Über diesen Lauf muss ich einfach einen Bericht schreiben.
Wie von mir gewohnt, wird 's etwas länger.
Sone Tage und solche Tage
oder: Kann man (fast) ohne Training eine neue Bestzeit im HM laufen?
Sonntag, 14.03.2010, 11:42 Uhr
Ich renne ums Stadion herum. Nimmt denn diese Umrundung gar kein Ende? Wo geht 's endlich rein? Die FR zeigt 1:37 irgendwas. Das irgendwas kann ich nicht mehr entziffern. Mir tanzen Sternchen vor den Augen. Weit ist es nicht mehr. Wird es reichen? Ich kann nicht mehr und laufe trotzdem noch. Auch noch schnell. Irgendwie.
Endlich. Rechts rum in den Tunnel. Rein ins Stadion. Links rum. Nur noch wenige Meter.
Meine Kopfhaut kribbelt, die Beine schreien. Die Uhr zeigt 1:42 oder so. Ohne Brille kaum zu sehen. Schei**! Quatsch. Das ist die Bruttozeit. Netto 5 min weniger. Reicht 's noch?
100 m können so lang sein. Ich überhole noch 2 oder 3 und von hinten kommt noch jemand richtig schnelles angeflogen. Unter 1:39 soll 's noch werden.
Reicht 's?
Endlich. Die Ziellinie.
Ich denke sogar noch dran, die Uhr zu stoppen. Obwohl, denken? Eher ein inzwischen automatisierter Reflex:
1:38:xx !!!!
JAAAAAAAAAA!!!
Ein stiller Jubelschrei. Und ich hänge erst mal nach Luft schnappend am Gitter, das den Rasen vor den erschöpften Läuferinnen und Läufern schützt.
1 Woche zuvor
Letzte Gelegenheit im Training nochmal das HMRT zu üben.
3 x 4000 m mit 1000m TP sollen es werden. Mit Ein - und Auslaufen insgesamt 21 km. Eine heftige Einheit, aber von nix kommt nix.
Die ersten 4000m gehen in 4:45 weg. Schneller als geplant, aber vielleicht kann ich das Tempo ja halten.
Die zweiten 4000m sind schon deutlich anstrengender. Schaffe nur noch 4:50. Macht nix. Das ist nach dem "Training" der letzten Wochen und Monate sowieso das realistische Maximum für den HM in einer Woche.
Die dritten 4000m werden eine kleine Trainingskatastrophe. Auch die 4:50 kann ich auf den letzten 2000m nicht mehr halten. Es ist viel zu anstrengend und letztlich kommt eine Pace von 4:54 raus.
Tja, das war 's wohl.
Hatte ich doch insgeheim (obwohl im Plan "nur" 4:50 min/ km vorgesehen waren) mit machbaren 4:45 gerechnet. Die Realität hatte mich eingeholt.
Eine Bestzeit (unter 1:39, Tempo 4:40 min/km) beim Frankfurt HM war ausgeschlossen. Dieses Tempo würde ich nicht laufen können. Nicht über 21,1 km. Nie und nimmer. Oder war das nur ein "soner" Tag? Ihr wisst ja, es gibt solche Tage und sone Tage.
Aber eigentlich war es auch nicht anders zu erwarten gewesen: Von den sonen Tagen hatte ich in diesem Jahr schon reichlich:
Wetterbedingt fielen Tempoeinheiten im Winter fast gänzlich aus.
Anfang des Jahres legte mich eine hartnäckige Erkältung lahm.
Und Ende Januar wollte mein Iliosakral-Gelenk, von dessen Existenz ich bis dato gar nichts wusste, nicht mehr und machte äußerst schmerzhaft einen auf Blockade. Wieder drei Wochen Pause.
In ein wirkliches Training konnte ich erst Mitte Februar einsteigen. Und vier Wochen reichen nun mal nicht aus, um für eine neue Bestzeit zu trainieren. Das ist klar.
