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Milanocitymarathon 2010, oder: Die Wahl der Qual

Milanocitymarathon 2010, oder: Die Wahl der Qual

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Tag der Premieren. Es sollte mein erster "Heimmarathon" in Mailand werden und es sollte mein erster Marthon unter sub 4 Stunden werden.

Ersteres traf zu. Klar, sonst würde ich jetzt diesen Bericht nicht schreiben.

Letzteres nicht. Die Knüppel, die mir der Laufgott im letzten Moment in den Weg warf, machten das unmöglich.

Schön wars trotzdem. Erfolgreich auch. Und ich bin ziemlich stolz auf mich, mich da durchgekämpft zu haben.

Ich hatte mich nach meinem München-Marathon im Oktober letzten Jahres entschieden, mein Experiment, das ich mit dem Vic-System gemacht hatte, aufzugeben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das nicht so ganz für mich passt. Statt dessen sollte mich ein System, das an die Steffny-Methode angelehnt ist, zum Ziel, sprich, einem Marathon unter vier Stunden, bringen.

Und das Konzept klappte durchaus. Im Winter hab ich meine Kilometer gesteigert, wenige intensive Einheiten trainiert, viel Wert auf Grundlagenausdauer gelegt. Und war überrascht über den Trainingsfortschritt, der sich mehr als deutlich abzeichnete. Letztlich entschied ich mich dann, und diese Entscheidung war richtig, auf eine Zeit von 3:45:00 hin zu trainieren, wobei mir bewußt war, dass ich diese Zeit wohl auf Anhieb schwer schaffen würde.

Testläufe im Frühjahr, ein 14er und ein HM, bestätigten dieses Unterfangen. Alles deutete auf eine Zeit zwischen 3:50:00 und 3:55:00 auf den Marathon hin, also deutlich sub 4.

Um vorsichtig zu sein, entschied ich mich, den Marathon erst im letzten Moment zu buchen, da ich ausschließen wollte, dass ich mich nach dem Test-HM drei Wochen vorher erkälte und ich deshalb dann im letzten Moment noch improvisieren muss. Als Ersatzmarathon, im Falle dieses Falles, hatte ich mir den Würzburg - Marathon im Mai ausgeschaut.

Aber nichts - alles lief wie am Schnürchen. Ich meldete also am Donnerstag vor Ostern wie geplant für Mailand.

Bis dahin alles wunderbar.

Dann kam Ostern und mit Ostern kam mein Osterurlaub und mit dem Osterurlaub die Viren in Person meiner hochgradig erkälteten kleinen Neffen und die Heuschnupfenzeit. Ich hab davon alles mitgenommen. Und damit waren meine sub 4 - Träume ausgeträumt.

Schon am Montag bei der Rückfahrt nach Mailand merkte ich im Zug, dass meine Ohren völlig zu sind. Wie schön :teufel:

Dienstag: Ein undefinierbarer Schnupfen und Husten - Heuschnupfen oder doch Erkältung? - hatte sich breitgemacht.

Mittwoch: Ich fing an, mit dem Ausweichmarathon in Würzburg zu liebäugeln.

Donnerstag: Vielleicht wird es doch noch was?

Freitag: Könnte gehen. Schnupfen und Husten sind aber immer noch da. Meine Freundin hat Bedenken, auch wenn sie meine Stimme, die wie eine Mischung aus Joe Cocker und Tom Waits klingt, durchaus erotisch findet.

Samstag: Warmer, schöner Tag. Fast 25 Grad und Sonne. So kann es gehen. Ich entscheide mich endgültig zu laufen.

Sonntag: Wider Erwarten arschkalt und windig. Beim Start ca. 5 Grad. Ich nach wie vor leicht erkältet in Shorts, Singlet und Mülltüte. So warte ich ca. eine Stunde auf den Start.

Und dann geht es endlich los.

Meine irgendwann mal angepeilte Zeit von ca. 3:50:00 hatte ich schon vorher aufgegeben. Mein Körpergefühl sagte, dass ich vielleicht auf die vier Stunden gehen könnte, was ich dann auch tat.

Und bis zu km 20 hat das auch gut geklappt. Ich lief beständig in einer Gruppe mit, die genau dieses Tempo lief. Es machte richtig Spaß, sich in dieser Gruppe mit der Fühung abzuwechseln und ich war überzeugt davon, dass ich so die sub 4 schaffe.

