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Pils oder Kölsch: Mein erster Halbmarathon…

Pils oder Kölsch: Mein erster Halbmarathon…

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…seit mehr als 1 ½ Jahren. Anfang Januar 2008 war der letzte gewesen, in Egmont aan Zee in Holland. Dann standen lange Läufe zur Vorbereitung auf den Comrades an, dann kam die Thrombose dazwischen, dann hieß es kurztreten, dann startete die Vorbereitung auf Hamburg 2009, dann machten mir Plantarsehnenanriss und 2. Thrombose einen Strich durch die Rechnung, und seit Wiedereinstieg im April traute ich mich wettkampfmäßig bisher nur auf die kürzeren Strecken 5 und 10 km.

Die Zehner waren zeitlich akzeptabel, aber im Gegensatz zu „früher“ (Gott, hört sich das nostalgisch an!) liefen sie nach hinten raus nicht locker. Im Gegenteil, nach 6 – 7 km war stets die Luft raus, ich quälte mich und musste mich überholen lassen. Das seit einiger Zeit wieder aufgenommene Intervalltraining brachte ein ähnliches Resultat, körperlich quälte ich mich, und mental war ich daher logischerweise darauf fixiert, es möglichst schnell hinter mich zu bringen.

Zum ersten Mal war es am letzten Dienstag anders: Es war recht warm, dennoch fielen mir die 5 x 1.000 m auf der Bahn leicht. Am heißesten Tag des Jahres meldete ich mich daher zum Halbmarathon in Hambach an. Das ist ein kleiner Ortsteil im rheinischen Braunkohlengebiet. Glücklich, wer den Wetterbericht lesen kann, denn der prophezeite für den Samstag angenehme 22°.

Die Temperatur am Samstag war erträglich, aber direkt in der Sonne doch deutlich wärmer als vorhergesagt. Ich schwankte: Sollte ich wirklich den HM laufen? Mich möglicherweise einen Großteil der Strecke quälen? Oder lieber auf den Zehner, der eine halbe Stunde früher startete, ummelden? Das Höhenprofil auf der Veranstalterseite zeigt zudem, dass der Kurs immer leicht wellig verläuft, also nicht leicht zu laufen ist, vor allem nicht bei Hitze. Ich fuhr früher los, damit ich vor Ort entscheiden konnte.

Als ich ausstieg, war es bewölkt, angenehm. Prima, dachte ich mir, bleibst du also beim Halbmarathon. Nachdem ich meine Startnummer abgeholt hatte, waren urplötzlich die Wolken verschwunden, und brutal brannte die Sonne auf den windgeschützten Sportplatz herunter. Zu spät, jetzt musste ich durch. Um es vorweg zu nehmen: Während des Laufes wechselten sich Sonne und Wolken ab, und da die Strecke zu einem guten Teil durch Wald führt, waren die Bedingungen erträglich.

Beim Einlaufen fiel mir ein dynamischer, athletischer Läufer mit der Aufschrift „Las Rozas“ auf, und der Wortwechsel mit seiner Frau bestätigte, dass es sich um einen feurigen Spanier handelte. Das war sicherlich einer der Favoriten, der den Lauf hier mal eben mitnehmen wollte.

Der Start erfolgt auf dem Stadionrasen,also in epischer Breite, und die Strecke verjüngt sich dann konisch. Dadurch stehen die Läufer wesentlich mehr nebeneinander als hintereinander. Beim Verlassen des Rasens lag ich wohl so am Ende des ersten Läuferdrittels. Gut so! 21 km sind 21 km, und ich wollte einen lustvollen statt eines leidvollen Laufes erleben.

Aus dem Stadion geht es ein Stückchen leicht abwärts in den Ort hinein und hindurch. Es folgte die Phase der Sortierung. Einige Läufer zogen, aus der Tiefe des Raumes kommend, an mir vorbei, andere schnell gesprintete Heißsporne mussten bereits zurückstecken. (Bezeichnenderweise gab es keine Heißspornissen, da die Damenwelt meistens zu einer vorsichtigeren Renneinteilung neigt.)

