Seit 2007 steht dieser Event auf meiner To-do-Liste. Aber immer gabs einen Grund, nicht dabeizusein, entweder zu weit weg, oder zu schwanger, oder zuwenig fit, oder immer noch zu weit weg. Doch dann nahm das Schicksal eine ganz unerwartete Ende, sozusagen über Nacht hiess es, der Strongman kommt in die Schweiz, nach Thun, also quasi vor der Haustür von meinem Wochenend- und Babysitterdomizil. Was will man mehr?
Nur ein bisschen blöd grinsen musste ich, als der Kommentator gestern Abend im Fernsehen die starke Frauenminderheit damit begründet hat, dass Frauen viel mehr überlegen, abwägen, sich Gedanken zu ihrer Konstitution und der Anforderung der Strecke machen würden, bevor sie sich anmelden. Männer seien da viel impulsiver und würden sich schneller anmelden, ohne sich gross Gedanken zu machen. Ok, in dem Fall bin ich ein Mann….
Gut, das Gedanken machen und Abwägen hab ich dann nach der Anmeldung umso mehr gemacht. Ein lästiger Schmerz im linken Oberschenkel hat mir die letzte Woche das Leben und vor allem das Laufen wirklich schwer gemacht. Ausserdem will ich doch eine Woche nach dem Strongmanrun noch den HM in Freiburg mit meinen geliebten Pillepallern machen. Krisenmanagement, folgende Vorsätze werden gefasst:
- Es wird nicht gestartet, wenn der Schmerz im Oberschenkel noch da ist, auch wenn er nur noch ansatzweise da ist.
- Es wird nicht gestartet, wenn schlechtes Wetter ist, eine Erkältung kann ich mir nicht leisten.
Am Start sind Läufer in Kriegsbemalung und bunten Perücken sowie Jugendliche in Fussballtrikots, die sich unter Männer in Ordonanzschuhen und Kampfanzügen reihen, ich stelle mich wie gewohnt weit hinten ein. 16 Kilometer am Stück zu laufen kann ja schon eine Herausforderung sein, wenn die Radaufhängung knarzt, und spätestens beim ersten Hindernis wird klar, dass sowas wie Schonen wohl nicht möglich sein wird. 3 Wände aus Strohballen müssen überwunden werden, ich fühl mich wie in einer Horde Gnus in der Hektik, weil jeder so schnell wie möglich da drüber will und jeder Zentimeter ausgenutzt wird, um sich über die Ballen zu werfen.
Aber das war ja nur ein kleiner Vorgeschmack, als nächstes folgten jede Menge steile und rutschige Hügel (soviel zum Thema Berge) im schönsten Cross-Stil. Irgendwie unterscheidet sich das Ganze aber noch nicht soooo sehr von einer normalen Laufveranstaltung. Sprich, die Führung des Feldes verschwindet in einem Affenzahn irgendwo am Horizont hinten, ich kämpfe wie üblich mit meinemTempo und traue mich nicht, nach hinten zu gucken, weil da keiner mehr sein könnte.
Es geht weiter, hoch und runter, manchmal sind die Bodenwellen 15 Meter hoch, manchmal auch nur einen halben, aber dafür ganz viele Nacheinander und unregelmässig, manchmal aus Erde, und manchmal aus Beton. Dann schwebt der Blick nach rechts, dort, wo es viele Zuschauer hat. Viele Zuschauer verheisst an solchen Anlässen nie Gutes, und auf der Homepage hat man uns ja schon gewarnt, dass hinter Hindernis-Namen wie „Everglades“ oder „Moskito Valley“ kein Sonnenschirm und Caipirinha auf uns wartet. Interessanterweise sind Läufer-Gnus bei Schlammlöchern dann doch nicht so sehr zu Tode entschlossen wie die gehörnten Kollegen. Jedenfalls stürzen sich die meisten nicht mit einer solchen Verachtung in die kalten, schwarzen Fluten. Und wer es trotzdem tut, kriegt meistens postwendend die Rechnung dafür, respektive einen Schluck Schlamm. Das Wasser ist bis über einem Meter tief und vor allem ohne festen Untergrund. Bei jedem Schritt muss man damit rechnen, 30 Centimeter tiefer zu landen, und stehenbleiben ist nicht, weil man sofort versinkt und die Schuhe festzustecken drohen. Das kalte Wasser ist übrigens dank den kalten Aussentemperaturen gar nicht so schlimm. Viel schlimmer ist das direkt nachfolgende Hindernis. Lothar heisst das, und sinngemäss sind über 150 Meter Baumstämme kreuz und quer über die Strecke verteilt. Das macht ja nun wirklich keinen Spass mehr. Nach den tiefen Schlammlöchern ist keine Kraft mehr in den Beinen, und die Schuhe innen wie aussen voll Matsch und kleine Steine, daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Daher wird jetzt erst einmal gewandert. Nach der Ueberwindung von Lothar wieder getrabt. Es folgen weitere Hügel, dann Wasser, und weils so scheeeen ist, wird natürlich auch gerobbt, was das Zeug hält, ich fühl mich wie ein Hamster in einem grossen Tierversuch. Wenn man hinten raus kommt, wird gefilmt, was das Zeug hält. Ich warte jetzt schon mit Schrecken auf die unvorteilhaften Bilder.
