Samstagmorgen. Temperaturen für Weicheier, -3°C warm. Habe gestern meine Vormarathonpizza mit Mann und Kind geteilt. Das dazu passende Bier dann nur noch mit Mann. Kind will in den Kindergarten. Papa stopft Kind in den Babyjogger, täuscht Kindergartenfahrt an und wandert 3 Stunden ziellos durchs Viertel. Habe meine sieben Sachen gepackt, entgegen meiner Gewohnheit aber noch zivile Klamotten an. Ist ja noch Zeit. Navi meint, es sind 9 Kilometer bis zum Start. Indernett faselt was von 15 Kilometern. Egal, ist ja noch Zeit. Gönne mir die Sitzheizung. Friere nicht am Hintern. Techno dröhnt, Auto vibriert. Sehe im Augenwinkel ein Schild: die Brücke ist gesperrt. Mist, aber ist ja noch Zeit. Fahre an der Spree entlang und suche die nächste Brücke. Werde etwas nervös. Bin endlich am anderen Ufer und rase Richtung Plänterwald. Heute ist der Tag der toten Ente, der hungrigen Rehe und des deprimierten Graureihers. Heute ist Teammarathon im Plänterwald.
Jörg-Egon hat einen Plan. Steffi-Benni plöppt virtuell die Bierflaschen auf. Kai-Kjeld wurde von Yvonne auf Diät gesetzt und hat 71,625 Kilo abgenommen. Nur zögerlich erklärt er sich bereit, bei dem Plan mitzumachen. Es ist alles geplant bis ins letzte Detail. Wir brauchen ein 10 Zentimeter langes Stück Bindfaden, eine Din-A4-große Plastiktüte von real,- , einen Gelfrosch, ein in der Waschmaschine gewaschenes Isostar-Gel, zwei Papiertaschentücher, fünf Gramm Salz und einen Buff. Kai-Kjeld fragt zögerlich, was denn bei dem Coup herausspringe. Es geht um nichts weniger als Ehre, Teamgeist und ein brilliantes Duschbad, sagt Jörg-Egon. Mächtig gewaltig, findet Steffi-Benni.
Beginn der Aktion ist punkt 11 Uhr. Steffi-Benni hat einen Fluchtwagen organisiert und in der Baumschulenstraße geparkt. Der Tank ist halb leer. Jörg-Egon schimpft mit Steffi-Benni, weil nur noch 10 Minuten Zeit bis zum Beginn der Aktion sind. Kai-Kjeld ißt noch eine Kleinigkeit. Um 10.55 Uhr gibt Kommissar Roland W. Jensen seinen Abschied aus dem aktiven Dienst bekannt. Jörg-Egon, Steffi-Benni und Kai-Kjeld mischen sich unauffällig unter die Läufergemeinde. Vorher wird die Plastiktüte mit dem gewaschenen Isostar-Gel mit dem 10 Zentimeter langen Bindfaden an einem Baum fixiert. Exakt um 11 Uhr fällt der erste Schuß.
Sofort löst sich das Läuferfeld auf. Jörg-Egon, Steffi-Benni und Kai-Kjeld folgen ihren Vorläufern unauffällig. Exakt um 11.10 Uhr erreichen sie das Spreeufer. Der Weg ist spiegelglatt. Eine hauchdünne, handtuchbreite Spur aus Streukies läßt den halbherzigen Versuch erahnen, ihrer Aktion Steine in den Weg zu legen. Kai-Kjeld bringt die Kuh vom Eis und bahnt sich einen Weg am äußersten Wegesrand, während Jörg-Egon unbeirrt den Mittelweg nimmt und Steffi-Benni hinter Kai-Kjeld hinterhertänzelt. Für die eisschollenbedeckte Spree hat die Olsenbande kein Auge. Noch 8 mal werden sie diesen Weg nehmen müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
Um 11.20 Uhr werden sie von einem Streckenposten erkannt, der sich ihre Startnummer notiert. 10 Minuten später haben sie die rutschige Strecke durch den Wald absolviert und durchqueren um 11.30 Uhr das erste Mal das Ziel. Im folgenden Verlauf treffen sie wie geplant auf die Verpflegungsstation, wo Tee, Bananen, Kekse und Wasser bereitstehen. Um den Zeitplan nicht zu gefährden, lassen sie die Verpflegung rechts liegen. Selbst Kai-Kjeld wiedersteht der Versuchung. Wieder müssen sie auf die Eisbahn, die sie aber souverän und fluchend meistern. Noch liegen sie gut im Zeitplan, aber das Glatteis zerrt an den Nerven und Oberschenkelmuskeln. Exakt um 12.01 Uhr durchlaufen sie zum zweiten Mal das Ziel. Kurz darauf erreichen sie die Verpflegunsstation. Da kein Bier im Angebot ist, nehmen sie ersatzweise warmen Tee. Kai-Kjeld fällt etwas zurück und muß sich von den Keksen losreißen.
