Hier ein interessanter Artikel über eine der möglichen Zusammenhänge mit dem Laufen im Bonner Generalanzeiger:
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Die Lust des Marathonläufers am Leiden
Psychologe Andreas Marlovits hat sich mit der Motivation der 42,195-km-Läufer beschäftigt: Man fühlt sich beflügelt, obwohl man körperlich am Ende ist - Bonner sollen Leiden an sich selbst zulassen
Bonn. Der Marathon und das Laufen an sich sind in den vergangenen Jahren zu einem gesellschaftlichen Phänomen geworden. Jedes Jahr versuchen sich mehr Menschen an der antiken Distanz von 42,195 Kilometern.
Lust? Leid? Oder beides? Der Bonner Maximilian Bahn letztes Jahr im Ziel des Rhein-Energie Marathons nach 2:17:12 Stunden. Foto: Ittermann
Woher rührt diese Begeisterung für das Laufen? Was ist das Faszinierende am Marathon? Der Diplom-Psychologe Andreas M. Marlovits weiß Antworten. Für sein Buch "Laufpsychologie - dem Geheimnis des Laufens auf der Spur" hat er mehr als 100 Tiefeninterviews geführt. Mit Marlovits sprach Oliver Knoch.
General-Anzeiger: Wann sind Sie das letzte Mal laufen gewesen?
Andreas Marlovits: Gestern.
GA: Weshalb schnüren immer mehr Menschen die Jogging-Schuhe?
Andreas Marlovits: Wir leben in einer Zeit, in der die meisten von uns ständig Leistung erbringen müssen oder sich leistungsbereit erweisen müssen. Auf der anderen Seite wird die Sehnsucht nach Momenten, in den wir einzig für uns allein sein können, immer größer. Laufen ist ein Symbol dafür.
GA: Was bewirkt das Laufen in uns?
Andreas Marlovits: Im Laufen versuchen wir eine Einheit mit uns selbst herzustellen. Tagsüber erleben wir die Welt als etwas Gegenübergestelltes, als Differenz zu uns selbst. Über das Laufen und vor allem den darin wirksamen Rhythmus erreichen wir eine Annäherung und manchmal auch Verschmelzung von Ich und Welt.
GA: Woher kommt dieses Wohlgefühl? Sind es Hormone, die viel besagten Endorphine?
Andreas Marlovits: Es mag sein, dass Endorphine auch eine Rolle für das Wohlgefühl beim Laufen spielen. Allerdings spricht heute einiges gegen diese Theorie. Zum Beispiel werden Endorphine meist erst nach einer Laufleistung jenseits der 30 Kilometer ausgeschüttet. Dennoch fühlen wir uns bereits nach einem Lauf von zehn Kilometern wohl.
GA: Kann diese Stimmung süchtig machen?
Andreas Marlovits: Man kann danach eine Sehnsucht entwickeln. Manche Läufer steigern ihr Pensum genau aus diesem Grund, um immer wieder in dieselbe seelische Befindlichkeit zu geraten. Allerdings ist dieser abhängige Zustand auch wieder leicht aufzugeben. Das unterscheidet das Laufen von stofflichen Drogen.
GA: Warum ist gerade die Marathon-Strecke so beliebt? Könnte man nicht zum Beispiel auch nur 30 Kilometer laufen?
Andreas Marlovits: Die Marathondistanz sorgt dafür, dass der ambitionierte Hobbyläufer in ein Leiden gerät. Jeder, der einen Marathon bereits gelaufen ist, kennt das persönliche Leiden ab Kilometer 30 oder 35. Die Marathondistanz fordert das Leiden an sich selbst geradezu heraus.
GA: Was passiert genau auf dem 42,195 Kilometer langen Leidensweg der Marathonläufer?
Andreas Marlovits: Spätestens um Kilometer 30 bis 40 findet das körperliche und seelische Leiden an sich selbst seinen Höhepunkt. In vielen Interviews, die ich geführt habe, war von Bildern wie "der Mann mit dem Hammer" oder "die Wand" die Rede. Sie verbildlichen die Erfahrung, dass nun nichts mehr weitergeht.
In diesem Moment wird an den Marathoni die Frage herangetragen, wie er mit dem Leiden umgeht. Die meisten überlassen sich dann der unterstützenden Wirkung von Freunden, Bekannten, von Sambatrommeln oder aufmunternden Zurufen von anderen. Darüber kreiert man sich neu. Man fühlt sich beflügelt, obwohl man körperlich am Ende ist.
GA: Kann man vom Phänomen Marathon Rückschlüsse auf unsere Gesellschaft ziehen?
Andreas Marlovits: Das kann man. Strukturell gesehen, ist Marathon eine neuzeitliche Form von Religion. Wir laufen ihn meist am Sonntagvormittag, wo man früher in die Kirche ging. Wir thematisieren dabei unser persönliches Leiden.
GA: Welchen Tipp können Sie den Teilnehmern am Bonn-Marathon mit auf den Weg geben, damit ihr persönliches Event zum Erfolg wird?
Andreas Marlovits: Lassen Sie alles zu, was Ihnen auf den mehr als 42 Kilometern begegnet. Vor allem das Leiden an sich selbst.
(31.03.2004)
Naja, das Laufen zelebrieren als Religionsersatz finde ich fragwürdig. Noch mal drüber nachdenken Aber in vielen Postings hier im Forum kam ja schon zum Ausdruck, daß gerade auch die langen Läufe in der Vorbereitung eher keinen Spaß machen (oder eher überhaupt keinen Spaß machen). Und trotzdem laufen ja anscheinend viele doch auch den zweiten Marathon mit. Klar ist man stolz auf die erbrachte Leistung. Aber welche Motivation, welcher Antrieb steckt dahinter? Ich muss wohl mal meine eigenen Tiefeninterviews mit euch durchführen
Peter
[ Dieser Beitrag wurde von Pit am 01.04.2004 editiert. ]
Die Lust des Marathonläufers am Leiden
2Hmm. Das löst bei mir als (Wieder-) Anfänger die Konkretisierung einer Frage aus, die mich schon länger beschäftigt.