Trotzdem trabe ich ein bißchen frustriert nach Hause und schmiede unterwegs an Plan B:
Zumindest die zweitbeste Zeit im HM wollte ich doch versuchen. Dazu brauche ich eine 1:42. Also Tempo knapp über 4:50 min/km. Knapp, aber das werde ich wohl riskieren.
Sonntag, 14.3.2010, 9:00 Uhr.
Riesenschlange bei der Startnummernabholung. Gefühlte 200m! Ich sehe mich schon gegen 10:30 als Letzter dem Feld hinterherhechten. Aber es geht ruckzuck.
Der erste Teil des Vor-Wettkampfrituals steht an. Das muss auch ohne Bestzeitambitionen sein:
Einlaufen, bißchen Lauf ABC, Steigerungen, erster Kilometer der Strecke besichtigen, fühlt sich alles ganz gut an. Mh.
Eine kleine Stadionbesichtigung schiebe ich noch ein. Noch schön warm verpackt. Mir ist ein bißchen kalt.
Sonntag, 14.03.2010, 9:30 Uhr.
Treffen mit den Foris am Bio-Bananenstand. Endlich habe ich das mal geschafft. Zum ersten Mal.
Aber ich bin ja auch ohne Bestzeitenambitionen hier und eigentlich ganz entspannt.
Jetzt lerne ich ein paar Leute persönlich kennen, denen ich in den letzten Wochen hier im Forum ausführlich mein Leid geklagt habe. Plankton läuft in einer ganz anderen Liga. Aber
Läuferline will neue Bestzeit laufen, Coldfire einen TDL machen. Er wird sie beim Bestzeitenversuch begleiten.
Geplantes Tempo: 4:50. Umpf. Ich beschließe, mich anzuschließen, obwohl das Tempo für mich eigentlich ein bißchen schnell sein dürfte. Schließlich hatte ich das vor einer Woche im Training nicht mal für 3x 4000m halten können. Aber ich wollte so lange wie möglich dranbleiben. Und dann in Schönheit sterben. Vielleicht würde es mit viel Qual auch über die ganze Strecke gehen und ich könnte immerhin meine zweitbeste HM- Zeit ein bißchen drücken.
Nochmal schnell zum Auto. Umziehen. Habe doch beschlossen in kurzer Hose zu laufen. Ein letzter km Einlaufen (zum Parkplatz und wieder zurück) kann auch nicht schaden.
Wir haben und am Ende des Startblock 1:30 bis 1:40 verabredet. Bei einem Bestzeitenversuch kann man sich ruhig etwas offensiver aufstellen. Und da wir aus diesem Block ganz hinten starten wollten, würden wir auch niemandem im Weg sein.
Sonntag, 14.03.2010, 9:58
Im Startblock angekommen. Hinter uns ein rotes, dickes Seil, um den nächsten Startblock abzuteilen. Die Idee mit den Startblöcken ist gut, da der erste km unter der Bahn hindurch (Kurven, Tunnel) doch ganz schön eng ist. Wir quatschen noch ein bißchen. Mir ist ordentlich kalt, aber das wird sich ja gleich ändern.
Läufer (und -innen) gucken:
Auch in diesem Zeitzielbereich gibt es alles: Dick vermummte (nein, die lassen nicht noch was fallen, die Startnummer ist an der REGENJACKE befestigt. Mit Sicherheitsnadeln. Und die Regenjacke schaut auch so aus als wären da noch einige Schichten drunter. Ts), kurz behoste mit Singlet, Triathleten im schicken, schreiend bunten Einteiler. Neongrell. Tarngrün. Alles da.
Sonntag, 14.03.2010, 10:02
Die Eliteläufer gehen auf die Strecke. Davon ist aber hier, wo wir stehen, nix zu sehen.