Die erste Runde geht zu Ende. Das letzte Hindernis sind die Reifenstapel, die es zu überwinden gilt. Dank dem vielen Dreck an den Schuhen plus einer gehörigen Portion Schaum, die man aus dem „Car Wash“-Hindernis noch mitnimmt, ist das ein besonders glattes Vergnügen.
Vor der Abzweigung auf die zweite Runde noch schnell einen Abstecher zum Schatzi machen, der da wartet, Kuss abholen, versuchen zu ignorieren, dass soeben grad der schnellste Läufer hinter mir Richtung Ziel vorbeizischt und weiter geht’s. Das Gnu-Gefühl ist nun endgültig Geschichte, jetzt ist die Zeit der einsamen Begegnungen gekommen. Die Horde Schweineelche, die sich Abbiegen auf die zweite Runde auf meiner Schulter platziert haben und mich zum Aufgeben verführen wollen, werde ich glücklicherweise wieder los, nachdem ich die Strohballen diesmal besser gemeistert habe als das erste Mal, sehr zu meinem Erstaunen. Es wird weiter getrabt. Manchmal sammelt man Läufer ein, dann wundert man sich, warum jetzt wieder so ein Schneller von hinten kommt, und was der wohl bis jetzt gemacht hat. Tote Perücken liegen im Dreck, ich denke, wie es wohl dem Läufer geht, der im Borat-Kostüm gestartet ist. In den Schlammlöchern herrscht grosse Solidarität, man hält sich gegenseitig fest und zieht müde Läufer weiter. Und beim Robben erhalte ich ungeahnt tiefe Einblicke resp. es wird die berühmte Frage beantwortet, ob Schotten was unter ihrem Rock drunter haben oder nicht, weil zwei dieser Exemplare genau vor mir sind. Langweilig wirds also nie.
Der Lauf ist übrigens insofern ein Experiment, dass ich absolut kein Zeitgefühl habe, da ich die Armbanduhr nicht angezogen habe. Gefühlsmässig bin ich schon seit Stunden, ja was sag ich, Tagen unterwegs. Ein par Kilometer vor dem Ziel scherze ich mit einem Läufer rum, dass es doch völlig idiotisch sei, so schnell zu laufen, das würd ja keinen Sinn machen, man müsse schliesslich jeden Meter dieser Strecke auskosten. Da sagt er, es sei ja auch erst halb zwei, wir hätten noch 2 Stunden Zeit bis Zielschluss. Hä was? Ich bin erst seit 1 ½ Stunden unterwegs? Ich hatte mal eine Zeitansage von 2:10 gemacht. Dass ich so „schnell“ (hüstelhüstel) bin gibt mir Aufwind für die letzten paar Kilometer. Nochmals über die Reifen klettern, und geradeaus weiter ins Ziel.
Yeeeaaah, nun darf ich mich auch Strongtussi schimpfen. Über die zahlreichen blauen Flecken reden wir nicht, und ich hab ja jetzt wieder eine Woche, den moppernden Oberschenkel wieder zu besänftigen.
Zum Anlass selber ist zu sagen, dass er sehr gut und professionell organisiert war, kein Wunder eigentlich, hatte doch Ryffel Running als erfahrener Organisator den Anlass übernommen. Vielen Dank an dieser Stelle!
Etwas schade fand ich, dass Hindernisse mit Klettern etwas zu kurz kamen. Darauf hatte ich mich eigentlich gefreut. Aber das war ja auch „nur“ die erste Runde vom Strongmanrun, man muss ja auch Steigerungsideen fürs nächste Jahr haben.
Vielleicht trifft man sich da ja.....?
Danke fürs Mitlesen und viele Grüsse, Marianne