! 1. Mai: Meine Planungen für den Rennsteig SM haben es so ergeben, dass ich den so genannten "Wonnemonat" Mai gleich mit einem läuferischen Doppelschlag beginne.
Kraxi hatte zu Jahresbeginn nicht allzu viele Überredungskünste gebraucht, um mich zu meinem ersten Antreten beim Lauffestival in Bad Blumau (HM) und am darauffolgenden Tag für den Welschlauf (Marathon) zu überreden
Nun sitze ich also mit meiner Tochter Sarah und ihrem Markus im Gastgarten eines Lokals, erste Reihe fußfrei bei Start und Ziel in der schönen oststeirischen Gemeinde und lasse mich von der Sonne wärmen.
Wir sind kurz vor 07:00 Uhr in Wien abgefahren und viel früher angekommen als erwartet.
Bei der Startnummernausgabe habe ich Kraxi und Bernie getroffen, die auch beide an den Start gehen. Kraxi übrigens als Pacemaker für die 1:30:00 LäuferInnen.
Die Formalitäten sind schnell erledigt. Wir unterhalten uns ein bisschen, tauschen noch unsere weiteren Laufpläne aus und dann marschieren wir zu dem erwähnten Gasthof.
Pünktlich um 10:00 Uhr geht es los. Für den Halbmarathon ist ein Rundkurs vier Mal zu bewältigen. Es besteht aber auch die Möglichkeit einen Viertelmarathon zu laufen.
Ich habe mir vorgenommen, den Halben als Training in einer Zeit um die 1:55.00 zu laufen.
Natürlich würde ich hier gerne die sprichwörtliche Laufsau rauslassen, aber ich halte mich aus gutem Grund zurück.
Sarah und Markus feuern mich an, als ich am Ende der ersten Runde bei Start und Ziel vorbeikomme und ich checke meine Uhr: 28:42 - passt. Ich will versuchen, alle vier Runden mit dieser Pace zu laufen.
Runde 2:
Kurz nach dem Start steigt die Straße leicht an und ich hole eine Läuferin ein, die ebenfalls ein sehr gleichmäßiges Tempo läuft. Auf dem Abschnitt zur Rogner-Therme fällt die Straße leicht und wir laufen eine Weile schweigend nebeneinander her.
Aber ich bin dann doch neugierig und frage nach ihrer Wunschzeit. Gabi, so heißt meine neue Laufbekanntschaft, würde den Viertelmarathon gerne unter 58 Minuten finishen, äußert aber doch ihre Zweifel. Ich frage sie, ob ich sie bis ins Ziel ziehen soll und sie freut sich offensichtlich über mein Angebot. Wir unterhalten uns ein bisschen, genießen die schöne Laufstrecke durch die Therme und auf Wegen quer über Wiesen und Felder, ehe der Kirchturm der kleinen Gemeinde wieder im Blickfeld auftaucht und damit das nahe Ziel ankündigt.
Ich bin ziemlich sicher, dass Gabi es schaffen wird - und tatsächlich sausen wir bald darauf mit einem ordentlich Spurt bei 57:34 über die Ziellinie
. Gabi freut sich riesig. Sie ruft mir noch ihren Dank nach und dass sie im Ziel warten wird, um mich weiter anzufeuern.
Runde 3:
Kurz nach dem Start steigt die Straße leicht an und ich hole eine Läuferin ein, die ebenfalls ein sehr gleichmäßiges Tempo läuft. Auf dem Abschnitt zur Rogner-Therme fällt die Straße leicht und wir laufen eine Weile schweigend nebeneinander her.
Aber ich bin dann doch neugierig und frage nach ihrer Wunschzeit. Gabi, so heißt meine neue Laufbekanntschaft, würde den Halbmarathon gerne unter 2 Stunden finishen, äußert aber doch ihre Zweifel. Ich frage sie, ob ich sie bis ins Ziel ziehen soll und sie freut sich offensichtlich über mein Angebot. Das Déjà-vu ist perfekt
. Vom Ziel hinaus bläst uns in Runde 4 doch ein ziemlich kräftiger Wind entgegen. Aber wir lassen uns nicht beirren. Gabi hält perfekt mit und beim durchqueren der Rogner-Therme läuft plötzlich Kraxi neben uns. Er hat seine 1:30:00 Läufer gut ins Zuiel gebracht und läuft nun noch eine weitere Runde locker aus. Wir sind ein tolles Trio und die Zeit vergeht auf den letzten Kilometern tatsächlich wie im Flug.
Bei unserem Zielsprint macht das Publikum ordentlich Krach; Sarah, Markus und Gabi "Nr. 1" klatschen uns ein und ich lasse Gabi II den Vortritt über die Ziellinine. 1:54:XX sind es für sie geworden
. Ich freue mich, dass ich dazu einen kleinen Beitrag leisten konnte und verbuche eine zeit von 1:54:53.
