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Miss Piggy vs. Frank N. Furter: Silvesterlauf in HH-Volksdorf

Miss Piggy vs. Frank N. Furter: Silvesterlauf in HH-Volksdorf

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Am 29.11.2009 um 13:10 stand der Entschluss fest: Das ist mein definitv letzter Wettkampf dieses Jahr! Ein eisiger Wind pfiff über die Bertlicher Felder und traf die vereinzelten Läufer schräg von vorn. Die 2 km-Marke war längst passiert, die 3er in scheinbar unendlicher Entfernung voraus. Können läppische 5 km tatsächlich so lang sein? Gut, nun wusste ich immerhin, wie sich drohendes Übertraining anfühlt. Höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen.

Bis zum Start der Duisburger WLS Anfang Februar würde es also kein Um-die-Wette-rennen mehr geben. Ade Pfalzdorf, Herne, Werl - Soest, ihr werdet alle irgendwann nachgeholt! Andererseits schön, so können wir Silvester in Hamburg feiern, ohne an der Heimatfront etwas zu verpassen. Es war mein Mann, der damit anfing: "Wenn wir schon in Hamburg sind, dann könnten wir doch eigentlich auch mal den Lauf um die Teichwiesen mitmachen. Das muss die absolute Kultveranstaltung sein." Ein reiner Fun Run, warum nicht?

Auf der Seite des Veranstalters hieß es denn auch lapidar "Die besten Kostüme werden prämiert", von Zeiten und Platzierungen war keine Rede. Auf Helmuts Fahrrad-Seiten hatten wir schon einige Berichte gelesen und zahlreiche Fotos betrachtet, da gab es viele, teils wirklich heiße Kostüme zu bestaunen.

Für Rheinländer unfassbar, kann der gemeine Hamburger nämlich mit Karneval nichts anfangen*. Dort läuft von Weiberfastnacht bis Veilchendienstag das Leben einfach völlig normal weiter. Nur in einigen Kindergärten und Grundschulen dürfen die Kleinen am Rosenmontag verkleidet antanzen, denn durch Fernsehen und Internet schwappen exotische Gebräuche selbst in die hintersten Winkel dieser Welt.
*Natürlich, auch im Rheinland gibt es zahlreiche Karnevalsverächter, siehe z.B. hier. Aber unabhängig von persönlichen Vorlieben sind wir es einfach gewohnt, dass einmal jährlich von Donnerstagmorgen bis Dienstagnacht der absolute Ausnahmezustand herrscht.

Doch auch in vielen Erwachsenen wohnt eine tiefe Sehnsucht, sich gelegentlich mal in etwas völlig anderes zu verwandeln. In Norddeutschland kann man diese Sehnsucht am besten an Silvester ausleben. Ein Bummel durch die Kaufhäuser in den Tagen nach Weihnachten erscheint einem Bewohner von NRW wie eine Zeitreise zwei Monate weit in die Zukunft. Kostüme, Theaterschminke, Luftschlangen, und jede Bäckerei hält Berliner in allen Variationen bereit. Nun denn, schauen wir uns das Spektakel mal an!

Wir folgen dem Rat des Veranstalters und lassen das Auto zuhause stehen. Die Anreise mit der U-Bahn ist problemlos, ein 5-Minuten-Takt auch an Silvester normal (der Kulturschock ereilt mich immer erst nach der Heimkehr in den VRR). Vom Bahnhof Volksdorf sind es nur wenige Minuten Fußweg, immer der Meute in Laufkleidung und Kostümen hinterher. Schon auf dem Weg dringen vertraute Klänge an unser Ohr. Ja, sind wir denn hier beim Rhein-Ruhr-Marathon gelandet? Tatsächlich, vor der Startkartenausgabe hat sich eine Sambaband aufgebaut und sorgt für mächtig Stimmung.

In der Pausenhalle der örtlichen Grundschule gibt es die Startkarten, ohne Nummer, dafür mit Gutschein für einen Punsch und einen Berliner nach dem Lauf. Name und Geburtsjahr schreibt jeder selber drauf, anschließend werden sie "gut sichtbar" vorn ans Trikot getackert. Erste Überraschung: Über der Bühne hängt ein Schild mit den Zeiten der Siegerehrungen, es geht also nicht nur um die besten Kostüme. Zweite Überraschung: Es sind doch eine Menge Läufer/-innen in ziviler Laufkleidung da, und einige von ihnen sehen verflixt schnell aus. Schnell wimmel ich den kleinen Teufel an meinem linken Ohr ab: "Nix da, mein Lieber, heute wird gemütlich gelaufen, steck dir deine ersten drei Plätze sonstwohin!"

Dann geht es auch schon los zum Start. Um die 1000 Läufer drängen sich auf einem schmalen Parkweg, der von einer leicht schneebedeckten dicken Eisschicht überzogen ist. Der Startschuss erfolgt stilecht mit einer Silvesterrakete, leider nicht ganz synchron mit dem Countdown. Aber egal, wir laufen, besser gesagt, wir rutschen, schlindern, gleiten. Die erste Runde geht es noch so eben, doch dann ist die Schneeschicht endgültig hinüber und die Eislaufsaison eröffnet. Die Zuschauer bemühen sich nach Kräften, uns das Leben zu erleichtern, indem sie nicht nur anfeuern, sondern auch kiloweise Erde und Laub auf die Strecke schaufeln. Dadurch erhalten wir wenigstens hin und wieder eine Verschnaufpause auf beinahe griffigem Boden.