Mir ist kalt. Ich bin untrainiert. Bestzeit ausgeschlossen. Aber trotzdem nicht gemütlich laufen? Ist doch eigentlich blöd. Aber egal. Jetzt bin ich hier und das ziehe ich jetzt durch. Ein letztes Mal die Schuhe neu binden. (letzter Teil des Vor-Wettkampf-Rituals)
Sonntag, 14.03.2010, 10:05
Es geht los. Ich hatte damit gerechnet, dass in diesem Startblock alle losrennen wie die Verrückten. Für eine 1:30 muss man schließlich 4:16 min/km rennen und für die 1:39 immerhin noch 4:44 min/km.
Aber nix da. Nach 500m zeigt die FR mir eine Durchschnittspace von 5:09 an!
Aber nachdem die Engstelle passiert ist, kann man auf ganzer Straßenbreite laufen, das Feld sortiert sich schnell und das Laufen des eigenen Tempos ist problemlos möglich. Erster km in 4:59. Gut so. Lieber langsam angehen. Line und Coldfire laufen vor mir und das Tempo fühlt sich gut an.
Es geht permanent leicht bergab und das Tempo wird ein bißchen schneller. Gut so. Ist wirklich mit dem ganz leichten Gefälle sehr angenehm zu laufen und so lange es bergab geht, sollte man wirklich ein bißchen Tempo machen. Denn: Wo 's bergab geht, muss man irgendwann auch wieder rauf! Aber noch ist die Strecke durch den Wald abfallend. Das muss man doch nutzen. Bereits nach einem km biegen die ersten ins Gebüsch ab. Kurzer Boxenstopp. Das werde ich nie verstehen. Wenn 's so bei km 16 gar nicht mehr auszuhalten ist, ok. Aber direkt nach dem Start???
Bei km 4 geht 's rechts ab in die Bürostadt Niederrad. Sehr breite Straßen, sehr große Bürogebäude und alles sehr still. Wir sind stillschweigend übereingekommen, stillschweigend zu laufen. im Wettkampf quatschen geht ja auch nicht. Dann wäre man ja zu langsam unterwegs. Aber auch sonst ist hier an einem Sonntag nix, aber auch gar nix los.
Ich fühle mich erstaunlich gut und setze mich vor die beiden. Bißchen Windschatten spenden, obwohl der bei mir nicht so groß ist. Der Schatten. Irgendwie scheint 's immer noch bergab zu gehen. Gut so.
Ich bin ein schlechter Pacemaker. Nach hinten umdrehen bringt mich immer aus dem Rhythmus. Mache ich also selten. Sehr selten. Ich versuche einfach möglichst gleichmäßig vorneweg zu laufen, die kürzeste Strecke zu nehmen.
Kurz bevor wir an den Main kommen, sind die beiden nicht mehr hinter mir. Durchschnittspace jetzt bei 4:42. Ups. Das ist ja viel zu schnell. Aber ich habe nix zu verlieren. Das Tempo fühlt sich einfach gut an. Und die beiden werden mich nach meinem Einbruch wieder einsammeln.
Sonntag, 14.03 2010, 10:47
Am Main entlang läuft es weiter richtig gut. Der gefürchtete Gegenwind bleibt aus und ich kann mich von Läufer zu Läufer nach vorne hangeln.
Atmung immer noch rund und gleichmäßig. Das Tempo fühlt sich zwar anstrengend an (ist ja schließlich auch ein Wettkampf) aber gut machbar.
Langsam bekomme ich Durst. Irgendwann muss doch die Getränkestelle kommen.
Vom Mainufer weg geht 's ein gepflastertes Stück bergauf. Unangenehm zu laufen, finde ich. Aber lieber mit ein bißchen Druck hoch. Rythmus beibehalten.
Dann, ziemlich plötzlich, taucht schon die Getränkestelle auf. Schön langgezogen. Ohne Staus.
