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Von Peking nach Koberstädt

Von Peking nach Koberstädt

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30. Koberstädter Waldmarathon
24. August 2008

Peking und Egelsbach haben zumindest eines gemeinsam: am letzten Sonntag war Marathon. Ob überhaupt - und wenn ja, wie oft - in der chinesischen Metropole schon ein Rennen über die „klassische Distanz“ ausgetragen wurde, weiß ich nicht. Im hessischen Städtchen Egelsbach jedenfalls war es das 30. Mal, immerhin.

Samuel Wanjiru jedenfalls ist seit ziemlich genau zweieinhalb Stunden im Ziel, als wir mit leichter Verzögerung schon wieder aus den Federn kriechen. Mist, keine Zeit mehr für Frühstück, wir müssen los. Nach kurzer Unterbrechung durch Freunde und Helfer (nein, wir haben nichts getrunken) geht es auf die Autobahn. Die A5 zeigt sich sonntagmorgens vor sieben ganz ungewohnt friedlich und so braucht's nur eine Stunde von der Bettkante bis zur Ausfahrt „Langen-Mörfelden“.

Als Ortsunkundige umkreisen wir die Sportanlage erst im Auto, dann zu Fuß, bis das Einflugloch gefunden ist. Startnummern, Klogang und Umziehen gehen flott vonstatten, auch ein Beutel wird flugs deponiert – kürzeste Wege, sehr freundliche Helfer und ein nettes kleines Stadion machen’s möglich.

So steht man schließlich frisch und munter, voll Tatendrang aber maximal entspannt am Start. Es ist noch frisch und so startet man gerne zügig. Bei 192 Startern gibt es kein großes Gedrängel – sehr angenehm – man kann sich leicht an der passenden Stelle einreihen. Nach dreimal rechts und dreimal links ist der Ortsrand schnell erreicht. Ein paar Gärten huschen vorbei, ein paar Zuschauer klatschen (wacker, sonntagmorgens um acht!), dann kommt auch schon der Waldrand. Bei Kilometer drei biegen wir auf den Rundkurs ein.

Der „Rundkurs“ durch das Waldgebiet „Koberstadt“ (ah ja) besteht zwar überwiegend aus Geraden und rechten Winkeln, trotzdem wird es nicht langweilig. Die Halbstreckler laufen die Schleife einmal (Start: 10 Uhr), wir dürfen noch mal und weil beim zweiten Mal der Anlauf fehlt, gibt’s in der ersten Runde noch zwei Abstecher – alles offiziell vermessen und gebongt versteht sich.

Hat mich Wanjiru mit seinem Höllentempo heut’ früh inspiriert oder ist es nur das ideale Wetter und die passenden Mitstreiter als „Pacemaker“? Ich weiß es nicht. Die Laune steigt und mit ihr das Tempo. Die perfekte Ausschilderung der Kilometer lässt keinen Zweifel aufkommen: ich bin, sagen wir, optimistisch unterwegs.

Trotzdem reicht's noch für 'nen kurzen Schwatz am Rande und ein bisschen Winken für die freundlichen paar Leute am Wegesrand. Nach dem ersten Drittel hab ich dann viel Ellbogenfreiheit und die Helfer an den Verpflegungsstellen können sich bald ganz auf meine Bedürfnisse konzentrieren (Wasser, mit und ohne Blubber, Iso, Pepsi, Bananen, Schwämme). Glücklicherweise hab ich immer jemand in Sichtweite vor mir. Irgendwie steckt in uns ja doch noch der Jagdinstinkt.

Es wird nur langsam wärmer, die Sonne steigt, Wind ist kein Thema hier im Wald und die Steigungen und Gefälle halten sich in Grenzen. Die asphaltierten Abschnitte sind relativ kurz, ich finde sie eher angenehm und nutze sie für kleine Tempoeskapaden. Kurz: die Bedingungen bleiben sehr angenehm. Immer wieder öffnet sich das Gehölze auf sonnige Wiesen und Lichtungen. Schön!

Die „zähen Kilometer“ melden sich pünktlich bei KM 34. Was soll’s, wird der „Split“ halt ein bisschen positiv, jetzt nur nicht dogmatisch werden. Bald geht’s wieder, eine leichtes Gefälle hilft zu neuer (relativer) Leichtigkeit und so geht es schon bald auf die 40 zu. Sieht gar nicht schlecht aus. Als ich meinen letzten „Zugläufer“ überhole, fragt der noch wie alt ich bin. M45. „Das gibt’n Treppchenplatz.“ Der Mann weiß, wie man Ehrgeizige anstachelt.

