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Erster Abendlauf - erster 10 Meilen Lauf - erster Kremser Sonnwendlauf

Erster Abendlauf - erster 10 Meilen Lauf - erster Kremser Sonnwendlauf

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Es ist Abends 20:45. Gerade wurde das Viertelfinal-Spiel Portugal : Deutschland angepfiffen. Und ich sitze nicht vor dem Fernseher! Nein, ich stehe mit genau 362 anderen Bekloppten irgendwo auf der Kremser Bundesstraße in der Dämmerung und warte auf den Startschuss :tocktock: .

Der fällt nicht. Denn anstatt eines Startschuss gibt es ein einfaches „3-2-1-LOOOOOOS“. Und schon geht es los. Über ungewöhnliche 10 Meilen (=16 kommairgendwas km). Vorbei an prächtig gedeihende Weinstöcke, einer Handvoll Zuschauer und immer an der Donau entlang.

Ich fühl mich gut, obwohl ich erst vor 10 Tagen einen HM gelaufen bin. In meiner Leistungsklasse ist das ziemlich heftig. Dementsprechend spüre ich auch nach ca. 3km, dass ich wahrscheinlich zuwenig Kraftstoff in mir habe. Na egal, dann wird es halt keine tolle Zeit, sonder nur ein toller Lauf.

Rasch finde ich mein Tempo, das sich doch eher flott anfühlt. Und auch schnell ist eine Läufertruppe gefunden, die mein Tempo (oder ein bisschen schneller) rennt.

Zuerst ist es ein Pärchen, er kahlköpfig und recht muskulös, sie grazil und leichtfüßig. Wir laufen einmal nebeneinander, einmal hintereinander, aber nie weiter als zwei Schrittlängen entfernt. Mit der Zeit stellt sich irgendwie raus, dass er eine lokale Berühmtheit sein muss (Wirt???). Die wenigen Zuschauer die es gibt, dürften alle in seinem Fanclub sein, sogar der Streckenposten, der auf dem Motorrad vorbeifährt, grüßt :hallo: .

Zu unserem kleinen Trio gesellen sich nach ca. 4km die Drei Musketiere. Jedenfalls nenne ich so die Jungs, die alle wie ehemalige Fußballer ausschauen (seltsame Lauftechnik, aber unglaublich schnell). In diesem Grüppchen geht es durch die hereinbrechende Nacht. Für mich ist es der erste Abendlauf und ich finde es einfach genial.

KM 6, hier ist der Startbogen des 10km Laufes. In Gedanken mach ich einen Scherz (Was, sind wir schon da :hihi: ), sag aber nix, sondern genieße die Ruhe und spar mir den Atem. Denn ich habe das Gefühl, den brauch ich noch. Zwei jugendliche Streckenposten lümmeln auf ihren Sesseln. Um sie herum schaut es aus, wie auf einem Schlachtfeld. Überall liegen Trinkflaschen, Taschen, sogar T-Shirts und Handtücher der 10km-Starter. Das muss nicht sein, ich ärgere mich ein bisschen :sauer: .

Auf einmal zieht das Läufer-Päarchen etwas das Tempo an. Zuerst versuche ich mitzuhalten, doch dann falle ich wieder in meinen Gleichschritt zurück. Ich weiß, ein schnelleres Tempo kann ich nicht lange halten und würde sich sicher rächen. Vielleicht hatten die beiden die gleichen Gedanken, denn sie werden wieder langsamer und fallen jetzt sogar zurück. So blieben nur noch die drei Musketiere und ich über. Mit der Zeit verschärfen sie aber das Tempo leicht und wie in Zeitlupe entfernten sie sich langsam von mir.

Jetzt kommt ein toller Abschnitt: der Tunnel! Ca. 300 m lang ist die Betonröhre durch die wir jetzt durchlaufen. Die drei Jungs sind ca. 20 Meter vor mir und machen akustische Experimente (Uhhhhhhhhhaaaaaaaaa – man klingt das super!). Es ist ein ganz eigenes Feeling praktisch alleine durch so einen Tunnel zu laufen. Er ist ganz gerade, es geht leicht bergauf. Nach ein paar Minuten spuckt uns der Tunnel wieder aus und die Nacht empfängt uns.

Da – ein weiteres KM Schild. Ich hoffe, dass schon Halbzeit ist. Nicht im Fußball, sondern hier auf der Strecke. „Gib mir die 8“ denke ich und zitiere gleichzeitig U_D_O. Aber was da auf dem Schild steht ist keine 8. Sondern eine 6. :confused: Irgendwie sind mir 2km abhanden gekommen. Ich freu mich, das gibt mir neuen Auftrieb, hatte ich nötig.
Inzwischen ist es fast dunkel geworden. Die Donau glitzert in den letzten Sonnenstrahlen, die Weinberge zeichnen sich gegen den Abendhimmel ab. In der Ferne leuchtet die Stadt Krems golden und verheißungsvoll.

Ich laufe jetzt alleine, die Jungs sind in der Nacht enteilt. Etwa 200m entfernt erkenne ich eine Läufergestalt. Um genau zu sein, sehe ich sie nicht, sondern höre sie vielmehr. Die junge Dame hat einen schweren Schritt, es hört sich an, als ob sie mit aller Kraft Fußstapfen im Beton hinterlassen will. Ich schließe zu ihr auf und grüße. „Gott sei dank, ich dachte schon, ich hätte mich verlaufen“ meint meine Laufabschnittspartnerin. Ich hätte nichts dagegen auf den letzten km in Begleitung zu laufen, aber ihr unrhythmischer Schritt macht mich nervös. Ich habe das Gefühl, mein Körper versucht sich ihrem Takt anzugleichen, scheitert aber in Ermangelung eines erkennbaren Rhythmus. Deshalb bin ich nur wenig enttäuscht, als auch sie immer schneller wird und mir wieder entwischt.

