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20km Qual, Eclair und eine Bronchitis :-)

20km Qual, Eclair und eine Bronchitis :-)

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So, nun war es soweit noch eine Woche bis zu den 20 km von Brüssel und ich fühle mich gut.
Noch 3 Tage: Ich wache auf und? Was ist denn das? Ich habe Halsschmerzen und fühle mich ganz „bematscht“. Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Aber ich denke mir, mit ein bisschen Paracetamol wird das bis Sonntag schon wieder weg sein.
Sonntag: Wir fahren morgens um 9 nach Brüssel, checken um halb 12 ein und machen noch einen gemütlichen Bummel durch das Viertel. Und was sehe ich da, eine Patisserie. Es bedarf keiner Überlegung und schwups stehe ich schon an der Theke und hole mir ein paar Éclair und aus der Chocolatier um die Ecke auch gleich noch ein paar Leckereien. Wenn der Husten und die Halsschmerzen immer noch nicht weg sind, soll es mir wenigstens gutgehen 

Eine Stunde vor dem Start machen wir uns auf dem Weg vom Hotel zum Treffpunkt mit den anderen Arbeitskollegen. Die 3km zu gehen hat keiner Lust zu, also ab ins Taxi. Der Taxifahrer meinte sein Bestes geben zu müssen und gab gleich mal richtig Gas. Er fuhr dabei so schnell und unaufmerksam, dass er die Warnhinweise über mögliche Sperrungen bei der Einfahrt in den Tunnel glatt übersah. Und da war es dann auch schon geschehen. Unsere Ausfahrt war natürlich gesperrt und so fuhren wir den Tunnel kilometerlang zu Ende bis er endlich auf der Autobahn endete. An der ersten Ausfahrt wurde umgedreht und schon ging es, diesmal oberirdisch, zurück in die Stadt. Puh, da waren wir nun endlich.

Nach einem kurzen Plausch mit den restlichen Kollegen machten wir uns auf den Weg in die Startbox. Die Aufregung stieg, genauso wie meine Halsschmerzen. Oh nein, bitte nicht noch mehr.
Meine Wunschzeit war sub 2 Stunden. Nachdem ich im Training in sehr hügeligem Gelände die 10km locker in 1 Stunde mehrmals gelaufen bin, erhoffte ich mir durch die zusätzliche Motivation der Leute an der Strecke eine Zeit unter 2 Stunden.
Um Punkt 15 Uhr ging es los. 26 Grad, kein Schatten und sengende Hitze, was hab ich mir hier nur angetan. Sonst laufe ich immer morgens zwischen 6 und 8, wenn es schön angenehm kühl ist und jetzt diese Hitze. In er Startbox hatte ich schon alles getrunken was für die ersten km reichen sollte.

Wir liefen los und ich merkte auf den ersten Metern, es läuft schlecht, nein es läuft super schlecht. Vor lauter Aufregung startete ich meine Uhr lange vor dem Startdurchlauf viel zu früh, was sich bei den Zwischenzeiten bitter rächen sollte.

Km 2: Gott sei Dank die erste Wasserstelle und ich deckte mich ein, mit allem was ich tragen konnte ;-) Mein Puls kommt nicht unter 170, jetzt schon? Macht die Hitze so einen Unterschied aus?

Km 3,5; Ich lief an unserem Hotel vorbei und durchspielte die Möglichkeit auszusteigen und mich stattdessen an der Bar mit belgischem Bier zu betrinken, eigentlich verlockend  Ok, sagte ich mir, du reist nicht über 200 km an um dann nach 3,5 km aufzugeben, also weiter.
Km 4: Meine linke Brustwarze war blutig gelaufen. Nicht auch das noch. Wie konnte das passieren? Weil ich so schwitze?
Km 5: Ich schaute auf die Uhr, Zwischenzeit über 39 min. Sch…. dachte ich mir, du fühlst dich mies und dann bestätigt es dir die Zeit auch noch. Ich rechnete hoch und kam auf fast 2 Stunden 40. Wie demoralisierend ist das denn (Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich meine Uhr ca. 6 Minuten zu früh startete)
Km 6: Nun war auch die rechte Brustwarze dran. Dafür ging es endlich aus der Sonne in den Schatten des Bois de la Cambre.
Km 9: Mein rechter Oberschenkel zwickte hinten. Alles was sonst nicht passierte, kam heute zusammen.
Km 10: Durchgangszeit von über 1 Stunde 11 min auf meiner Uhr. Ich rechnete hoch, sind vielleicht doch 2:20 drin? (Damit war ich zu dem Zeitpunkt schon zufrieden) Es lief eigentlich von der Zeit her etwas besser, gefühlt aber immer noch nicht (nachher offiziell gemessen 1:05,36)
Km 12-16: Endlich geht es ein wenig bergrunter. Mein Puls war immer noch konstant über 170.
Km 17: Vor lauter hin und her schauen und ein wenig die Atmosphäre genießen hatte ich die letzten km-Schilder ganz übersehen. Ich sah in der Ferne ein Schild, schaute auf meine Uhr, rechnete ein wenig und hoffte, dass es das Schild „Km 17“ sei. Ich rannte weiter und überlegte ob ich aufhöre wenn es nur Km 15 wäre. Ich kam näher und sah: Km 17. Puh, Gott sei Dank. Nun ging es noch um eine langgezogene Kurve und ich wusste, dass dann irgendwann der von allen befürchtete Schlussberg mit über 1,5 Länge auf mich wartet. Und da war er, von unten sah er zu diesem Zeitpunkt des Rennens gewaltig aus. Ich überlegte kurz, ob ich noch einmal alles in die Schale werfen und bis zum Ziel Vollgas renne solle, aber da sah ich sie auch schon liegen. Links und rechts am Wegesrand langen sie alle 50m von einem Rotkreuzhelfer unterstützt und rangen nach Luft. Die Hitze war einfach mörderisch. So endschloss ich mich, den Berg rauf einfach so weiterzulaufen wie bisher und nicht das Risiko einzugehen auch vom Sanni versorgt werden zu müssen.
Km 18,5: Der Berg ist endlich zu Ende und da vorne sehe ich auch schon den Bogen im Jubelpark. Ich kann gar nicht glauben, dass es noch fast 1,5 km weg seien sollen. Also renne ich weiter, aber der Bogen will partout nicht näher kommen. Ich schaue erneut auf meine Uhr rechne durch, dass ich es noch unter 2:20 schaffen könnte. Also doch noch mal das letzte aus dem Körper rausholen. Noch 500 Meter, jetzt liegt hier auch noch Kopfsteinpflaster und ein weiterer Läufer liegt kollabierend am Rande. Noch 200 Meter, die letzte Kurve, 100, 50. Aus und vorbei. Handgestoppte 2:20,03. Shit. (offizielle Zeit: 2:14,19) Ich beschließe nie mehr zu laufen.
Noch kurz die Medaille, 2 Wasser und 3 Mars abgeholt und schon stehe ich am Rande des Parks und die Schmerzen kommen durch, ganz langsam. Aber es kommt auch ein unglaubliches Glücksgefühl auf, sogar schneller als die Schmerzen. Es überströmt mich quasi, als auch der letzte Kollege nach fast 3 Stunden durchs Ziel kam, war ich schon wieder so weit, dass für mich der Endschluss feststand:

NÄCHSTES JAHR LAUFE ICH WIEDER :-)))))))))

Nach einer langen Badewanne ging es dann am Abend noch auf ein paar Bierchen in das Viertel um die Ecke. Prost, die hatte ich mir nun auch wirklich verdient.
P.S.: Mir ging es am Dienstag so schlecht, dass ich erst einmal einen Arzt aufsuchte. Resultat: Bronchitis. Und im nach hinein hab ich mich auch genauso gefühlt, 20 endlos schwere Kilometer lang. Rückblickend ist die damit gelaufene Zeit von 2:14 doch gar nicht mehr so schlecht und ich glaube die sub 2 habe ich drauf. Ich nehme mir vor, es im Herbst noch einmal zu testen.

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Hallo Scandi70,

der Stolz über die Zeit trotz Bronchitis ist fehl am Platze. Fast ein Musterbericht, wie man es nicht machen sollte. Ich hoffe, Du ziehst Deine Lehren aus diesem Lauf.

Gruß Zwangsläufer

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Wer konnte denn schon ahnen, das so etwas bei rauskommt :nick:

Aber durch Halsschmerzen hätte sich bestimmt keiner abhalten lassen zu laufen :hallo:

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Schwachsinnig :tocktock: Normal steigt man aus wenn man so beisammen ist . Das wäre eine Leistung gewesen.
Was erlauben Struuunz!!
Alle wie Flasche leer !

Giovanni Trappatoni


WK 2009
Salzburg Amref HM 1:39:11 PB
Mondsee HM 1:39:27 :confused:
Marktlauf Bad Hofgastein 7KM 0:29:55 PB :D
Gernkogel Berglauf 10,4KM 1015 HM 1:22:00:P
Grossglockner Berglauf 12KM 1500HM Kein Start (Krank):motz:
2010
Genusslaufen:nick:
2011
Wieder Gas geben:geil:

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Boah, es gibt ja wirklich Tage.... :haeh: !

Obwohl ich eigentlich in die "Pfui, das tut man doch nicht, die liebe Gesundheit, nä!"-Rufe einstimmen sollte, finde ich: Respect, Du hast eine neue Definition für "Sturheit" gefunden! :nick:

Gute Besserung. Und: Besser Dich! :hallo:
http://www.myblog.de/katzie

Schmittcast-Junkie :peinlich:

Bild

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Scandi70 hat geschrieben:NÄCHSTES JAHR LAUFE ICH WIEDER :-)))))))))

Hi,
das Ding auf dem Herzmuskel und Du machst gar nichts mehr.

Gruß
IR

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Ich denke, du hast dich wacker geschlagen und das Erlebnis spannend beschrieben. Natürlich kann man aus der zeitlichen Distanz heraus immer die Frage stellen, ob es gesundheitlich vertretbar war, durchzulaufen, oder ob Abbruch angesagt war. Ich bin überzeugt, bei der geschilderten Ausgangslage hätten 99,9% aller Läufer den Lauf bestritten, insbesondere nach der langen Anreise. Erhol dich gut, und lass dir von den 0,1%, die jetzt in klugscheißender Manier das Risiko überbetonen, nicht den Stolz auf die Leistung zerreden!

Aus der Ferne herumschwafeln ist wohlfeil.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben:
Aus der Ferne herumschwafeln ist wohlfeil.

Bernd
Das hast du aber schön ausgedrückt, Bernd!

Herzliche Grüße an den Doppelklassensieger!

gadelandrunner
Gesperrt

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