Greife mir einen Becher Tee und einen Becher Wasser. Im Tempo weiterlaufen und trinken geht heute nicht. Muss deutlich rausnehmen. Die Getränkestelle kommt aber auch direkt hinter dem Anstieg und ich bin einfach ein bißchen atemlos. Glücklicherweise kommt von der Flüssigkeit ein bißchen was in mich rein, ohne dass ich mich verschlucke.
Sonntag, 14.03.2010, 10:51 Uhr
Weiter geht die Hatz durch Sachsenhausen. Zwischenzeit 10 km bei 46:46. So schnell wie beim Silvesterlauf. Aber 11 km hab ich noch vor mir. Ob das gut geht?
Das Tempo ist immer noch hoch. Ich laufe inzwischen km Zeiten von 4:38 bis 4:40. Wie geht das denn??? Irgendwie geht es. Ich beschließe einfach, dieses Tempo jetzt so lang wie möglich zu halten. Einbrüche mag ich zwar nicht. Aber jetzt schon aus Angst das Tempo rausnehmen, wäre ja auch blöd. Wo 's gerade so gut läuft.
Sonntag, 14.3.2010, 11:01 Uhr
Km 12 ist erreicht. Über die Hälfte geschafft. Langsam wird 's antrengend. Aber es geht ja jetzt auch leicht bergauf. Trotzdem kann ich das Tempo einigermaßen halten. 4:42er km Zeiten. Die Stresemannalle unter der Bahn durch und hinauf. Im Training laufe ich die wenigen Bergaufpassagen, die die auf meinen Trainingsstrecken finden lassen, immer volle Pulle hoch, weil 's so mehr Spaß macht. Das kommt mir hier zu gute. Bin immer noch in einem schönen Rhythmus drin. Zwar manchmal dreier Atmung. Aber noch im Rahmen. Einige kann ich hier hinter mir lassen.
Es geht in den Wald hinein. Bergauf. Leichter Gegenwind. Oder bin ich so schnell und das ist einfach nur der Fahrtwind?
Bis km 15 will ich so weiterlaufen. Laufe zwar lieber die zweite Hälfte schneller, aber jetzt schon das Tempo anziehen ist mir zu riskant. Schließlich warte ich auf den Einbruch. Und dem will ich noch ein bißchen was entgegen setzen können.
Sonntag, 14.3.2010, 11:15 Uhr
Mir kommen ganz viele entgegen? Das bißchen Sauerstoff reicht gerade noch, um zu begreifen, dass ich wohl jetzt auf der Wendepunktstrecke bin. Zu Wendepunktstrecken habe ich ein sehr ambivalentes Verhältnis. Ich hasse Wendepunktstrecken (beim Hinlaufen), weil ich weiß, dass ich das alles wieder zurücklaufen muss. Ich liebe Wendepunktstrecken (beim Zurücklaufen) weil ich weiß, dass diese Leute alle hinter mir sind.
Aber erst will die Strecke hingelaufen werden. Und die zieht sich. Schnurgerade. Gegenwind. Ich suche Windschatten, finde aber keinen. Die von hinten kommen, sind mir zu schnell. Und auf die ich auflaufe, sind mir zu langsam. Noch geht 's mir nicht so schlecht, dass ich Tempo rausnehmen muss.
Da überholt mich einer, der nicht so viel schneller ist. Super. Dranhängen. Der merkt 's, dass ich an ihm hänge. Schaut sich um, schaut mich an. Und: Zieht das Tempo an. Erst gehe ich mit, aber der lässt nicht nach. 50 m, 60m. Ich lasse abreißen. Dieses Tempo ist mir definitiv zu hoch. Den Einbruch, der ja bestimmt noch kommen wird, muss ich ja auch nicht provozieren.
