Mein Brustkorb zieht sich zusammen und ich krieg mal kurz keine Luft.
"Alles klar?" fragt mich Tomrun.
"Bestens!?!" doch ein mulmiges Gefühl bleibt.
"Welche Zeit willst du den laufen?" hakt er weiter nach.
"So knapp unter 4 Stunden, dass wäre schon toll", doch ich glaube selber nicht ganz was ich da rede, denn vor einer Woch lag ich noch mit einer Grippe im Bett und das Training beläuft sich bei mir sowiso nur auf das Radfahren.
Das Auto parkt Tomrun in einer kleinen Strasse, welche nicht weit vom Haupttor entfernt ist. Wir packen die Handys in das Handschuhfach, denn die sind ja im Knast verboten. Ein anderen Auto aus Hamburg parkt mit zwei Läufern drin neben uns. Man grüßt sich nett und geht fast zusammen den kurzen weg zum Einlass.
Hier am Haupttor werden die Läufer und Besucher nur in 15er-Gruppen eingelassen. Der kleine Vorraum bietet nicht mehr Platz für Personalienabgabe, Metalldetektor und Leibesvisite. Der Personalausweis is nun erstmal weg, aber dafür bekommen wir ein neonfarbendes Bändchen um das Handgelenk, welches uns als "Freigänger" auszeichnet.
Noch ein weiteres Tor und wir sind drinnen. Ganz anders sieht es hier aus, als ich es mir vorgestellt habe. Keine klassisches Knastgebäude mit Flügeln, wie Tegel oder Moabit. Hier sieht es mehr nach Kaserne aus. Kleine zweistöckige Häuser stehen hier unter Fichten auf einem weitläufigen Gelände. Aber das ist ja viel angenehmer, als eine 100m Innenhofrunde, wie man sie aus den alten Schwarzweiß-Filmen kennt.
Hier sieht alles sehr professionell aus. Ein riesen Getränkestand, jede Menge Wärter und Häftlinge aus dem Laufprojekt, die für jede Info zu haben sind. Leicht zu ereichende Örtlichkeiten, Umkleiden, Duschen und eine Kleiderabgabe. Also das ist wirklich mehr als perfekt.
Wir ziehen uns um und gelangen erst spät zur Spitzkehre, an der das Foritreffen stattfinden sollte. Ich bin der Meinung Melrose und Pflügler erblickt zu haben, doch es bleibt keine Zeit zum quatschen, da der Sprecher zum Start ruft.
Die rund 150 externen und die 40 internen Läufer vermischen sich und warten nun gespannt auf die Startfahne. Es versteht sich ja von selbst, dass es im Knast keinen Startschuss gibt.
Von mir unbemerkt senkt sich die Fahne und die Masse zwängt sich durch die erste Rechtskurve. Hier wartet das erste Highlight: Der Hochsicherheitstrakt. Ich nenn ihn jetzt mal so, da die Gefangenen selbst dort noch hinter Zäunen ihren Ausgang haben. Hier herrscht die meiste Stimmung. Obwohl bestimmt jeder Läufer froh ist, das irgendjemand diesen stabilen Zaun vor unseren Zuschauern aufgebaut hat.
Der Lauf geht wieder in den Start-Zielbereich vorbei an der Getränke- und Verpflegungsstelle. Nun geht es weiter zu den Insassen aus dem "normalen" Vollzug. Diese stehen uns an der Rennstrecke Spalier und da unsere Vornamen auf den Startnummern stehen, gibt es so ganz persönliche Zurufe.
"Hey Gabi, wenn du das hier nicht schaffst, kannst du heute Abend bei mir schlafen."
Aber irgendwann schaltet man da ab und läuft nur noch an den Insassen vorbei.
Nun kommt der knackige Teil: Der Sportplatz zur rechten und die hohe Gefängnismauer zur linken. Oben im Stacheldraht steckt noch ein einsamer Fußball, der wohl noch einige Marathons hier erleben wird. Die Sonne ist brutal auf diesem Abschnitt besonders brutal. Kein Schatten und kaum ein Windzug. Die Orga reagiert sofort und stellt Tische mit Wassereimern auf. Eine gute Idee um immer einen kühlen Kopf zu behalten.
Nach einer Rechtskurfe geht es auf die Spitzkehre zu. Hier ist ebenfalls gute Stimmung, denn dort hält sich die Mehrheit der Besucher auf. Dann läuft man noch nach rechts auf den Wirtschaftshof und umrundet ein Gebäude bis man sich wieder zum Sportplatz begibt und die Insassen einen auf der Zielgerade zujubeln.
Das war ja wohl eine längere Rundenbeschreibung, die ich und viele andere Läufer genau 24 mal gemeistert haben.
Mein Lauftempo von 5:24 kann ich exakt bis zur 12ten Runde halten, danach merke ich das fehlende Training. Ab der 16 Runde spiele ich mit dem Gedanke auch auszusteigen. Hey! Keiner wird mich hier auslachen und die Medaillie brauch ich auch nicht unbeding. Doch nun bin ich schon zwei Drittel gelaufen, dass wäre doch schade....
...und mein Leidensweg begann ab Kilometer 34. Öfter musste ich Gehpausen einlegen. Der Schnitt fiel manchmal auf 7:30. Doch das Ziel war nahe und das Groh der internen Läufer hatte die selben Probleme wie ich.
Wie gesagt, ich hab es irgendwie geschaft mich im Rennen zu halten und bin sehr glücklich an diesem Lauf teilgenommen zu haben.
Wo sonst sieht man den Erstplazierten, wie er der letzten Frau 6:30 auf ihren letzten Runden beklatscht.
der 4:40h Maratho
PS: Sorry das das Ende zu kurz ausfällt, aber man muss ja auch noch arbeiten....
Hier ein kleiner Fernsehbericht, gefunden vom Pandadriver
http://http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/757298?inPopup=true
freiwillig in den knast und dann noch 24 runden laufen. 
aber cool, dass es solch verrückte gibt und wir solch netten lesestoff bekommen. 
