Noch drei Wochen bis zum Rennsteig – und meine Nervosität steigt. Nicht nur die Strecke ist daran Schuld (die knapp 73 Kilometer traue ich mir mittlerweile zu), sondern vor allem auch die zu bewältigenden Höhenmeter. 1500 – diese Zahl prangt immer wieder über mir. Wie viel ist das? Wie fühlt sich das an? Ist mein Training dafür überhaupt ausreichend?
Und um diese Frage zu klären, habe ich mir eine Härteprobe verordnet – die Harzquerung. Drei Wochen vor dem Rennsteig, 51 Kilometer lang, und mit 1300 Höhenmetern hoch und wieder runter auch nicht ohne! Auf die Streckenlange gerechnet sogar mehr Höhenmeter als mich auf meinem Weg nach Schmiedefeld erwarten. Wenn ich das hier gut überstehe, sollte ich auch die nächsten drei Wochen ruhiger schlafen können.
Nicht nur die Höhenmeter, sondern auch die Art des Laufes ist neu für mich. ein Landschaftslauf, der kaum über Wege führt, die breiter als 3 Meter sind, quer (der Name sagt es) durch den Harz, von Wernigerode im Norden nach Nordhausen im Süden. (Witzig, oder??? ) Natur pur, kaum Zuschauer. Mal sehen, wie ich das verkrafte!
Der Termin lag für mich sowohl sehr günstig als auch sehr ungünstig: Samstag ist immer gut, am Sonntag hätte ich nicht laufen können, weil ich hätte arbeiten müssen. Allerdings sind wir in meiner Gemeinde gerade in der heißen Abschlussphase unseres Baus und da wurde ich schon schmerzlich vermisst. Zudem: Ich musste Freitag Abend noch bis 21 Uhr arbeiten, eine Anreise kam deshalb, und auch wegen des frühen Startzeitpunktes, nicht in Frage. Also: Um 3 Uhr aufgestanden ( ), 4 Uhr losgefahren, um Pünktlich da zu sein.
Und ihr könnt mir glauben, um diese Zeit sind die Straßen leer, man kommt gut durch. Und so war ich um kurz nach 6 kurz vor Wernigerode, die aufgehende Sonne im Rücken, die Hügel des Harzes türmten sich vor mir auf. Und hier wurde mir zum ersten Mal so richtig mulmig zu Mute. Da sollte ich hoch? Auf mehrere davon? Oh weia! Das kann ja heiter werden!
Mit diesem Gefühl in der Magengegend fand ich dann auch schnell die Turnhalle, die zum Orgabüro erkoren wurde. Und hier bestätigte sich mein Eindruck, den mir schon die Homepage der Veranstaltung vermittelt hatte: Alles sehr nett, familiär und urig. Die Turnhalle war richtig schön versifft (was nicht am Veranstalter oder den anderen Teilnehmern lag, sondern am Grundzustand!!!), Zettel für den Gepäcktransport wurden mit Wollfäden an die Taschen gebunden und die Tür zu dem Raum mit den Startnummern musste erstmal aufgebrochen werden, da der Hausmeister den Schlüssel mitgenommen hatte!
Da ich viel zu früh dran war, genehmigte ich mir in Werni noch einen kleinen Kaffee (mit dem netten Nebeneffekt sauberer Toiletten ohne Warteschlange!), zog mich dann um und schlenderte zum Start, der etwa 700 Meter von der Halle entfernt lag.
Der Startschuss traf mich, wie alle Mitläufer um mich herum, völlig aus der Kalten, hektisch noch den FR in Bewegung gesetzt und losgerannt. Nein, getrabt. Ne, gegangen. Denn mehr ging nicht. Leider etwa 3 Kilometer lang. Immer wieder ein Wechsel aus gehen, traben und laufen. Eigenes Tempo zu finden war unmöglich, man musste sich der Masse anpassen, was den kleinen, gewundenen Pfaden geschuldet war.
An dieser Stelle war ich echt genervt. Habe es fast schon bereut, hier zu laufen. Damit hatte ich echt nicht gerechnet. Eigentlich ist es echt idiotisch: Ich hatte keinen Stress, wollte mich bewusst nicht verausgaben, es als lockeren Testlauf sehen – und dann nervt mich so was derartig. Aber ab Km 4 ging es dann.
