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Alte Bahnstrecken, Kinder und Brot

Alte Bahnstrecken, Kinder und Brot

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18 Uhr, ungefähr 27 Grad, sonnig. Zusammen mit einem guten Dutzend Vereinskameraden stehe ich am Start des Pronsfelder Volkslaufs. Es ist der sechste Lauf der diesjährigen Bit-Cup-Serie. Am Lauf in Ralingen konnte ich nicht teilnehmen, sonst könnte ich wie einige andere Läufer schon nach dem heutigen Lauf einen Haken an die Serienwertung machen. Viel zu früh war ich mit der bewährten Fahrgemeinschaft aus unserem Dorf hier eingetroffen. So hatten wir mehr als eine Stunde Zeit für die Formalitäten und für die Streckenbesichtigung. Und heute ganz wichtig: es blieb auch genügend Zeit, um vor dem Lauf ausgiebig Wasser zu trinken. Denn wieder einmal ist es heiß. Schlecht für mich, da ich Hitze bei Läufen nicht besonders gut vertrage. Aber so ist das nun mal, wenn man eine Freiluftsportart betreibt. Und die Bedingungen sind schließlich für alle gleich. Mit einer Vereinskameradin und einem –kameraden vereinbarte ich, daß wir so weit wie möglich gemeinsam laufen wollen.
Der Sprecher zählt die letzten zehn Sekunden rückwärts und dann geht es los. Rasch ist die Startlinie überquert und das schmale Sträßchen am Sportplatz liegt hinter uns. Wir biegen auf die halbseitig gesperrte Hauptstraße ab, die uns steil bergab aus dem Ort hinaus führt. Garminchen zeigt bei der Pace vorne eine 3 an – viel zu schnell. Das meinen auch meine beiden Mitstreiter, die aber keine Anstalten machen, langsamer zu laufen. Nach gut einem halben Kilometer biegt der Kurs in einen Radweg ab, jetzt geht es nur noch sanft bergab. Kurz vor Kilometer 1 dürfen wir eine leichte Steigung hinauf laufen, trotzdem ist der erste Kilometer mit 4:03 irrsinnig schnell. In unserem Dreierteam übernimmt jetzt mein Mitstreiter die Führungsarbeit. Der zweite Kilometer verläuft durch eine liebliche Wiesenlandschaft überwiegend eben. Leider knallt hier die Sonne erbarmungslos und ich sehne Schatten herbei. Endlich biegt die Strecke in ein Waldstück ab – Schatten, hurra! Kilometer 2 mit normalisiertem Tempo: 4:25, gut so denke ich. Die Kameradin winkt, daß ich dranbleiben soll, ich wundere mich – wieso hat sie plötzlich einige Meter Vorsprung? Dann merke ich: wir laufen auf einer alten Bahnstrecke! Seit Mertesdorf weiß ich, was das bedeutet: konstante, sanfte Steigung, die einen den letzten Nerv rauben kann. Na prima, davon stand nichts im Profil. Ein kurzer Kraftakt und ich laufe wieder neben ihr. Mittlerweile ist das Feld sortiert. Unser Platz im Startbereich war eigentlich ganz gut: auf den ersten beiden Kilometern wurden wir von vielleicht 30 Läufern überholt, überholten aber auch selbst. Ungefähr bei Kilometer 2,5 der erste Verpflegungsstand. Ausschließlich Kinder sorgen hier für unsere Versorgung. Sie machen ihren Job sehr gut. Ich schnappe mir einen Becher und schütte mir den größten Teil zur Kühlung über den Kopf. Meine Mitstreiterin winkt mich wieder ran, gemeinsam schnappen wir uns unseren Vereinkameraden und ziehen ihn mit. Bei Kilometer 3 geht es raus aus dem Wald, ein Dorf empfängt uns, bei einem ehemaligen Bahnhof stehen einige Zuschauer. War hier ein Bahnknotenpunkt? Trotz einer deutlichen Kurve geht der Kurs eindeutig auf einer alten Bahntrasse weiter, jetzt leider überwiegend in der Sonne. Wir verlieren endgültig unseren Mitstreiter und laufen zu zweit weiter. Bei Kilometer 4 der nächste Verpflegungsstand. Gleiches Bild: wieder versorgen Kinder die Läufer, leider bekomme ich nur einen halben Becher ab, da bleibt nur wenig für den Kopf. Es ist jetzt an mir, die Kameradin zu ziehen. Ein Stück klappt das noch, dann läßt sie abreißen. Der führende Läufer kommt uns entgegen, beeindruckend. Schwer atmend kämpfe ich mich die leichte Steigung hinauf. Meine Geschwindigkeit ist beängstigend abgefallen. Trotzdem werde ich nicht überholt. Auch der Abstand zu meinen Vorderleuten bleibt konstant. Wo ist diese Wende? Endlich: an einer schattigen Stelle stehen zwei Ordner und schicken uns zurück.
Uff – durchatmen und Fahrt aufnehmen. Meine Mitstreiterin liegt vielleicht zehn Sekunden hinter mir, der Kamerad hat einen deutlich größeren Abstand und kämpft schwer. Ich wendete nach 22:45 Minuten, da gilt es Zeit gut zu machen. Der sechste Kilometer exakt in 4:30, dann gibt es wieder Wasser. Die Kinder sind im Megastreß, kommen kaum hinterher mit dem Nachschub. Die sengende Sonne, jetzt kombiniert mit Windstille treibt die Nachfrage nach Erfrischung hoch. Der Lauf wird jetzt eintönig, keine Bewegung mehr im Feld, meine Akkus sind deutlich geleert. Ab jetzt wird der Lauf für mich zum Kampf. Die Zuschauer bei Kilometer 7 nerven mich mehr als daß sie mich motivieren. Endlich wieder Schatten! Wieso kann eine Bahnstrecke eigentlich in beide Richtungen bergauf führen? Ist natürlich Quatsch, doch so fühlt es sich an. Noch einmal Wasser für den Kopf, dann geht es bei Kilometer 8 hinaus aus dem Wald in die sengende Sonne. Zwei Läufer kann ich auf dem vorletzten Kilometer noch überholen, erstaunlich. Dann beginnt der finale Anstieg zurück ins Dorf. Puh – was haben sich die Veranstalter dabei bloß gedacht? Innerlich schimpfend wanke und stampfe ich hinauf. Natürlich geht es den anderen Läufern ähnlich wie mir, trotzdem empfinde ich es als Gemeinheit. Schlußspurt – unmöglich. Trotzdem kontere ich erfolgreich den Versuch eines Läufers, mich auf den letzten hundert Metern zu überholen. Dann bin ich im Ziel. Im Taumel vergesse ich zunächst, die Zeit zu stoppen – 46:23 zeigt die Uhr, als ich sie endlich stoppe.
Noch vor dem Wasserstand bekomme ich eine Tüte mit Brot in die Hand gedrückt. Eine Bäckerei ist Sponsor. Im Zielbereich stehen schon die schnellen Vereinskameraden. Auch sie hadern teilweise mit ihren Zeiten. Trotzdem überwiegt doch die Zufriedenheit. Meine Mitstreiterin kommt mit exakt 47 Minuten ins Ziel. Dann warten wir auf den Kameraden. Er ist leider völlig eingebrochen und kommt erst nach 53 Minuten an. Bald habe ich auch meine Fahrgemeinschaft gefunden. Ein Weilchen stehen wir noch zusammen. Daheim gibt es dann mein offizielles Ergebnis: 46:20. Damit bin ich für heute hoch zufrieden.

Gruß
Ralph
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