Der vielzitierte "Mann mit dem Hammer": wieso eigentlich km 30? Ist das z.B. auch bei Ultramarathonis so? Oder gibt es für jemanden, der täglich seine 30, 40 km oder mehr abspult längst andere Grenzen?
Ich persönlich kenne ja auch meine Kilometermarken, ab denen mir das Laufen schwerer fällt. Nur verschieben die sich halt noch ständig, weil das Training ja für immer neue Schwellenwerte der Belastung und der Belastbarkeit sorgt. Ist das vergleichbar?
Wenn dem so ist, dann ist der "Mann mit dem Hammer" bei Km 30+x wohl eher Ausdruck eines bestimmten typischen Trainingsstandes, wie er eben bei typischen Marathonläufern vorherrscht.
Oder ist in meiner Überlegung ein Denkfehler?
Der vielzitierte "Mann mit dem Hammer": wieso eigentlich km 30? Ist das z.B. auch bei Ultramarathonis so? Oder gibt es für jemanden, der täglich seine 30, 40 km oder mehr abspult längst andere Grenzen?
Ich persönlich kenne ja auch meine Kilometermarken, ab denen mir das Laufen schwerer fällt. Nur verschieben die sich halt noch ständig, weil das Training ja für immer neue Schwellenwerte der Belastung und der Belastbarkeit sorgt. Ist das vergleichbar?
Wenn dem so ist, dann ist der "Mann mit dem Hammer" bei Km 30+x wohl eher Ausdruck eines bestimmten typischen Trainingsstandes, wie er eben bei typischen Marathonläufern vorherrscht.
Oder ist in meiner Überlegung ein Denkfehler?
Die Lust des Marathonläufers am Leiden
3Wenn man den Artikel liest, könnte man meinen, nur Marathonläufer leiden. Das stimmt aber keineswegs. Man leidet auf jeder Strecke! Man muß nur schnell genug laufen. Andererseits kann man auch ganz locker einen Marathon laufen, ohne zu leiden!
Mit freundlichen Grüßen,
Volker
Mit freundlichen Grüßen,
Volker
Die Lust des Marathonläufers am Leiden
4[quote]
Original von marathonmann:
........ ...........
Andererseits kann man auch ganz locker einen Marathon laufen, ohne zu leiden!
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Ja, aber dann muss man trotzdem gut trainiert sein.
Ein erfahrener MarathonLaeufer merkt den `toten Punkt` nicht mehr oder kaum noch . - Beim 100 km-Lauf habe ich den `toten Punkt` bei ca. km 75 erlitten; nur schmerzt der nicht nur koerperlich ( schlimmer als beim Marathon ), sondern auch mental . Koerper und `Geist` wehren sich gleichzeitig mit Schmerzen. Aber das wird wohl auch durch mehr Training zu ueberwinden sein. Siehe die Ultra-Laeufer, die Laender und Kontinente durchqueren, und jeden Tag ueber eine Woche und laenger an die 100 km laufen; oder das 250km Rennen in Frankreich.
Jeder nach seiner facon, Gruss, Tilly
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Dein Koerper ist Dein Ein und Alles !
Tu` SELBST was FUER ihn !
Original von marathonmann:
........ ...........
Andererseits kann man auch ganz locker einen Marathon laufen, ohne zu leiden!
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Ja, aber dann muss man trotzdem gut trainiert sein.
Ein erfahrener MarathonLaeufer merkt den `toten Punkt` nicht mehr oder kaum noch . - Beim 100 km-Lauf habe ich den `toten Punkt` bei ca. km 75 erlitten; nur schmerzt der nicht nur koerperlich ( schlimmer als beim Marathon ), sondern auch mental . Koerper und `Geist` wehren sich gleichzeitig mit Schmerzen. Aber das wird wohl auch durch mehr Training zu ueberwinden sein. Siehe die Ultra-Laeufer, die Laender und Kontinente durchqueren, und jeden Tag ueber eine Woche und laenger an die 100 km laufen; oder das 250km Rennen in Frankreich.
Jeder nach seiner facon, Gruss, Tilly
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Dein Koerper ist Dein Ein und Alles !
Tu` SELBST was FUER ihn !
Die Lust des Marathonläufers am Leiden
5Original von Tilly:Original von marathonmann:
........ ...........
Andererseits kann man auch ganz locker einen Marathon laufen, ohne zu leiden!
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Ja, aber dann muss man trotzdem gut trainiert sein.
Ein erfahrener MarathonLaeufer merkt den `toten Punkt` nicht mehr oder kaum noch . - Beim 100 km-Lauf habe ich den `toten Punkt` bei ca. km 75 erlitten; nur schmerzt der nicht nur koerperlich ( schlimmer als beim Marathon ), sondern auch mental . Koerper und `Geist` wehren sich gleichzeitig mit Schmerzen. Aber das wird wohl auch durch mehr Training zu ueberwinden sein. Siehe die Ultra-Laeufer, die Laender und Kontinente durchqueren, und jeden Tag ueber eine Woche und laenger an die 100 km laufen; oder das 250km Rennen in Frankreich.
Jeder nach seiner facon, Gruss, Tilly ( der z. Zt. als `Wieder-Einsteiger` schon auf seiner lahmen 6 km Runde maechtig leidet )
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