Die Strecke hat verblüffend viele Höhenmeter zu bieten, wobei diesmal die abschüssigen Abschnitte das eigentliche Problem darstellen. Die zahlreichen Stürze gehen glücklicherweise alle glimpflich aus. Ich halte mich an meine guten Vorsätze, laufe locker im GA2-Tempo, soweit möglich, stets bemüht, a) nicht auf die Schnauze zu fallen und b) niemanden umzurennen. Letzteres ist bei der Läufermasse, verteilt auf einen Rundkurs von nur 2,6 km, nicht ganz einfach. Dass mir beides gelingt, und ich nebenbei noch die Zeit habe, die ausgefallenen Kostüme der anderen Läufer zu bewundern, darauf bin ich sehr stolz.

Ein üppiges nacktes Hinterteil verführt zum Reinkneifen, ist aber leider aus Kunststoff. Pippi Langstrumpf läuft händchenhaltend mit einem Panzerknacker, was sagt Thomas wohl dazu? Biene Maja und Willi sind beide weiblich, haben wir das nicht immer schon geahnt? Ein knapp zwei Meter großer Rauschgoldengel erinnert mich an John Irving in der Rolle der Roberta in Garp und wie er die Welt sah. Und da vorn, ist das nicht Tim Curry, wie kann der so jung geblieben sein? Weißblond statt schwarz gelockt, aber die Strapse sitzen! Mich friert es schon beim Hingucken. Die niedliche Herde aus rosa Schweinchen muss sich auf jeder Runde Zuschauer-Kommentare anhören wie "Hilfe, Schweinegrippe!" und "Seid ihr wenigstens geimpft?". Ein Elch trabt auf zwei Beinen dahin, ohne schwere Autounfälle zu verursachen.

Irgendwann ist auch die vierte Runde aufrecht überstanden, und ich schwenke erleichtert ins Ziel ein. Ein Helfer fragt routiniert "Wieviele Runden?", ich antworte "4" und er "Hey, du bist die erste!". Staun... Offenbar haben alle anderen Läuferinnen dieselben guten Vorsätze beherzigt wie ich, so dass der Frauenwettkampf im Prinzip ersatzlos ausfiel. Meine furiose "Siegerzeit" für 10,4 km: 50:40! Bei den Männern ging es deutlich härter zur Sache, der Gewinner brauchte auf dem spiegelglatten Untergrund ganze 36:25, der Drittplatzierte exakte 40:00.

Am Ende des Zielkanals steht ein antik anmutendes Gerät, mit dem man sich seine Zeit (nur ganze Minuten) auf die Startkarte stempelt für die spätere Ausstellung der Urkunde. Das mitgestempelte Datum ist der 31.12.1979! Ich sortiere mich unter die Zuschauer, feuer die Läufer an und warte auf meinen Mann. Er hatte zwischendurch mehrfach Pausen eingelegt, um Fotos zu machen, daher kann das noch dauern. Plötzlich fällt mir der Zeitplan der Siegerehrung wieder ein, und dass ich da ja hin muss. Die Zeit reicht gerade noch, um vorher meinen Glühwein-Gutschein einzulösen. Junge, tut das gut!

Mein Mann schafft es sogar noch in die Pausenhalle, bevor ich auf die Bühne gerufen werde, so dass das verblüffende Ereignis auch noch ordentlich fotografisch dokumentiert wird. Mein fünfter Pokal 2009 und eindeutig der unverdienteste. Aber egal, ich schwebe auf Wolken, und mein erster guter Vorsatz für 2010 ist schon gefasst: Am 31.12. wieder "Rund um die Teichwiesen" laufen!
Helmuts Fahrrad Seiten..............................PresseRad - Der Radfahrer in der Presse

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gratuliere! :nick: die unverhofften siege sind doch die besten :daumen: und vorallem, wenn man dabei noch so viel "nettes" zu gesicht bekommen hat. für einen silvesterlauf der kracher, finde ich. :D

lg,
line
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PB: 5km: 21:14 (Juni 2010) - 10km: 43:38 (Juni 2011) - HM: 1:37:39 (Sept. 2010) - M: 3:31:47 (Oktober 2010)

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VeloC hat geschrieben: Am Ende des Zielkanals steht ein antik anmutendes Gerät, mit dem man sich seine Zeit (nur ganze Minuten) auf die Startkarte stempelt für die spätere Ausstellung der Urkunde.
Ja, das fand ich seinerzeit auch ganz witzig, Zeiten im Minutentakt!

Marienkäfer hat geschrieben: Aber - ist denn irgendwo schon Karneval?
Na klar! Seit dem 11.11. um 11.11 Uhr - wie immer!

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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