Danach sitzen wir unter Kastanienbäumen beim Ziel. Ich haue mir eine Portion Pasta rein. Außerdem gibt es mit den beiden Gabis, mit Bernie (der 1:29:59 gelaufen ist
) und mit Kraxi noch viel zu reden und zu lachen. Aber wir müssen dann doch bald weiter, da ich Sarah und Markus noch in Graz "abliefern" muss, ehe ich Gudrun vom Bahnhof abhole.
Den Nachmittag verbringen Gudrun und ich dann ganz gemütlich bei Gudruns Eltern in der Nähe von Leibnitz.
2. Mai:
Auch der Welschlauf startet um 10.00 Uhr. Organisation und Versorgung sind - wie in Bad Blumau - perfekt. Die Sonne scheint, die Temperatur ist angenehm.
Gudrun hat mich zum Start nach Ehrenhausen gefahren.
Auf dem kleinen Hauptplatz herrscht beste Stimmung. Der Moderator ist tatsächlich witzig und versteht es, die Leute richtig aufzumuntern.
Das können die rund 300 LäuferInnen die den ganzen Welschlauf absolvieren, auch gut gebrauchen. Schließlich geht es hier über die Marathondistanz - und das mit "schlappen" 1.440 Höhenmetern.
Ich kenne den Großteil der Strecke, die Südsteirische Weinstraße, recht gut. Da gibt es eine Reihe giftiger Steigungen, aber auch Bergab-Abschnitte, die mit angezogener Handbremse gelaufen werden müssen. Es geht also fast die gesamte Strecke rauf und runter. Rund 800 LäuferInnen absolvieren einen Halbmarathon und weitere 900 einen Viertelmarathon. Ziel ist für alle in der weststeirischen Gemeinde Wies.
Kraxi startet übrigens auch beim Welschlauf, ebenfalls als Training für den Rennsteig SM. Wie er mir am Vortag erzählt hat, will er die Strecke in 3:30 laufen
. Ich peile eine Zeit zwischen 4:15 und 4:30 an.
Der Startschuss kracht und wir ziehen los. Meine Grudrun winkt mir an der Strecke noch zu und wünscht mir viel Glück
. Ich kanns brauchen! Ich habe nämlich ziemlich schlecht geschlafen. Die Strecke macht mir doch Sorgen und ich weiß nicht, wie mein Körper auf den Doppelschlag reagieren wird.Die ersten sechs Kilometer steigt die Strecke stetig an. Die Straße ist gut zu laufen und ich bin mit einer Zeit von rund 6 Minuten pro Kilometer unterwegs. Die Straße führt im ersten Teil durch die Gemeinden Spielfeld, Berghausen, Gamlitz, Ratsch und Sulztal. Die Steigungen auf der Straße, deren schmales Asphaltband in einigen Abschnitten direkt die Grenze zwischen Österreich und Slowenien darstellt, sind zwischendurch brutal. Kurz vor Sulztal gibt es einen heftigen Anstieg mit gut 18 Prozent. Oben angekommen belohnt die traumhafte Rundumsicht in eine Region, die nicht umsonst zu den schönsten in Europa gezählt wird.
Ich nehme mir vor, bis auf die letzten beiden Steigungen (bei km 32 und 36) alle Abschnitte zu laufen, was ich auch bis auf zwei Ausnahmen durchhalte. Bei km 10 komme ich mit einem Läufer aus Wels ins Gespräch. Martin ist eigentlich Mountainbiker, läuft aber auch recht viel und hat den Welschlauf schon einmal absolviert. Er würde gerne unter 4:30 bleiben, fürchtet aber, zu schnell zu rennen und am Ende dann "einzugehen".
Wir unterhalten uns bestens und stellen nach ein paar Kilometern fest, dass wir gemeinsame Sache machen könnten.
So geht es die Hügel rauf und runter, quer durch die grünen Weinberge. Hinter jeder Kurve wartet eine Überraschung - ein wunderbarer Ausblick, eine duftender Fliederstrauch, eine Herde Ziegen auf einer steilen Wiese am Waldrand, eine junge Musikgruppe, die auf der Terasse vor einem Haus spielt - und alle zwei Kilometer eine Labestation, die von freiwilligen Helfern der Region betreut werden. Es gibt überall Wasser, isotonische Getränke, Bananen, Äpfel. Vor allem die Kinder werken mit Begeisterung und sind ganz Stolz, wenn sie ein Getränk überreichen dürfen
. 2:07:00 zeigt meine Beurer PM80 beim Halbmarathonstart in der Gemeinde Eichberg-Trautenburg an. Die Halbmarathonis sind um 12.00 Uhr gestartet, wir haben sie also nur knapp verpasst.
