Der letzte Marathon des Jahres 2009 sollte wie im Vorjahr der Herbstmarathon in Werdau sein. 2008 bin ich dort 3:18:08 h gelaufen (nur 23 Sekunden über der damals gültigen Bestzeit). Weil dies zudem recht locker lief, stand seit langem eine 3:08 h als Zeitziel fest. Damit würde ich gleichzeitig meine Marathon-Bestleistung aus dem April 2009 verbessern (3:09:50 h).
Trotz der hügeligen Strecke mit 400 Höhenmetern traute ich mir das zu. Im Spätsommer lief ich aber lauter gute Rennen und stellte neben einer 10km-PB (38:16 min) auch eine HM-PB von 1:25:53 h auf; dies trotz Schnupfen in den Tagen davor. Der Lauf war aber so gut, dass ich langsam auf eine bessere Zeit schielte.
Vielleicht sind ja auch 3:05 h drin? Gut drauf bin ich ja.
Das Training der letzten Wochen lief sehr gut. Die normalen Dauerläufe machte ich jetzt schneller, hin und wieder versuchte ich auch richtige Tempoarbeit einzustreuen, hauptsächlich aber durch die Wettkämpfe über 20 bergige Kilometer in Ehrenfriedersdorf Anfang Oktober und den Halbmarathon Ende Oktober. Eine und zwei Wochen vor dem Marathon lief ich auch jeweils einen Langen, zuerst 31 km und dann 34,7 km, jeweils sehr hügelig. Die 34,7km waren mit 5:07 min/km ungeplant lang und schnell, leider hatte ich mich im Chemnitzer Zeisigwald verlaufen.
Je näher das Rennen kam, desto unsicherer wurde ich bzgl. der Zielzeit. Sollten eventuell sogar unter 3 Stunden möglich sein? Bei dieser Strecke in Werdau doch ein Unding.
Vorsichtshalber bastelte ich mir dennoch zwei Tempo-Armbänder: 3:05 h und 2:59 h. Yvonne verabschiedete mich noch damit, dass sie gern eine 2 vorn sehen möchte. Ich beteuerte nochmals, dass ich dies für mich auf dieser Strecke für unmöglich halte. (Ich weiß ja nicht einmal, ob ich dass auf flacher Strecke je schaffen würde...)
So reiste ich am Sonntag sehr pünktlich nach Werdau. Ich konnte deshalb noch etwas mit dem Sprecher Rainer Zimmermann sowie einigen Bekannten quatschen.
Nach Abschluss der ganzen Vorbereitungen (Warum gibt es in einer Sportschule mit Sportplatz und Turnhalle nur 3 Toiletten je Geschlecht?) schlüpfte ich in meine Renn-Klamotten, rüstete mich mit 3 Gels und 3 Gelchips aus. Längst hatte ich mich doch für den wahnwitzigen Versuch entschieden, die 3 Stunden anzugreifen und legte das entsprechende Armband an. Warum sollte ich es nicht probieren? Ich kann ja jederzeit auf die Bremse treten und vermutlich dennoch unter 3:10 h ins Ziel kommen; eine Bestzeit wäre das dann immer noch.
Vor dem Start noch ein gemeinsames Bild mit dem Deutschen Marathon-Vizemeister Peter Rodewald. Ich versuchte mich neben ihn in Reihe eins zu stellen, wurde aber von einem HM-Läufer verdrängt. Dann ging es auch schon auf die mir gut bekannte Strecke (es ist mein 4. Start) bei perfektem Laufwetter: 11°C und Sonnenschein.
Einige schießen doch mächtig los, obwohl es den ersten Kilometer bergauf geht. Ich versuche es nicht zu übertreiben und laufe mein eigenes angenehmes Tempo.
Als es dann gleich wieder bergab geht, bläst uns der Wind ordentlich entgegen, ich finde leider keinen richtigen Windschatten und muss deshalb selbst Tempo machen. Kurz darauf läuft Thomas Delling vom LV Limbach neben wir. Das ist ein guter Ansporn und Anhaltspunkt für mich. Ich habe jetzt ganz schön Fahrt aufgenommen, kann aber mangels KM-Markierungen das Tempo nicht kontrollieren. Na egal, noch geht es bergab. Endlich biegen wir in den Wald ein. Das neue Streckenstück (seit der Änderung wegen Wegfall der Dreiflügelbrücke) gefällt mir sehr gut. Thomas ist immer noch neben mir. Ich entschließe mich trotz des nicht geringen Tempos ihn nach seinem heutigem Vorhaben zu befragen. Leider hat er gar kein konkretes, weil er am Vortag noch die Landesmeisterschaft im Cross absolviert hat. Er will deshalb nur so lang wie möglich an mir dran bleiben. Das ist zwar etwas schade für mich, aber so kann ich mich auch nicht beim Verfolgen eines Anderen übernehmen.
