Die Autoren bringen dazu das Beispiel: "Stellen wir uns eine Gruppe von Patienten vor, bei denen allesamt im Alter von 67 Jahren Prostatakrebs festgestellt wurde. Alle starben dann 3 Jahre später mit 70. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt also 0 Prozent. Stellen wir uns weiterhin vor, bei derselben Gruppe sei aufgrund von gehäuft verwendeten PSA-Tests und nachfolgenden Biopsien aufgrund von Krebsverdacht schon im Alter von 60 der Krebs festgestellt worden. Alle sterben dann mit 70 und somit beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 100 Prozent. Das heißt: Der statistische Wert der Überlebensrate steigt ganz massiv, obwohl nicht ein einziges Leben gerettet oder verlängert wurde, nur weil die Diagnose auf einen früheren Zeitpunkt gelegt wurde."
Also, nicht alles glauben, was Wissenschaftler so herausfinden, wenn der Tag lang ist!Anhand eines zweiten Beispiels machen die Autoren deutlich, dass eine in wissenschaftlichen medizinischen Artikeln leider weit verbreitete Unsitte, nur relative Risiken mitzuteilen und absolute Risiken zu verschweigen, erhebliche Negativeffekte bewirken kann. Im Oktober 1995 gab eine Aufsichtsbehörde im United Kingdom eine Warnung an Ärzte heraus, derzufolge ein bestimmte, neue Generation oraler Verhütungsmittel ein deutlich erhöhtes Risiko von lebensbedrohlichen Blutgerinnseln mit sich bringen würde.
Dieses Risiko sei im Vergleich zu herkömmlichen Pillen doppelt so hoch, um 100 Prozent gesteigert. Die Warnung wurde auch den Medien zugespielt und veröffentlicht, was bei einer großen Zahl von Frauen bewirkte, dass sie die Pille absetzten. Eine Vielzahl ungewollter Schwangerschaften war die Folge und im Folgejahr wurden im UK rund 13.000 Schwangerschaftsabbrüche mehr als in den Vorjahren gezählt. Das Problematische hieran: Die Mitteilung des doppelt so hohen Risikos war korrekt, aber dieses relative Risiko war nur die halbe Wahrheit. Hätte man auch das absolute Risiko mitgeteilt, wären die Folgen wohl weniger dramatisch ausgefallen. Dieses absolute Risiko betrug nämlich bei der neuen Pille 2:7.000, bei den Pillen der alten Generation 1:7.000. Tatsächlich also eine Steigerung um 100 Prozent, tatsächlich jedoch ein verschwindend geringes Risiko von 0,014 Prozent bzw. 0,028 Prozent.
Quelle: Forum Gesundheitspolitik: Nicht nur Patienten, auch Journalisten und Ärzte sind Analphabeten, was Gesundheitsstatistiken anbetrifft