden führenden Läufer über 100 Runden hatten!!!!! Meine 69 Runde brach an und ich entschied mich, in der 70 Runde kurz an der Campingzone anzuhalten, meine Kamera erneut hervor zu holen und dann im Ziel Bilder von den anderen Läufern zu machen. Theoretisch hätte ich im Ziel noch ca. 20 Minuten Zeit gehabt um eine weitere Runde zu laufen. Ich entschloss mich jedoch die Atmosphäre noch einmal richtig zu genießen. Denn nach Ablauf von solchen Stundenläufen ertönt ein Schuss, der für jeden Läufer bedeutet, das sie/er auf dem Punkt stehen bleiben muss, wo man gerade ist um die restlichen Meter mit einem offiziellen Messwagen zu ermitteln. Das kann durchaus noch mal richtig anstrengend werden, bis jeder Läufer registriert und die Restmeter ausgemessen wurden. Dies wollte ich mir nicht antun und wartete unmittelbar nach dem Ziel als einer der ersten auf die Messung. :zwinker2: Ich war mit meinem Endresultat von 147,164km in 24 Stunden mehr als zufrieden. Von 30 gestarteten Männern aus Holland, Belgien und Deutschland, bin ich 14. geworden. Glücklich, es als Finisher geschafft zu haben, glücklich nicht letzter geworden zu sein, aber das Beste war meine Konsequenz nach jeder Runde die Verpflegung aufgesucht zu haben. So gab es keinen Hungerast und keine Krämpfe und der Muskelkater hält sich auch in Grenzen. :zwinker2:
Nach diesem tollen Erlebnis weiß ich, das ich im Juni die 100km in 12-Stunden knacken kann.

Übrigens ist das Kopf-an-Kopf Rennen zwischen einem Belgier und einem Holländer mit 115 zu 108 Runden für den Gast aus Belgien ausgegangen. Mehr als 230km in 24 Stunden!!!!!!!
Meine Kappe habe ich ersatzweise für den Hut vor ihnen gezogen, genauso wie vor der besten Frau, die 97 Runden geschafft hat.

(Bilder gibt es später auf der HP)

Grüße
Michael
2014: RBW; Bonn; JUNUT; TTdR; PTL -> "La mission GeMiNi"; SUT100;

www.kleiner-kobolt.de
www.wibolt.de NEU!!

Finish: 68x M., davon 28x Ultra-M.
Jenseits des Marathon gewinnt die mentale Fitness an Bedeutung.

2
Herzlichen Glückwunsch zu 24 Stunden und 147 km! :daumen:
Mir persönlich wär' das von der Zeit her zwar zu lang, aber es nötigt mir Respekt ab, wenn das jemand auf sich nimmt.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

3
:daumen:

Wahnsinn.
Ich gratuliere dir auch für diese Leistung!
Und vielen Dank für deinen Bericht, ist immer sehr interessant über solch Leistungen zu lesen.
Hatte schon mit dem Gedanken gespielt, nachdem ich bei der Laufsport-Liga von deiner Leistung gelesen hatte, einen Bericht einzufordern.

Beste Grüße
Björn (der heute noch seine PB im Halbmarathon verbessern möchte)
Wer nicht läuft, ist selbst dran schuld!! :daumen:

Bild
Bild


Bild

4
Danke für den ausführlichen Bericht und
Glückwunsch zum 24-Stundenlauf -
auch wenn die angepeilten 150km knapp nicht erreicht wurden.

Es gibt immer wieder eine Chance! :daumen:

5
Auch ich möchte Dir zum Lauf gratulieren und für den Bericht danken, klingt schon auch mal erstrebenswert...
Mein Laufblog

7
@all Danke für die Glückwünsche!!!!!!
Lauflöwe hat geschrieben:
Man sieht sich in Brühl...

:hallo: Stefan
Noch 39 Tage. ;-))))) Brühl wird klasse!!!
ultrafun hat geschrieben:Danke für den ausführlichen Bericht und
Glückwunsch zum 24-Stundenlauf -
auch wenn die angepeilten 150km knapp nicht erreicht wurden.

Es gibt immer wieder eine Chance! :daumen:
Bei so einem langen Lauf gehen einem ja 1000 Gedanken durch den Kopf, unter anderem auch die mehrfache Sinnfrage, "warum ich mir das eigentlich antue". :teufel: :hihi:

Auf der Heimreise sah das aber schon wieder ganz anders aus.
Es gibt halt Wettbewerbe, die man unbedingt ein zweites Mal erlebt haben muss.
Nicht nur Biel wartet jetzt noch einmal auf mich, sondern auch ein erneuter 24-Stundenlauf.

Alleine schon wegen der Zielmarke 150km. :zwinker2:

Grüße
Michael
2014: RBW; Bonn; JUNUT; TTdR; PTL -> "La mission GeMiNi"; SUT100;

www.kleiner-kobolt.de
www.wibolt.de NEU!!

Finish: 68x M., davon 28x Ultra-M.
Jenseits des Marathon gewinnt die mentale Fitness an Bedeutung.

8
KRASS :geil: suuuuper Bericht und Gratulation zu der Leistung :daumen: :daumen:

Aber dieser Trans-European-Lauf hört sich ja mal fies an, werd' ich gleich ma Tante Google fragen ... "normale" Etappen-Läufe sind ja meist schon heftig, aber nen Lauf über so lange Zeit :zwinker2:
31/12/2007 Neujahrsmarathon Zürich (Mitternacht) - 3:45:08
13/04/2008 St.Wendel Marathon - abgeschissen :nene:
24/05/2008 Marathon du Mont St. Michel - 4:11:23
22/06/2008 Marathon des vignobles d'Alsace
... danach? schaun mer mal ;)
Gesperrt

Zurück zu „Foren-Archiv“