Endlich kommt die erste KM-Markierung: 5km, meine Uhr zeigt 21:33 min an. Thomas erinnert mich daran, dass für 3 h aber 21:15 min nötig wären. Das sagt auch mein Armband. Ich soll noch schneller laufen???
Nach der ersten Wasserstelle werfe ich meinen ersten Gelchip ein. Allerdings ist das Tempo zu hoch, um das Ding gescheit in den Backentaschen zergehen zu lassen.
Es hat sich jedenfalls ein nettes und interessantes Gespräch mit Thomas entwickelt. Hoffentlich werde ich das später nicht büßen müssen.
In der Gegenrichtung ist das 35km-Schild aufgestellt, wir haben also schon über 7km weg. Jetzt geht es einen leichten aber längeren Anstieg hinauf. Das Gespräch verstummt hier. Dann wird es wieder eben und wir kommen richtig ins Rollen, überholen einige Läufer, welche fast alle den HM als erste eines Paares laufen müssten.
Dann endlich die 10km: 43:16 min (5km in 21:43). Ich äußere, dass damit das Unternehmen sub 3 h gescheitert sein dürfte, denn das Tempo fühlt sich zwar angenehm hart an, aber ich kann mir nicht vorstellen, noch 32 km weiter so zu laufen.
Kurz vor der Weidmannsruh-Verpflegung werfe ich das erste Gel ein – Nachspülen – Weiterrennen. Nun sind wir auf der reinen Marathonstrecke und es ist gleich viel einsamer und ruhiger.
Es ist kurz etwas matschig, geht dann einen kleinen Anstieg hoch, kurz danach links, gleich wieder rechts und dann auf Asphalt ein Stückchen abfallend. Hiernach scharf links und wieder aufwärts. Wir laufen nach wie vor nebeneinander und plaudern noch reichlich.
Nach weiterem Hoch und Runter kommen wir am Ende eines Anstieges zu dem nächsten Schild:
15 km: 1:04:02 h (5km in 20:46!)
Nur noch 17 Sekunden hinter dem sub3h-Schnitt!
Nun geht es wieder abwärts zur nächsten Verpflegung bei Drei Lärchen. Ich begnüge mich mit Wasser. Auf den geplanten Gelchip verzichte ich, weil es ab der Verpflegung wieder länger und auch etwas steiler bergan geht.
Unser Gespräch verstummt immer mehr. Am Ende der Steigung biegen wir nach links ab, während die Halbmarathonis geradeaus schon wieder Richtung Ziel rennen. Es geht runter, hoch, runter und dann laufen wir am Elferteich vorbei. Dank meiner Streckenkenntnis weiß ich, dass es nach der Senke vergleichsweise steil hoch geht.
Hier passieren wir noch gemeinsam das 20km-Schild: 1:25:15 h (5km in 21:13) – 15 Sekunden über dem sub3h-Schnitt.
Hier muss Thomas leicht abreißen lassen. Ich vermute aber, dass er gleich – wenn es wieder fast gerade wird – aufschließen kann. Die Strecke biegt rechts ab auf einer langen Geraden zurück zur Weidmannsruh. Dieser Abschnitt ist nur minimal ansteigend, aber hier kommen einem die Halbmarathonis entgegen und ein paar Spaziergänger sind zu umkurven.
Ich konsumiere mein zweites Gel. An der Verpflegungsstelle spüle ich mit Wasser nach und werde leicht von einer jugen Helferin behindert. Kurz muss ich schauen, welchen Abzweig nach links ich nehmen muss, da die Verpflegungsstelle nach unserem ersten Besuch umgesetzt wurde.
Dann geht es auf die zweite Runde. Am Ende des oben beschriebenen, abfallenden Asphaltstückes stehen Streckenposten. Der eine notiert meine Nummer und sagt leise etwas von Platz 5.
Kann das stimmen? Es müssen doch viel mehr Läufer vor mir sein. Und außerdem laufen Zwei in Sichtweite vor mir. Wenn ich die packen könnte, wäre das ja Platz 3, unmöglich. Aber die Platzierung ist egal, hier und heute geht immer noch nur um meine Zeit und die nach wie vor bestehende Möglichkeit auf sub 3!!!