Inzwischen sind es nur mehr 2km bis ins Ziel. Ich freu mich, denn ich glaube nicht, dass ich das Tempo noch länger laufen kann. Trotzt der Abendkühle bin ich nass geschwitzt, trinke bei jeder Labestation brav meinen Becher Wasser. Auf einmal höre ich helle Frauenstimmen und Trommeln. Was ist das? Vor dem örtlichen Frauenhaus haben sich ein paar Damen leicht-bekleidet postiert und feuern die müden Läufer an. Die Situation erinnert unweigerlich an die Geschichte der Sirenen, die mit ihrem Gesang die Seefahrer in die Irre geführt haben.

Noch 1km. Ich kann nicht mehr, vor allem kann ich nicht mehr schneller. Von hinten kommen jetzt 2-3 Läufer wie aus dem Nichts und überholen. Ich ärgere mich, warum ich keine Kraft mehr zum Endspurt habe :geil: . Wenigstens ein weiterer Läufer hat den Anstand und ist noch langsamer als ich, indem er geht.

Da, da ist das Ziel! Ein beleuchteter Zielbogen (sehr schön) kündigt mir das nahende Ende an. Obwohl eh keiner mehr auf der Tribüne im Zielbereich sitzt (die sind jetzt alle vor der großen Videoleinwand und geben sich die letzten Minuten des Fußballspiels), lass ich mich nicht lumpen und sprinte die letzten 30m.

Und wieder hat mich mein Gefühl getäuscht. Gefühlt war ich mit einem 6:20 Schnitt unterwegs, in Wirklichkeit waren es 6:04 (die ersten 6km lagen sogar bei 5:55)! Nach 01:37:29 bin ich als 336 im Ziel und freu mich, als ob ich gerade das Halbfinale bei der EM erreicht hätte :bounce: !

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Hey :hallo: !

Danke für den netten Bericht und Gratulation zum tollen Lauf! Schöne Leistung!


Und danke auch für ein tolles neues Wort: "Laufabschnittsgefährtin"... :hihi:

Lieben Gruß und weiter so

nachtzeche
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

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MP3 hat geschrieben:Es ist Abends 20:45. Gerade wurde das Viertelfinal-Spiel Portugal : Deutschland angepfiffen. Und ich sitze nicht vor dem Fernseher! Nein, ich stehe
und das seit über einer Stunde. So früh war ich noch nie vor dem Start bei einem Lauf. Immerhin gab es genügend WC.
Der fällt nicht. Denn anstatt eines Startschuss gibt es ein einfaches „3-2-1-LOOOOOOS“.
und zwar gefühlte 5 Sekunden nachdem der Moderator gesagt hat "in 30 Sekunden geht es los".
Er ist ganz gerade, es geht leicht bergauf. Nach ein paar Minuten spuckt uns der Tunnel wieder aus und die Nacht empfängt uns.
und es geht auch wieder bergab - so wie den größten Teil der Strecke. Ich bin sicher, daß das Höhenprofil eine in Summe negative Steigung ausweist, daher müssen wir unsere Zeiten mit dieser Fußnote versehen, denn ich bin auch weit schneller als je zuvor gelaufen: meine Zeit von 6-16km ist um 4 min schneller als meine bisherige 10km-Bestzeit. Das kann nur mit dem leichten, aber doch vorhandenen Gefälle erklärt werden.
Vor dem örtlichen Frauenhaus haben sich ein paar Damen leicht-bekleidet postiert und feuern die müden Läufer an
dass da in dieser "Erotic Bar" oder wie das Etablissement geheißen hat, viele Frauen drin sind, glaube ich auch, aber das als "Frauenhaus" zu bezeichnen, wäre irreführend ;)
Und wieder hat mich mein Gefühl getäuscht. Gefühlt war ich mit einem 6:20 Schnitt unterwegs, in Wirklichkeit waren es 6:04 (die ersten 6km lagen sogar bei 5:55)
gratuliere. Auch wenn das Gefälle geholfen hat, so waren dagegen die Temperaturen ein Nachteil, von den Mückenschwärmen nicht zu reden, mir ist jedenfalls so einiges Getier in den Mund geflogen, was dem Atemrhytmus nicht gerade förderlich war.

Hier noch der selbst gemessene Streckenplan: .pdf - von der Donau habe ich aber weniger gesehen als es auf der Karte den Anschein hat.

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dass da in dieser "Erotic Bar" oder wie das Etablissement geheißen hat, viele Frauen drin sind, glaube ich auch, aber das als "Frauenhaus" zu bezeichnen, wäre irreführend ;)
Upps, wollte eigentlich "Freudenhaus" schreiben :peinlich:
Ich bin sicher, daß das Höhenprofil eine in Summe negative Steigung ausweist
Ja, bin ich mir auch sicher. Da hat man es so richtig schön rollen lassen können. Nachdem ich aber nie in Gefahr war, einen Weltrekord zu laufen, pfeiff ich auf den zulässigen Höhenunterschied und ich freu mich einfach nur über die Zeit.

War echt toll und ist auch schon in meinen Jahrsplan 2009 aufgenommen.
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