Eine Stunde und 10 Minuten nach Beginn ihrer Aktion werden sie von Bankdirektor Holm-Hansen und seinen Helfern eingeholt, die somit Jörg-Egons Plan durchkreuzen. Zusätzlich tauchen weitere zweibeinige Probleme am Horizont auf, die es elegant zu umschiffen gilt. Kai-Kjeld jammert leise vor sich hin, daß er das nicht schaffen wird und schon garnicht in diesem Tempo. Steffi-Benni schmerzt mächtig gewaltig der Hintern, den sie jetzt nur zu gerne in den Fluchtwagen schwingen würde. Jörg-Egon flucht leise vor sich hin: lausige Amateure, elende Weichwürste, lächerliche Hampelmänner. Aber die Olsenbande gibt nicht auf.
Um exakt 12.32 Uhr ist die dritte Etappe geschafft. Wieder werden die Reserven mit Bierersatz aufgefüllt. Das Wetter spielt mit und uns wird warm ums Herz. Das angetaute Spreeufer wirft uns um Minuten in unserem Plan zurück. Wir werden überrundet. Bang-Johansen, Jörg-Egons gemeiner Gegenspieler, dreht höhnisch eine Pirouette auf dem Eis, landet in Zeitlupe auf dem Hintern und zieht an uns vorbei. Auf dem Waldweg überholt uns Dynamit-Heike, die zu spät zum Start gekommen ist und jetzt ihr unvollständiges Team sucht. Um 13.04 Uhr ist die Hälfte geschafft. Jörg-Egon tauscht die Melone gegen den Buff und schiebt sich ein Stück Banane zwischen die Zähne. Steffi-Benni tänzelt nicht mehr übers Eis, findet den Plan aber immer noch mächtig gewaltig.
Ab der fünften Runde, die wir um exakt 13.36 Uhr absolviert haben, zieht Routine ein. Emotionslos lassen wir uns überrunden und jammern ein bißchen vor uns hin. Seit geraumer Zeit ist uns eine Kieler Bande auf den Fersen. Während einer von ihnen immer voraus und wieder zurück läuft, versucht ein anderer, Kai-Kjeld mit Small Talk mürbe zu machen. Aber Runde um Runde halten wir uns an unseren Plan. Steffi-Benni knurrt der Magen und jetzt kommt endlich das in der Waschmaschine gewaschene Isostar-Gel zum Einsatz, während Jörg-Egon und Kai-Kjeld ausgiebig die Taschentücher einsetzen.
In der siebenten Runde, die wir um 14.08 Uhr beginnen, stellen sich bei Steffi-Benni erste Zweifel ein, ob dieser Plan wirklich so genial ist. Hintern und Oberschenkel schmerzen mächtig. Eine gute Massage wäre jetzt nicht schlecht. Jörg-Egon bemerkt, daß Steffi-Benni schwächelt und schwächelt aus Solidarität ein bißchen mit. Das vorletzte Mal geht es aufs Eis. Kai-Kjeld läuft wie eine Maschine, will nur noch, daß alles bald vorbei ist. Jörg-Egon schaut immer wieder nervös auf die Uhr. Steffi-Benni sehnt die letzte Runde herbei, keine 5 Kilometer mehr, sondern nur noch die Hälfte.
Auf den letzten Metern ziehen wir nochmal an. Die Kieler Bande nutzt die Gunst der Stunde und setzt sich ab. Wir drei laufen nebeneinander um 15.25 Uhr ins Ziel. Der Coup ist mißglückt, die anderen schnappen uns das Duschbad vor der Nase weg. Kommissar Roland W. Jensen geht in den wohlverdienten Ruhestand und Kai-Kjeld mit Yvonne in die Oper. Während Jörg-Egon und Kai-Kjeld 2 Tage später wieder auf Staatskosten die Zeit totschlagen werden, hat Steffi-Benni noch 2 Wochen Bewährungsfrist, bevor sich der Staat um sie kümmert. Die nächste Chance wird sich vielleicht erst wieder in Leipzig bieten. Jörg-Egon hat schon einen Plan?!
Eiskunstlauf Teil 3 oder Die Olsenbande läuft Amok
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