Den ersten Läufer vor mir kann ich Meter um Meter abnehmen. Das Tempo zu halten fällt mir noch erstaunlich leicht. Bald bin ich dran. Doch erstmal steht das 25 km-Schild:
25 km: 1:46:00 h (5 km in 20:45!) - Nun sind es plötzlich 15 Sekunden Vorsprung auf den sub3h-Schnitt! Trotz der Anstrengung stelle ich fest, dass die eine persönliche Bestmarke über 25km darstellen müsste.
Auf dem folgenden Bergabstück gen Verpflegungsstelle Drei Lärchen sauge ich mich immer näher an den Vordermann heran. Vorsichtshalber nehme ich eine Salztablette, habe aber einige Mühe, diese aus der Alufolie herauszufummeln. Noch rechtzeitig vor dem Wasser schaffe ich es. Ich spüle mit zwei Bechern nach und überhole gleichzeitig den Vordermann.
Wieder hoch und dabei überrunde ich den ersten Marathonläufer. Ich erkenne ich bereits von weiten, weil er mit der gleichen Montour wie beim 24-Stundenlauf in Reichenbach unterwegs ist.
Ich bleibe weiter am Ball und versuche das so ganz langsam spürbare Tempo nicht absacken zu lassen. Da steht schon die nächste Aufgabe an. Vordermann Nummer 2 ist nun nur noch knapp vor mir. Wenig später bin ich vorbei. Ich setze mich auch gleich ab, vertraue dabei aber nur auf mein Gehör. Das gesamte Rennen über habe ich mich ganz Profi ;-) niemals umgedreht.
Immer wieder überrunde ich den ein oder anderen Marathoni. Kurz vor dem Elferteich ist die nächste Zwischenmarke:
30 km: 2:07:24 h (5km in 21:24; 10km in 42:09) – 6 Sekunden unter dem sub3h-Schnitt!
Ich frage mich, ob nun langsam ein Einbruch ansteht?
Wieder zur Weidmannsruh nehme ich mein drittes Gel. An der Verpflegungsstelle leiste ich mir den Luxus zweier Wasserbecher und trinke beide in schnellem Gehen.
Der Chef der Verpflegungsstelle feuert mich nochmal schön an für die letzten 10km. Ich freue mich, dass es jetzt zurück zum Ziel geht. Kurz überkommt mich das Gefühl, dass es gleich zu Problemen kommen wird. Nach wenigen hundert Metern fühle ich mich aber wieder gut und mache weiter Druck, denn einige Distanz vor mir habe ich einen mutmaßlichen Marathonläufer erspäht. Sollte ich aber dennoch auf Platz 3 liegen, kann ich mir das aber eigentlich gar nicht vorstellen, dass dieser wirklich Marathon läuft. Ich komme ihm kaum näher, komisch. Langsam wird der Abstand doch geringer. Ich konzentriere mich aber nicht primär auf den vermeintlichen Konkurrenten sondern auf meinen Lauf und die entgegenkommenden zweiten Läufer des Paarlaufes. Das ist teilweise auch recht interessant, manche feuern mich sogar an.
Nach einen Links-Knick mit anschließendem Gefälle schließe ich nun doch merklich auf den Vordermann auf. Zuvor das nächste Schild:
35 km: 2:28:30 h (5km in 21:06) – 15 Sekunden unter dem sub3h-Schnitt
Kurz danach biegt die Strecke scharf nach rechts und schwupps laufe ich neben dem Vordermann mit roten Shirt. Er dreht sich nach mir um und erklärt mir, dass ich vorbeilaufen solle, da er das Tempo nicht mehr halten kann. Nach seiner Aussage soll ich nun auf Platz 2 gesamt liegen. Ich frage deswegen extra nach und erkläre ihm, dass ich das kaum glauben kann. Er will noch wissen, wieviel Abstand nach hinten ist. Ich antworte: ca. 3 Minuten.
Ich gebe weiter Gas, bei der Wasserstelle habe ich es eilig, kollidiere fast mit einem Helfer der sich etwas unglücklich in den Weg stellt. Weiter, weiter, das Ding kann noch klappen. Zusätzliche Motivation ziehe ich aus meiner vermeintlichen Platzierung. Ich passiere das 5km-Schild, was ja auch 5 km ins Ziel bedeuten. Ich rechne so gut es noch geht und komme zu dem Ergebnis, dass es sehr gut aussieht. Dann kommt mir plötzlich Torsten, ein befreundeter Läufer entgegen. Während ich die Hälfte eines Traubenzuckertäfelchens als letzten Power-Booster lutsche, rufe ich ihm zu: „falsches Sportgerät!"