Km-Schild 1 hatte ich übersehenund auch das Piepsen des Forerunners nicht gehört. Das erste Schild, das ich sah, wies die Karnevalszahl 11 aus. Da ich mir die Streckenführung angesehen hatte, war ich im Besitz des Wissens, dass eine große ca. 9,5 km-Schleife zweifach zu durchlaufen war. So kam denn auch kurz dahinter km 2 und für mich eine erste Möglichkeit der Tempokontrolle: Mit 8:13 lag ich nicht schlecht, das Tempo fühlte sich gut an. Das Feld hatte sich nun etwas auseinander gezogen, die dadurch ermöglichte Stille ließ mich ein leises Nagegeräusch wahrnehmen. Ich konzentrierte mich darauf, wo es herrührte. Dann spürte ich es: Es war der Zweifel, ob ich wohl die richtige Geschwindigkeit für 21,1 km gefunden hätte.

Den folgenden leichten Anstieg versuchte ich, mit geringst möglichem Kraftaufwand zu bewältigen, und bleute mir ein, dass dies erst die erste der 2 Runden war. Nach 7 km schaute ich auf die Uhr: 29 min. Gut, dass zu meiner Schulzeit so manches Mal Kopfrechnen gefragt war, denn dies führte mich zu einer ersten Hochrechnung von 1:27 h plus 100 m. Also sollte, je nach Durchhaltevermögen, eine Zeit zwischen 1:27 und 1:30 herausspringen. Im Moment sah es gut aus. Ich lief locker und hatte nicht das Gefühl der Schwere aus den vergangenen Läufen. Mir ging der heutige Morgen durch den Kopf.


Meine Tochter hatte aus Indien angerufen. Sie sollte nach 2-monatigem Aufenthalt morgen von Mumbai zurückfliegen, hatte aber Schwierigkeiten mit der Rückflugbestätigung, und mich gebeten, das zu übernehmen. Über das dann folgende Abenteuer, eine Telefonnummer zu finden, bei der das möglich war, könnte ich einen eigenen Fortsetzungsroman schreiben. Als ich nach 1 ½ Stunden endlich fündig geworden war und den „name of the passenger“ buchstabiert hatte, hieß es „No such passenger in our system, sir“ Da sie mir schon vorher von ihrer Infektion am Auge und den Erfahrungen im city hospital erzählt hatte, war ich nahe am Herzinfarkt gewesen. Nach vielem Hin und Her probierte ich es noch einmal mit der Methode „Dschei like in June, Juh like in universe,…“. „Ah, yes, sir, it’s Miss …“. - Mein nächstes Ava wird mich um Jahre gealtert zeigen.


Während ich die Gedanken schweifen ließ, lief ich von hinten kommend an so manchem Vorläufer, der sein Tempo nicht mehr halten konnte, vorbei. Seit längerem war ich dabei auch näher und näher an einen Läufer herangelaufen, an dem ich etwa bei km 10 vorbeizog. Im Umdrehen konnte ich den Schriftzug „Las Rozas“ auf seinem Trikot erkennen…

Die zweite ernsthafte Hochrechnungmachte ich bei km 14. Erfreut stellte ich fest, dass ich mit 57:45 einige Sekunden gewonnen hatte, und noch lief es rund. Andererseits lassen sich bei welligem Kurs die km-Abschnitte nicht 1:1 vergleichen. Na egal, weiterlaufen und Tempo halten, so lange es geht. Und es ging! Nach über 20 km teilt sich die Strecke, und während ich zunächst zweimal nach links dem Schild „HM 1. und 2. Runde“ gefolgt war, bog ich nun nach rechts, dem „Ziel“ folgend, ab und traf kurz dahinter auf das Anfangsstück.

Fieserweise, aber das ist systemimmanent, muss es, wenn Anfangs- und Endstück identisch sind und es anfangs bergab geht, am Ende bergauf gehen. Diese theoretische Überlegung wurde zu meinem Leidwesen in der Praxis bestätigt, aber nach etwa 300 m war auch das ausgestanden, und ich lief durchs Ziel. Einiges hatte ich an Plätzen noch gut gemacht und wurde als Gesamt-Dreizehnter notiert. Meine Hochrechnungen waren auch nicht so verkehrt gewesen, und angesichts der nicht ganz schnellen Strecke war ich mit der Endzeit von 1:27:21 h hochzufrieden. Für den Sieg in meiner Altersklasse hätte ich es sogar 11 Minuten geruhsamer angehen lassen können. Der Nächste nach mir mit 19 Sekunden Abstand war übrigens mein mutmaßlicher spanischer Favorit.