Martin und ich sind ein perfektes Team. Er freut sich, dass wir eine gutes Tempo halten. Zwischendurch scherzen wir mit anderen Läuferinnen und Läufern, lachen vor einem steilen Anstieg darüber, wer wohl die nächste Bergwertung gewinnen wird und arbeiten uns so Schritt für Schritt dem Ziel entgegen.
Bei der nächsten "Bergwertung" die wir in einer kleinen Gruppe laufen, frage ich scherzhalber, ob hier wohl keiner "Kohl" - wie der österreichische Tour de France - Dopngsünder - heißt. "Und ich Depp hab dem Kerl noch kurz nach der Tour ganz begeistert die Hand geschüttelt", erzählt einer aus der Runde; und so blödeln wir uns über eines der schwierigsten Steilstücke hinweg.
Gott sei Dank: Es geht endlich auch eine Zeit lang moderat bergab. Hinunter ins Saggautal, nach St. Johann, wo die LäuferInnen des Viertelmarathons gestartet sind. Kilometer 30 bis 32 haben wir dort hinter uns gebracht. Dann die vorletzte harte Steigung: Martin und ich und sehr viele andere auch wandern schnellen Schrittes den Berg hinauf. Dann traben wir wieder an. Bis km 36 geht es mir gut. Die Beine machen ohne zu murren mit. Nur der Kopf wünscht sich ein baldiges Finale. Ich denke an Gudrun, die im Ziel auf mich wartet. Ich freue mich auch darauf, dass Schwägerin Astrid und Schwager Hannes auch da sein werden um mir noch die Power für einen Endspurt zu verleihen.
Die letzte Steigung nach km 36 hat mein Potential ziemlich ausgeräumt. Es läuft nur mehr sehr zäh und vor einer weiteren Steigung sage ich Martin, er soll losziehen. "Ich warte im Ziel auf dich", ruft er mir noch zu und setzt sich dann langsam ab. Ich hab kein Problem damit, sondern freue mich vielmehr darüber, dass er sein Zeitziel sicher erreichen wird. Außerdem weiß ich, dass für mich immer noch eine 4:25 drin ist.
Kurz nach der 40-Kilometer-Tafel schließt eine Halbmarathon-Läuferin zu mir auf, die schon einen recht "fertigen" Eindruck macht. Sie fragt, ob sie sich anschließen darf und ich sage dankend "ja", da ich (wie auch sie) jede Motivation brauchen kann. Meine Laufpartnerin heißt übrigens ausnahmsweise nicht Gabi, sondern Martina
. War es das Iso oder die Turbo-Banane am letzten Versorgungsstand? Jedenfalls grabe ich doch noch etwas Energie aus, staune darüber, dass ich auf eine leichten Bergab-Passage mit 128 Puls rennen kann.
Wir freuen uns über einen Burschen der am Staßenrand sitzt und uns Läuferinnen und Läufern mit der Ziehharmonika aufspielt. Noch größer ist die Freude aber über den Anblick des Zielortes Wies. Noch einmal legen wir nach und beschleunigen, laufen in den Ort hinein und sehen das Zieltor vor uns.
Meine Gudrun ist da und strahlt und ich strahle zurück, Astrid, Hannes und auch meine Schwiegereltern sind mitgekommen und klatschen, als wir vorbeilaufen und 50 Meter danach die Ziellinie überqueren.
Kommentar meiner Schwiegermutter, die sich schon über Story mit den beiden "Gabis" amüsiert hatte, als sie uns sieht: "Schau mal: Der Wolfgang kommt schon wieder mit einer Frau daher ... "
Ich stoppe die Uhr: 4:24:XX
Martina bedankt sich für die Begleitung auf den letzten beiden Kilometern und ich gebe den Dank gerne zurück.
Martin wartet direkt hinter der Ziellinie auf mich und nach einer kurzen Plauderei verabschieden wir uns herzlich voneinander.
Im Ziel ist der sprichwörtliche "Bär" los. Es herrscht beste Stimmung und ich hole mir rasch ein Getränk und zwei wunderbar frische Brote mit Aufstrich.
Ich bin glücklich angekommen und noch glücklicher, als mich kurz darauf Gudrun an sich drückt.
Zum Abschluss sitzen wir alle noch eine Zeit lang im Grünen und genießen das bunte Treiben im Zielbereich.
Den Knaller des Tages hat übrigens Kraxi gezündet: Er hat den Welschlauf gewonnen
. Er hat dem Vorjahressieger 12 Minuten abgenommen und ist in 2:52:52 
ins Ziel gekommen. Zu der Wahnsinnsleistung kann man nur gratulieren! Mir geht es heute übrigens gut. Ich habe keine Muskelschmerzen; auch Gelenke und Füße haben alles gut überstanden und tun ganz so, als ob nichts gewesen wäre. Ich bin bereit für den Rennsteig
. Liebe Grüße
Wolfgang
?