Die ersten 8 Kilometer sollten schon die Härteprobe für mich werden. Wenn ich auf der Straße von Elbingerode nach Drei Annen Hohne bin, habe ich die zweiheftigste Steigung des Laufes schon hinter mich gebracht. Was habe ich gezittert – und auf einmal war Km 8 da – und ich noch total locker. Klar, die Berge waren knackig, bin zwischendurch immer mal ein paar Meter gegangen – aber übermäßig schlimm fand ich es nicht. Leise Freude machte sich in mir breit, ich konnte den Lauf erheblich entspannter weiter angehen und träumte schon leise von einer Zeit von unter 5 Stunden (ich hatte mir 5:30 vorgenommen, aber wenn schon die Steigung so gut lief, am Ende geht es ja nur noch bergab (zu diesem Denkfehler später mehr!!!))
Die Landschaft im Harz hat mich echt erschlagen. Ich habe mit vielem gerechnet – aber nicht mit so einer Schönheit! Traumhafte kleine Waldwege über Stock und Stein, Natur pur, grün wohin man blickte – einfach genial! Entlang an Flüsschen, über kleine Brückchen – einfach unbeschreibbar. Wer die Bilder bestaunen will, kann ja gerne mal in den Harzquerungs-Faden schauen, da gibt es Links. Mit Worten wird man dieser Landschaft nicht gerecht. Allein dafür hat sich die Anreise gelohnt! Harz, ick liebe dir!
So lief ich dahin, die Kilometer flogen vorbei, es ging hoch und runter, ich fühlte mich klasse. Ich nutzte die – etwas spärlichen – Verpflegungsstationen voll aus, machte jeweils 3-5 Minuten Pause um voll aufzutanken. Das Wetter war traumhaft, sonnig, aber nicht warm, einfach nur perfekt. Ich fühlte mich auf Wolke sieben. So könnte es ewig weitergehen. die Berge konnte ich genießen, nie dacht eich „Boah, hört das nie aus?“ oder so, auch bergab, wovor ich immer gewarnt worden war, lief es prächtig und die Kilometer pegelten sich so bei 5:50 ein – im Schnitt, wenn viele steile Passagen dabei waren entsprechend höher, Bergab machte ich dafür Dampf, der schnellste Kilometer war bei 4:20!!
Aber dann kam Kilometer 28 – und mit ihm eine Bergabpassage wie ich sie noch nie erlebt habe. Gefühlte 80% Gefälle auf ca. 500 Meter. Ich hatte noch nie so eine Angst zu stürzen und mir den Hals zu brechen, man konnte kaum bremsen, der Boden war mit Wurzeln und losen Blättern übersäht – schrecklich. Ich habe jeden Schritt in den Knochen gespürt.
Kaum war das überstanden ging es eine Rampe nach oben, genau so steil, aber erheblich kürzer. Dann warteten Bahngleise (ja, Bahngleise!!!) auf uns. Und als die endlich überwunden waren (es können nur ca. 100 Meter gewesen sein, war trotzdem nicht schön und hat mich total aus dem Tritt gebracht), kommt ein langgezogener Anstieg, der mich voll aus der Bahn geworfen hat. Wie war ich glücklich, als ich mich da endlich hochgequält habe, leise fluchend, und die 3. Verpflegungsstation erobern konnte.
Nach einigen Minuten pause sieht die Welt schon wieder ganz anders aus: Frisch gestärkt trabe ich an – und es rollt wieder! Wahnsinn, wie schnell sich das ändern kann. Während ich mich darüber noch wundere, ist der nächste Kilometer auch schon vorbei geflogen und mein schönster Streckenabschnitt beginnt: Der Weg zum Poppenberg und dort hinauf!
Es geht auf gut ausgebauten Wegen trittsicher sanft bergab, es rollt einfach, der schnellste Kilometer dieses Laufs datiert von diesem Streckenabschnitt. Wunderschön zeiht sich der Weg entlang zweier Berge (den einen werde ich gleich erklimmen müssen), ich genieße und bin im Reinen mit dem Lauf, der Welt und mir selbst!