Mist. Also wieder alleine laufen. Der "Windschattenverweigerer" hat wieder Tempo rausgenommen. Läuft 20 m vor mir. Er kommt nicht weiter weg. Aber ich komme auch nicht wieder ran. Der hat das Tempo nur angezogen, um mich abzuhängen! Na warte. Ich erkläre ihn für diesen Lauf zu meinem persönlichen Holger Meier und werde alles daran setzen ihn noch zu kriegen. Mein Kampfgeist ist geweckt. Noch ist es zu früh. Ich laufe am Anschlag und 5 km liegen noch vor uns.
Endlich! Die Wende. Das hasse ich wieder an Wendepunktstrecken. Abruptes Abbremsen, enge Kurve laufen wo das Geradeauslaufen schon weh tut, beschleunigen,... Bäh!
Jetzt kommen mir wieder viele entgegen. Aber auch Wind! Gegenwind! Wie geht das denn? Eine Strecke hin - Gegenwind, gleiche Strecke zurück - Rückenwind. So gehört das. Hat da extra jemand nur für mich den Wind gedreht??? Wie gemein ist das denn? Oder spielt mir einfach die Wahrnehmung einen Streich?
Inzwischen muss ich deutlich beißen. Aber es ist ja nicht mehr weit. Ha, Quatsch, immer noch über 4 km. Nein, so darf ich nicht denken. NUR NOCH 4 km. Gleich da.
Line und Coldfire müssen mir jetzt doch gleich entgegen kommen. Die intensive Suche nach den beiden zwingt zu höchster Konzentration und lenkt ein bißchen von den beginnenden Schmerzen in den Beinen ab. Da, endlich. Beide noch beisammen. Line sieht zwar ein bißchen angestrengt aus. Ist ja auch Wettkampf. Aber sie läuft noch locker. Ein bißchen anfeuern und schon bin ich vorbei.
Sonntag, 14.03.2010, 11:24
Mein Holger Meier ist immer noch vor mir. Immer noch 20 m. Der Abstand wird nicht größer, ich komme aber auch nicht näher. Es geht einsam durch den Wald. Aber, oh Wunder, es geht wieder bergab. Der Wind ist verschwunden und ich kann mich erholen.
Langsam traue ich meiner Wahrnehmung nicht mehr. Bergab? Eigentlich egal. Es fühlt sich jedenfalls so an und es tut gut.
km 18 bei ungefähr 1:20:12!!!
Wie jetzt? Ich versuche zu rechnen, scheitere aber kläglich. Zum Glück habe ich ein gutes Zahlengedächtis, was auch unter extremen Belastungen zuverlässig zu funktionieren scheint. Knapp unter 1:20 reicht für eine neue Bestzeit!!! Jetzt rennen, rennen, rennen was Beine und Lunge noch hergeben. Noch liege ich leicht hintendran. Aber es ist möglich.
Nach einer Rechtskurve kommt das Stadion in Sicht. Ganz nah sind wir schon. Aber über 2 km müssen wir noch laufen. Jetzt knautschen. Zähne zusammenbeißen. Rennen, was noch geht.
Links rum: die Brücke. Holger Meier ist jetzt nur noch 15 m vor mir. Hier krieg ich ihn. Brücke mit Dampf hoch. 2er Atmung. Hecheln. Egal. Ich hab' ihn. Gehe vorbei. Schön Druck in jeden Schritt. Mir ist schlecht. Eigentlich kann ich nicht mehr. Kommt er noch mal? Brücke wieder runter. Gas geben. Nein. Er ist weg. Ich bin weg. Nach vorne. Einige kann ich noch einsammeln. Ich weiß: Noch einmal ums Station rum. Ganz rum. Man kann schon die sehen, die schon rum sind. Und gleich ins Stadion einlaufen. Für uns aber immer noch mehr als ein km.
Sonntag, 14.3.2010, 11:38
Ich schaue nicht mehr auf die Uhr. Sehe eh nix mehr. Ich weiß, es ist möglich. Neue PB ist drin. Aber es ist knapp. Keine Zeit zu verlieren. Rennen, rennen, rennen. Einen ausgucken. Ransaugen. Vorbeigehen. Nächster. Rennen, rennen, rennen. Luft! Ich brauche mehr Luft! Schnappatmung. Kann man auf den letzten 700 m noch einen Einbruch kriegen?