Nun musste aber schnell der Flüssigkeitspegel aufgefüllt werden. „Pils oder Kölsch?“ fragte mich der junge Mann an der Getränkestation. Ich entschied mich für das Pils, das sich als klares Leitungswasser entpuppte, und nach einigen Bechern stieg ich dann auf ein Kölsch um, das als Isogetränk leicht süßlich schmeckte. Bevor ich zurückfuhr, genehmigte ich mir dann aber doch noch ein richtiges Pils.

Zufrieden bin ichvor allem mit der Tatsache, dass ich endlich wieder mit Anstrengung zwar, aber mit lustvoller Anstrengung gelaufen bin ohne die Quälerei der letzten Läufe, und dass ich das Gefühl für das richtige Lauftempo doch noch nicht verloren habe. Die nachträgliche Auswertung der HF-Kurve zeigt übrigens, dass ich die zweite Hälfte mit höherer Durchschnitts-HF laufen konnte als die 10 km-Wettkämpfe zuvor. Und was auch ganz wichtig ist: Die Plantarsehne schwieg während des Laufes stille, war nur wenig spürbar danach und am folgenden Tag schon wieder ganz brav.

Das Allerwichtigste aber: Heute am Montag ist meine Tochter erschöpft, mit leichtem Glubschauge, aber ansonsten heil und wohlbehalten zurückgekommen.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben: Zufrieden bin ich
Das ist die Hauptsache! :daumen:

Schöne von Deiner Gesundung zu lesen, dann habe ich noch Hoffnung ...

gruss hennes

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Hallo Bernd,

dann habe ich Dich doch richtig erkannt. Ich war mir aber nicht sicher und der Start erfolgte diesmal etwas überraschend. Das ist nicht nur mir so gegangen.

Die Beschreibung der Strecke und des Laufs kann ich voll unterschreiben. Ich habe ihn genauso wahrgenommen, wenn auch mit einer um 5 Minuten langsameren Zeit, aber ich bin auch zufrieden. Ich habe mal die 5k-Splits zusammengerechnet und diesmal fast identische Werte bekommen. Nur der Rest fiel etwas ab, aber die Steigung zum Schluss tut schon weh. Ich habe auch kurzentschlossen den HM gewählt, im letzten Jahr bin ich dort den 5er gelaufen.

Glückwunsch zu Deinem Lauf :daumen: und vielen Dank für den wie immer spannenden Bericht. Hast Du schon die Fotosgefunden?

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Welcome back :daumen: !
burny hat geschrieben: war ich nahe am Herzinfarkt gewesen. Nach vielem Hin und Her probierte ich es noch einmal mit der Methode „Dschei like in June, Juh like in universe,…“. „Ah, yes, sir, it’s Miss …“. - Mein nächstes Ava wird mich um Jahre gealtert zeigen.
Tja, dafür sind Papis und Mamis da ... :zwinker2: .
Renn-Schnecke

... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...

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sauber ... 3 Foris laufen hintereinander in Hambach ein und merken nix voneinader ... Mein Bericht:

Kurzfassung: Geht doch , neue PB in 1:34:24.

Ich hab direkt richtig Gas gegeben, und die ersten 3 in 12:40 angelaufen und das Gefälle am Anfang voll ausgenutzt. Von dem Zeitpolster konnte ich dann in der 2. Hälfte gut zehren, vor allem als bei den kleinen giftigen Anstiegen am Anfang der 2. Runde vor mir reihenweise die Leute ausgestiegen sind und ich die 2. Hälfte komplett alleine gelaufen bin. Erst auf dem letzten KM kamen einige wieder angeflogen, die vorher anscheindend nicht voll gelaufen sind. Zwischensplits: 21:30, 43:50, 1:06:30, 1:29:20, am langsamsten war km 18 mit 4:40.