Dann, bei KM 34 beginnt er – der Aufstieg zum Poppenberg, innerhalb von Km müssen knapp 400 Höhenmetern bewältigt werden, dann ist der höchste Punkt der Strecke erreicht. Vor diesem Abschnitt hatte ich die meiste Angst. Ich laufe an – und weiter, und weiter und weiter. Es läuft – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Klar, der Berg ist steil, aber die Kraft ist da, sie reicht. Ich komme richtig gut den Berg hoch, gehe immer mal wieder, aber insgesamt denke ich, dass ich 2/3 des Weges auf den Poppenberg hoch gelaufen bin. Auch hier genieße ich aus vollen Zügen: Mein Training hat sich gelohnt, Rennsteig, du kannst kommen!
Und dann ist der Gipfel erreicht, ich trinke zwei Becher und habe mit dem rennen abgeschlossen. Jetzt geht es nur noch bergab, schlappe 11 Kilometer, die Uhr steht bei 3:45, die sub 5 sollten kein Thema sein! Mann, bin ich glücklich!
Der geneigte Leser und erfahrene Läufer wird hier den Kardinalsfehler bereits entdeckt haben. Dieses Denken war der größte Fehler in meiner Renneinteilung, den ich nur machen konnte. Denn der lauf ist eben nicht bei Km39 zu Ende, sondern bei Km 51! Und das musste ich jetzt büßen. Und wie!
Denn mein Körper konnte nach. Aber mein Kopf hatte abgeschlossen. Und wollte nicht mehr. Zumindest nichts anstrengendes mehr. Und jetzt ging es eben so steil bergab wie es eben hoch gegangen war. Und das tat mir gar nicht gut, ich konnte hier auch, zu meinem großen Entsetzen, keine Zeit gut machen, im Gegenteil. Jeder Meter nach unten tat weh, es machte so gar keinen Spaß!
Und wer hat bitte behauptet, dass es nicht mehr nach oben gehen würde. Eine Steigung nach der anderen war noch zu bezwingen, und ich muss zu meiner Schande gestehen: Ich ging Streckenabschnitte, die ich noch vor einer halben Stunde ganz selbstverständlich gelaufen wäre!
Und Nordhausen wollte einfach nicht näher kommen. Ich verfluchte mich selbst. Anfängerfehler! (Richtig, ich bin ja auch einer!!!) Der lauf ist im Ziel zu Ende, nicht vorher.
Jwetzt nagte auch der Stolz an mir: Bei jedem meiner bisherigen Wettkämpfe konnte ich am Ende noch Läufer einsammeln, bin nie wirklich „überrannt“ worden. Und das sollte mir auch heute nicht passieren. also, Arschbacken zusammenkneifen und laufen!
Dann endlich, erschien Nordhausen am Horizont. Einige Fragen an die Läufer um mich herum brachten zu Tage, dass das Stadion, in dem sich das Ziel befindet, so liegt, dass man nicht mehr durch die Stadt laufen muss. Ich habe es also gleich geschafft.
Die letzten 2 Kilometer konnte ich dann wieder genießen, ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich es wohl auch tatsächlich noch unter 5 Stunden schaffen würde. So konnte ich dann entspannt ins Ziel einlaufen, wo meine Uhr bei 4:58:14 stehen blieb.
Hinsetzen, Bier trinken, Schuhe ausziehen (ich hatte den halben Harz in meinen Schuhen, unglaublich, dass da noch meine Füße reingepasst haben!), abspannen. Wie geil war das denn???
Meine Lehren aus diesem Lauf:
- Mein Bergtraining war ausreichend, ich bin gewappnet für den Rennsteig!
- der Lauf ist im Ziel zu Ende, nicht vorher! Ich darf diesem Denkfehler für den SM nicht wieder erliegen, sonst gehe ich böse ein!
- Den SM sollte ich noch ein wenig defensiver angehen. Es war gut, dass die Harzquerung nicht länger war. Aber mit der richtigen Renneinteilung und Selbstdisziplin sind die restlichen 20 k auch noch drin!
So, ich danke euch fürs durchhalten,
euer nachtzeche
dem schon heute, zwei Tage nach dem Lauf, glücklicherweise nichts mehr weh tut!
Meine verquerte Generalprobe - ein harzlicher Laufgenuss
1"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)