Von weitem sehe ich die Absperrung vor der ich rechts in das schöne neue Waldstück abbiegen muss. Nach ca. 200 m 90 Grad links, über etwas unebenem Weg nach Leubnitz. Nach diesen paar Häusern geht es links auf die Straße und der letzte lange Anstieg beginnt. Und genau will im rechten, hinteren Oberschenkel ein Krampf entstehen. Der spinnt wohl. Die Beine haben die Klappe zu halten. Ich habe niemals Krämpfe. Und heute auch nicht. Also Laufstil leicht verändert und weiter, weiter, weiter.
Der Anstieg zieht sich zwar, aber es geht immer noch vergleichsweise gut.
40 km: 2:49:49 h (5km in 21:19) – 11 Sekunden unter dem Schnitt für 2:59:20 h, also nun sollte die Sache geritzt sein, schließlich geht es nach der Waldsiedlung bis zur Sportschule schön bergab.
Ich freue mich als es wieder gerade wird, aber klar, habe vergessen, dass es kurz darauf nochmal hoch geht.
Leider ist hier nichts los, selbst der Streckenposten ist nach so vielen Stunden sehr stumm.
Dann endlich ist der Ortseingang von Werdau da. Ich renne jetzt flott den Berg hinunter und bekomme Applaus von Cordula.
Wenig später biege ich auf „Drei Teichen" ab und kann dann schon die Streckenposten am Eingang zur Sportschule sehen. Ich fliege förmlich hinab.
Am Abzweig hoch zum Ziel muss ich kurz abbremsen und feiere innerlich schon. Ich sprinte den steilen Schlussanstieg hinauf, Rainer kündigt mich an, ich springe über die noch im Weg stehenden Absperrungs-Hütchen vom Paarlauf und renne sehr glücklich ins Ziel und halte den Transponder an die Zeiterfassung und bekomme meine Urkunde. Gut, Platz 4 gesamt war es nun tatsächlich, ist mir aber auch egal. Zum Glück denke ich noch daran, meine Uhr anzuhalten und kann es kaum fassen:
2:58:41 Stunden für einen Marathon. Ich habe hier und heute die 3 Stunden geknackt. Ich kann es nicht fassen, unglaublich. Gabriele Horn beglückwünscht mich und gibt mir das Teilnehmer-Handtuch. Ich sprudele bestimmt etwas über und erkläre ihr das erstmalige Unterbieten der 3 Stunden. Nach vielen Bechern warmen Tee begebe ich mich zum Auto und kann dabei auch Rainer Zimmermann mitteilen, dass ich erstmals unter 3 Stunden geblieben bin. Und da kommt Thomas den Zielanstieg herauf. Ich wird von einem anderen Läufer passiert, ich feuere ihn an, aber er kann nicht kontern. Später sagt er mir, dass es auch noch ein AK-Konkurrent war, er selbst aber nicht mehr konnte. Seine Zeit registriere ich in dem Moment aber nicht. Ich schwatze noch kurz mit dem Sieger Peter Rodewald, auch er hatte ein Spitzenrennen und ist sehr glücklich, wohl auch über den Streckenrekord.
Beim Duschen grinse ich innerlich sehr, die anderen wissen nichts von meiner Leistung, sind alles Paarläufer.
Mir geht es nach dem Rennen ziemlich gut, habe keine Probleme.
Später hängt die Ergebnisliste aus:
Platz 4 (von 94) mit 2:58:39 h; Platz 2 der MHK (hinter Peter) und über 6 Minuten Abstund zum Drittplatzierten. Auf den 5. habe ich noch knapp 3 Minuten Vorsprung herausgelaufen, auf ca 6 km.
Thomas, mein Begleiter der ersten 20km finisht ist ebenfalls sehr starken 3:08 h.
Nach einer späten Siegerehrung, bei der zwar jeweils die ersten 6 Paarläufe je Kategorie geehrt werden, in der Gesamtwertung des Marathons aber nur die Ersten; fahre ich superzufrieden nach Hause.
PS: die letzten 2,2 km (überwiegend bergab) in 8:50 min = 4:00min/km
PPS: zwei Wochen nach diesem Rennen bin ich beim Freiberger Adventslauf 10,2 km in 38:05 min gelaufen, was 37:20 min auf 10,0 km entspricht.
GRATULATIOOOOOON! 