Ich glaub’s nicht recht und häng’ mich an den Nächsten. Leider ereilt mich auf den letzten beiden Kilometern noch ein blödes Seitenstechen und ich muss etwas Tempo rausnehmen. Was soll’s, den vor mir krieg ich eh nicht mehr und sicher ist der auch nicht meine Altersklasse. Kaum gedacht, saust auch schon was ziemlich Schnelles an mir vorbei.

Ich biege ins Stadion ein und bekomme gerade noch die Moderation zum Zieleinlauf des Halbmarathon-Siegers mit. Aha, das waren die beiden schnellen Hirsche - beide noch unter 1:10 und jetzt Hessenmeister und Vize. Bin echt beeindruckt. Meinerseits komm’ ich ein wenig verhaltener über die Linie, aber super zufrieden. Da ist gut lachen: neue PB 3:10:23. Hätt’ ich heut’ morgen nicht gedacht!

Mein Motivator kommt gleich hinterher und bedankt sich auch noch bei mir. Nee, nicht fürs Überholen, fürs Ziehen hinten raus. Den Dank kann ich doppelt zurückgeben, schließlich war ich die meiste Zeit der Gezogene. Wir plauschen noch ein bisschen und warten auf die jeweilige Angetraute. Irgendwie will ich jetzt aber doch wissen, wie die ersten M45er so eingelaufen sind. Die ausgehängte Liste bringen es an den Tag. Natürlich bin ich 4. und der Typ direkt vor mir auch ein M45er. Irgendwie sah der von hinten jünger aus :)

Auch mein geliebtes Eheweib kommt strahlend ins Ziel. Deutlich unter zwei Stunden sind auch bei ihr neue PB. So ziehen wir schließlich zufrieden von dannen mit dem Entschluss: Egelsbach, wir kommen wieder.
Bei Tee und Kuchen vor der Glotze gönnen wir uns noch die Schlussfeier von Peking. Ist ok soweit, aber doch nicht ganz so schön wie Marathon in Egelsbach :)

Grüße an alle gewesenen, aktuellen und potenziellen "Koberstädter"
Wolfgang

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Lustig - ich habe das gleiche Programm gemacht: um 3 Uhr aufstehen, Samuel Wanjiru gucken und dann um 5 Uhr ins Auto springen und selber Marathon laufen.
Das war eine richtig schöne Veranstaltung - fast schon ein Geheimtip.

Andreas

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Hallo Andreas
Es gibt also noch andere "Verrückte" :D
Am Sonntag hatte ich den Eindruck, kein Schwein interessierte sich für den olympischen Marathon.

Egelsbach ist natürlich seit "Laufen mit Frau Schmidt" weltberühmt :daumen: :zwinker2: :daumen:

Gruß
Wolfgang

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Hallo Wolfgang,

danke für den schönen Bericht. Dieses Jahr hat der "Koberstädter" nicht in meine Jahresplanung gepasst. Aber für nächstes Jahr ist er schon mal vorgemerkt. Allerdings nur der halbe. Da sind wohl ein paar mehr laufenderweise unterwegs, wie man bei Frau Schmitt erfahren kann.
Und: :daumen: Gratulation zur PB!! :daumen:

Gruß, Töffes

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Rennrum hat geschrieben: Natürlich bin ich 4. und der Typ direkt vor mir auch ein M45er. Irgendwie sah der von hinten jünger aus
Ich kann das, gerade im Wettkampf, auch immer ganz schlecht einschätzen. Ich habe mich schon voll auf einen "Konkurrenten" eingestellt, der mir ebenfalls in der M55 zu laufen schien und der sich später als M45 entpuppte, während der vermeintlich deutlich Jüngere, den ich nicht beachtet habe, in meiner Altersklasse lief.

Aber Glückwunsch zur neuen Bestzeit, und schön geschrieben ist es auch! :daumen:

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Koberstädt ist jetzt auch auf meiner Läufe-in-der-Nachbarschaft-die-ich-auch-mal-laufen-will-Liste drauf. Danke für den Bericht! Glückwunsch zur PB und schade, dass es für Dich doch nicht aufs Treppchen gereicht hat!
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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Hallo zusammen,
danke für die netten Kommentare.
Gruss
Wolfgang
Gesperrt

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