Die Wasserstellen haben gerade so ausgereicht, hab mir auch 2 Squeezys bei 11 und 15,5 gegönnt. Habe nun zum 2. mal mit Kompressionsstulpen von 2Xu experimentiert, scheint wirklich was zu bringen, muskulär hab ich wenig Probleme, nur mein Magen fand das Iso-Zeugs im Zielbereich nicht so toll ... (da ich mir nicht ganz sicher bin, ob da nicht doch die Squeezys ne Rolle gespielt haben, nehme ich im Mnstr lieber die altbewährten Powergels mit, da hatte ich noch nie Probleme.)

Stephan

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Schön, dass es bei dir wieder aufwärts geht.

Grüße

Jörg
Neue Laufabenteuer im Blog

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Na, das klingt doch super! Vielen Dank für den Bericht, und herzlichen Glückwunsch zu Deinem Wiedereintritt in die Halb(-marathon-)welt! :daumen:

Sub1:30 ist übrigens nur für Alt-Trinker unerreichbar. Um deutlich unter 1:25 zu bleiben, sollte man dann aber doch keine halben Sachen mehr machen und Kölsch bevorzugen. :zwinker2:
Renn', als wenn Du geklaut hättest !!

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Hallo Bernd,

es geht wieder aufwärts, prima :daumen: und das Beste, du warst zufrieden.

Achim

PS: Das Hambach am Tagebau ?
Man muß das Unmögliche so lange anschauen,
bis es eine leichte Angelegenheit ist.
Das Wunder ist eine Frage des Trainings.

Carl Einstein

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Danke für eure Glückwünsche und Kommentare!
Hennes hat geschrieben:dann habe ich noch Hoffnung ...

Die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Manche Sachen dauern halt verflucht lange. ½ Jahr nach Beginn des Plantarsehnenanrisses ist das bei mir ja auch noch nicht gänzlich, sondern zu vielleicht 90 – 95% in Ordnung. Ich drück dir die Daumen!
Stormbringer hat geschrieben:Hast Du schon die Fotosgefunden?

Danke für den link! Ich hab zwar den Peter wie gewohnt mit Sammelbüchse und Kamera rumrennen sehen, aber die Fotos vorher noch nicht gefunden.

Stormbringer hat geschrieben:im letzten Jahr bin ich dort den 5er gelaufen.

Witzig: ich auch. Daran habe ich aber keine gute Erinnerung, denn letztes Jahr schoss die HF nach 1,5 km wegen Vorhofflimmern auf über 200 hoch, und ich musste radikal Tempo rausnehmen.

Glückwunsch auch zu den sauberen, gleichmäßigen Splits, das zeugt von guter Einteilung! :daumen:
Renn-Schnecke hat geschrieben:
Tja, dafür sind Papis und Mamis da ...

So ist es, und das hört wohl auch nie ganz auf. :wink:

kanditt hat geschrieben:neue PB in 1:34:24.

Auch dir herzlichen Glückwunsch, und das auf dieser nicht ganz einfachen Strecke, da geht bei flachem Kurs und kühlem Wetter noch einiges!

kanditt hat geschrieben:als bei den kleinen giftigen Anstiegen am Anfang der 2. Runde vor mir reihenweise die Leute ausgestiegen sind

Jetzt, wo du’s sagst: Ich hatte auch den Eindruck, so manchen, dem ich unterwegs begegnet nicht, später im Zielbereich nicht mehr gesehen zu haben…

19joerg61 hat geschrieben:Schön, dass es bei dir wieder aufwärts geht.

Das Gefühl habe ich auch, höre aber sehr vorsichtig, manchmal vielleicht übervorsichtig, in mich hinein (und die Zeiten können ruhig noch etwas abwärts gehen…)
CentralParker hat geschrieben: Kölsch bevorzugen. :zwinker2:
Du meinst dieses Recycling-Bier? Vorher und nachher weder am Geschmack noch an der Farbe zu unterscheiden? Einzig an der Temperatur? :teufel:
acaffi hat geschrieben: Das Hambach am Tagebau ?

Genau das! Bis vor einigen Jahren gab’s dort auch einen Lauf, der ganz unten im Tagebau begann und oben auf der Sophienhöhe endete (so ca. 500 m Höhenunterschied auf 10 km). Dort fanden sogar mal die Deutschen Meisterschaften im Berglauf (!) statt.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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