SantaCruz hat geschrieben:Nichts wissenschaftliches, nur meine persönliche Erfahrung: Wenn es darauf ankommt, kann ich auf den letzten hundert Metern immer nochmal zulegen. Egal wie lang oder hart das Rennen war. Kopf abschalten und Fersengeld geben. Ich kann mich rühmen bisher noch nie eine Platzierung auf der Zielgeraden verloren zu haben und einige Male kurz vor dem Ziel Plätze gutgemacht zu haben. Es mag daran liegen, daß ich in der Schule ein passabler 100-Meter-Läufer war. Ist aber auch schon etliche Jahre her. Jedenfalls war ich früher ein Sprintertyp.
Auf der Langstrecke habe ich auch noch nie Plätze auf der Zielgeraden abgeben müssen. Auf der Mittelstrecke schon, da muss ich mich oft vorher schon zu kaputt machen, um an einer Gruppe dranzubleiben.
Für mich ist die Mittelstreckenerfahrung ein großes Plus für den Endspurt auf der Langstrecke. Wenn es noch etwa 1,5k sind denke ich immer: "hey, das ist doch jetzt easy, die 1500 kannst du doch einigermaßen laufen. Und das wissen, dass die letzten 500 oft noch in 90s gehen, hilft auch enorm. So bin ich schon letzte km um 3:10 gelaufen auf 10km Läufen in einem Schnitt um 3'45.
SantaCruz hat geschrieben:
Und was soll man trainieren? Laktattoleranz? Ich weiß nicht. Nehmen wir Kenny Bekele, dem im Schlussspurt niemand das Wasser reichen kann. Anderswo habe ich die Meinung gelesen, daß er nicht im Sprint an und für sich nicht stärker ist als die anderen. Eine fliegende 53er-Runde können die anderen Spitzenläufer auch locker laufen, aber eben nicht nach 4600 oder 9600 m Vorbelastung. Bekele hat die größte aerobe Kapazität und am Schluss einfach noch am meisten "im Tank". Was da dran ist, kann ich nicht sagen.
Weiß nicht, ob du den Text schon kennst:
On and off the Track: Part 3: Why can African’s close faster than their Western counterparts?
SantaCruz hat geschrieben:
Außerdem denke ich, daß bei der Endspurtfähigkeit ein gutes Stück genetischer Veranlagung drinsteckt. Ansonsten: schnell laufen trainiert man am besten durch schnell laufen.
Sehe ich auch so.
chuuido hat geschrieben:
Aber wie sorge ich dafür, dass ich zum Ende hin nochmal den Rest ausquetschen kann? Das muss sich ja üben lassen.
Wir müssen mehrere Dinge unterscheiden:
trainieren wir für ein taktisches, anfangs langsames Spurtrennen, oder für die Bestzeit? Das ist ja ein Unterschied.
Selbst auf Landesmeisterschaften werden schon viele Rennen anfangs verbummelt und durch einen Spurt am ende entschieden, habe ich jetzt erst Sa wieder bei den Hessischen Meisterscaften in Baunatal gesehen. Hier geht es um unrhythmische Rennen, in denen man die am Ende meist deutlich langsamer als PB läuft, aber schon bei der B-Jugend wurden die letzten 400 der 1500m knapp unter 60s gelaufen, nachdem das Rennen sehr langsam begann.
Dann geht es um Bestzeiten, und dabei soll möglichst viel rausgeholt werden. Das ist vielleicht die Sache, die den meisten hier wichtiger ist, ändert sich aber möglicherweise mit dem Alter, wenn man nicht mehr schneller wird und dafür ein paar gute Ak-Platzierungen anstrebt. Für die Bestzeiten geht es also auch um die richtige Taktik, die Typabhängig ist.
Imo muss der "schnelle" Läufertyp stärker aufpassen, dass er nicht zu schnell angeht, und profitiert eher von einem etwas verhaltenen Beginn als der ausdauernde Stehertyp. Denn der Sprintertyp läuft die gleiche Strecke oft mit einem etwas höheren anaeroben Anteil, wenn er etwas überzieht macht er sich zu kaputt und kann am Ende die anaeroben Reserve nicht mehr richtig nutzen. Für den Sprintertp ist möglicherweise ein negativer Split das beste, wenn er sehr kontrolliert angeht und den negativ Split wirklich nur auf den letzten 1-2 km rausläuft.
Der "Steher" setzt dagegen auf ein gleichmäßiges Tempo. Wenn er zu vorsichtig angegangen ist, versucht er das Tempo nicht ruckartige am Ende, sondern Schritt für Schritt zu erhöhen.Wenn er sich überschätzt, versucht er. so langsam wie möglich zu "sterben".
In jedem Fall ist ein gutes Einschätzen des eigenen Leistungsvermögens vorraussetzung, um überhaupt die richtige Taktik wählen u können.
Wie trainieren wir jetzt Körper und Psyche speziell für den Endspurt?
1. (Fast) Immer hintenraus schneller laufen. Im Training heißt die Devise bei den allermeisten Läufen: Seh locker angehen, und dann mal sehen, ob es hintenraus noch locker etwas schneller geht. Das gilt bei mir für lockere Läufe und für Tempotraining, auch wenn oft nur minimal gesteigert wird. Im TDL ist meist der letzte km der schnellste, bei Intervallen die letzte WDH.