Rennen, rennen. Luft! Immer zu wenig. Meine Beine brennen. Die ersten Sternchen tauchen auf. Ich werd doch nicht jetzt so kurz vor dem Ziel?
Wo bleibt der Eingang zum Stadion? Wir müssen einmal komplett rum. Mein Hirn ist so weich, dass ich keine Ahnung habe, ob ich mit der Umrundung gerade erst angefangen habe oder schon halb rum bin. Ich sehe nur Stadion. Seit Kilometern ist das Stadion immer rechts von mir. Ich laufe drum rum. Habe ich mich verlaufen? Nöh. Um mich rum immer noch andere Läufer.
Sonntag, 14.03.2010, 11:42 Uhr
Ich renne immer noch ums Stadion herum. Nimmt denn diese Umrundung gar kein Ende? Wo geht 's endlich rein? Die FR zeigt 1:37 irgendwas. Das irgendwas kann ich nicht mehr entziffern. Mir tanzen Sternchen vor den Augen. Weit ist es nicht mehr. Wird es reichen? Ich kann nicht mehr und laufe trotzdem noch. Auch noch schnell. Irgendwie.
Endlich. Rechts rum in den Tunnel. Rein ins Stadion. Links rum. Nur noch wenige Meter.
Meine Kopfhaut kribbelt, die Beine schreien. Die Uhr zeigt 1:42 oder so. Ohne Brille kaum zu sehen. Schei**! Quatsch. Das ist die Bruttozeit. Netto 5 min weniger. Reicht 's noch?
100 m können so lang sein. Ich überhole noch 2 oder 3 und von hinten kommt noch jemand richtig schnelles angeflogen. Unter 1:39 soll 's noch werden.
Reicht 's?
Endlich. Die Ziellinie.
Ich denke sogar noch dran, die Uhr zu stoppen. Obwohl, denken? Eher ein inzwischen automatisierter Reflex:
1:38:xx !!!!
JAAAAAAAAAA!!!
Ein stiller Jubelschrei. Und ich hänge erst mal nach Luft schnappend am Gitter, das den Rasen vor den erschöpften Läuferinnen und Läufern schützt.
Ich kann es kaum glauben. Mit dieser Vorgeschichte einen solchen Lauf. Hammer.
Ich bin ein bißchen stolz. Grinse, wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd. Und warte noch auf Coldfire und Line.
Sie kommen nach drei Minuten und auch Line mit neuer Bestzeit.
So hat für mich ein bescheiden gestartetes Laufjahr doch einen sehr erfreulichen Wettkampfbeginn genommen. Unverhofft kommt oft.
Und es gibt solche Tage und sone Tage.
Heute war eindeutig ein solcher Tag.
Sonntag, 14.03.2010, 22:00 Uhr
Sitze, wohlig müde und kaputt mit dem Bier auf der Couch und grinse immer noch. Oder wieder.
-E N D E -
Danksagung:
Danke an Line, die für mich eindeutig zu schnell losgelaufen ist. Ohne ihren Bestzeitenversuch wäre ich in höchstens 4:50 angegangen und hätte von Anfang an keine Chance auf Bestzeit gehabt.
Danke auch an den unbekannten Holger Meier, für die Motivation zu einem Zeitpunkt, wo sie wirklich bitter nötig war.
Danke an den "Streckendesigner", der es geschafft hat, dass gefühlt 75 % der Strecke bergab führten.
Danke an meine Familie, die mich laufen lässt.
Und danke an Euch alle für 's lesen.
Töffes
Sone Tage und solche Tage - PB (fast) ohne Training beim HM in Frankfurt
1"Wer keine Zweifel hat, ist schlicht verrückt." (Peter Ustinov)