Auch spezielle Crescendoläufe in verschiedenen Variationen sind oft sinnvoll, wobei da durchaus deutliche Temposteigerungen gute Effekte erzielen.
2. Genügend WK. Ich sehe hier immer wieder Läufer, die noch wenig Erfahrung haben, aber sich extrem viel Zeit damit lassen, welche zu sammeln. Macht WK! Keine Trainingseinheit kann dir soviel über Taktik beibringen wie der WK. Hier wird die Endspurterfahrung gesammelt.Hier gehst du an die Grenze und findest raus, wie viel auf den letzten Metern wirklich noch drin ist.
3. Steigerungen im Auslaufen auch gerade nach Tempoeinheiten. Ein sanfter Weg um erstens zu einer besseren Erholung zu kommen, denn die Beine werden mit ein paar Strides im Auslaufen lockerer als ohne. Außerdem ist es immer wieder überraschend, wie leicht man doch auch nach einem TDl auf Touren kommt.
4. Sprinttraining ist auch für Langstreckler wichtig, nicht nur für den Kick. Da geht es darum, alle Muskelfasern zu rekrutieren. Gerne Berghoch, denn da wird die Auslastung der Muskelfasern noch schneller erreicht.
5.Spezielle Einheiten für den Kick
Steve Magness wieder mit einem schönen Beitrag:
steve magness hat geschrieben:
The lactate differential is the difference between the lactate level before the kick, and the lactate level post race/kick. The larger the difference, the more it seems that the athlete was able to pick up the pace. Why is this?
Partly it’s due to increased muscle fiber recruitment, which we saw in the Amann study. The ability to recruit more fibers at the end means an increase in lactate. Why? Because these fibers are going to be the hard to recruit FT muscles, which will predominately work anaerobically. So, the ability to recruit these fibers under heavy fatigue conditions is one key to improving your kick.
Secondly, the large lactate difference shows that the athlete has not used up all of his “anaerobic reserve.” It’s best to think of this in simple terms. While running a race, the athlete is going to use predominately aerobic mechanisms after the first 30-40sec. However, the aerobic system can not provide all of the energy so, the anaerobic system covers the gap. Think of it as if there is a finite limit of anaerobic energy. A simple model would be if you have 10 units of total anaerobic energy and you are running a 10min race. Athlete A uses 9 units of anaerobic energy to get him to minute 9, so basically 1 unit per minute, well he’s not going to be able to increase the pace much because he’s got 1 anaerobic unit for 1 more minute. On the other hand, if we have an athlete who has only used 8 units at 9 minutes, then he’s got 2 units left for 1 more minute. He’ll be able to kick. Similarly, if the same athlete had used 9 units at 9 minutes, but had a max capacity of 11 units, he’ll be able to increase the speed.
On and off the Track: Kick Development
Es geht um Kraftausdauer (strength endurance), da stime ich mit Magness vollkommen über ein. Dafür sind Wiederholungsläufe gut, Zirkel- und Krafttraining, Sprünge, Hügel usw.
Eine spezielle harte Einheit wie unter "#3-Learn to Recruit fibers under high acidity" in dem Link beschrieben, habe ich erst einmal probiert.
Das waren bei mir 2*500m
1. 350m @ 2'44 150m @ 2'31 Pause 5'
2. 350m @ 2'43 150m @ 2'37
Ziel war, von etwas langsame als 800m Tempo auf etwas schneller als 800m Tempo zu beschleunigen.
War eigentlich nicht so gelungen, die ersten 350 hätten wohl noch langsamer gemusst, zumal ich noch nicht voll erholt war von der Woche davor. So bin ich schon beim 2. Endspurt deutlich langsamer geworden. Aber immerhin gab es mir einen guten Eindruck, wie sich das anfühlt, aus hohem Tempo mit Ermüdung zu beschleunigen, da fühlt sich ein Tempo von 2'40/km nämlich ganz schnell wie Vollgas an - weil auch einfach nicht viel mehr geht.
So habe ichs dann ein paar Tage später probiert und bei 550m im 800m Lauf den 2. Gang eingelegt, leider bin ich dann die letzten 80 richtig gestorben und eingeholt worden, aber dennoch PB. Für den Kopf hat die Einheit sehr viel gebracht, u.a. habe ich mir auf dem langsamen 1500er nach dem 800er den AK-Titel mit einem 150m Spurt sichern können-
In Zukunft werde ich sowas öfter machen, auch vor dem Hintergrund, dass ich auf der Mittelstrecke wahrscheinlich nicht mehr so viel schneller werde, aber möglicherweise noch einige gut AK-Platzierungen drin sein können.
Viele Langstreckler müssen vielleicht nicht unbedingt so spezifische harte Einheiten machen. Möglicherweise bringen ein paar flotte, aber kontrollierte 200er nach einer Tempoeinheit schon viel. (Z. B. 4-5*1000 5k Tempo + 5*200 1,5k Tempo. )
WICHTIG: Grundsätzlich beim Training von sehr hohen Geschwindigkeiten immer auf ausreichende Pausen achten, sonst gibt es recht schnell sehr starken Muskelkater. Gilt besonders für Training bei Maximalgeschwindigkeit, also Sprinttraining.
Gruß
C.