Dann kam km 20, die Abzweigung zum HM. Und plötzlich erkannte ich, dass diese Gruppe nicht den Marathon laufen wollte, sondern auf dem Weg zum sub 2 im HM war. Ab km 20 war ich nämlich plötzlich allein auf weiter Flur. Und dann wurde es zu allem Übel auch öde.

Ich konnte auf kleinere Gruppen aufschließen, die offensichtlich zurückgefallen waren. Aber mit irgendwelchen "Gefechten" war nichts mehr.

Wenigstens ging es dann durch die Innenstadt mit Publikum, was mich wieder aufbaute. Aber ab km 25 musste ich dann doch der Erkältung Tribut zollen und erkennen, dass meine Kraft ziemlich am Ende war.

Egal. Ich kämpfte halt weiter, bemerkte aber, dass ich merklich langsamer wurde und gab das Ziel sub 4 auch auf.

Dann kam es ganz übel. Km 30. Einbruch. Und ab da ging es dann die letzten 10 km auch noch durch öde Industriegebiete ohne jegliches Motivation, ohne Publikum, ohne alles, was irgendwie hätte motivieren können.

Ich rechnete. Sub 4:15:00 wären noch drin gewesen. Kurzer Versuch der Temposteigerung. Keine Chance, keine Kraft dazu.

Neues Ziel: PB, also unter 4:20:00. Dazu würde auch kraftloses weiterjoggen ausreichen, das war mir klar. Nicht ganz klar war aber, ob mir das noch gelingt.

Dann kamen die letzten 5 km, die schlimmsten km meines Lebens. Ich hab mich für den Versuch, in meinem Zustand überhaupt anzutreten, verflucht und mich bemüht, so mechanisch wie möglich ins Ziel zu laufen.

Dort kam ich dann nach insgesamt 4:16:49 an. PB.

Ist nicht die Zeit, die ich mir mal erhoft hatte. Aber für die Gegebenheiten mehr als super.

Und jetzt brauch ich ein Taschentuch. Und nein, nicht weil ich so gerührt bin, sondern weil mich die Schnodderseuche immer noch im Griff hat.
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Hallo Tom,

solche Läufe gibt es leider, mit einer Erkältung im Nacken und schlechten Rahmenbedingungen (Klima, keine Gruppe ab km 20) war wohl nicht mehr zu holen. Das ist immer sehr schade nach einer so langen Vorbereitung, aber es war ja nicht dein letzter, oder?

Also erhol dich gut und mach neue Pläne, und dann gehst du ausgeruht und topfit an den Start und es wird klappen!

Viele Grüße,
3fach
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Some say there's no magic formula. I say there is. It's just that the magic is different for everyone. Keith Dowling

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Mensch Thomas,
eigentlich hättest du gar nicht laufen sollen, Vernunft sieht anders aus. Trotzdem erst mal Glückwunsch zu deiner Leistung und freu dich mal drüber :daumen:

Jetzt erst mal gesund werden, regenerieren und auf den Herbst schauen. Die Sub 4 hast du ja im gesunden Zustand locker drin! :nick:
bwg Chip

RunningTurtle: "Einmal muß jeder Radiergummi nach Bernau"

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Hallo Thomas,

danke für deinen Bericht und nochmal Gratulation zur PB :daumen: . Ob es besser war gelaufen zu sein oder nicht, kannst nur du selbst entscheiden. Der nächste Marathon kommt und für dich sicher auch die sub 4.
Gabs in Mailand eigenlich keine Zugläufer denen du dich hättest anschließen können ? Nach deiner Streckenbeschreibung klingt das nicht so, als wäre das ein Marathon den man unbedingt mal gemacht haben müßte.

Achim
Man muß das Unmögliche so lange anschauen,
bis es eine leichte Angelegenheit ist.
Das Wunder ist eine Frage des Trainings.

Carl Einstein

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Oje, ich bin förmlich mit dir mitgestorben auf der zweiten Hälfte des Marathons. Das mit der Truppe, die nach dem halben Spass ins Ziel abgebogen ist, hätte mir auch den Gong gegeben, da hätte sich die ganze Horde Schweineelche gnadenlos auf meinen Nacken gestürzt und nicht mehr losgelassen.
Aber tapfer gekämpft, trotz Erkältung (ob das nun schlau war, darüber reden wir ein andermal). Ganz gute Besserung und gute Regeneration. Beim nächsten Marathon wird alles gut, du wirst sehen.

Viele Grüsse, Marianne

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Sowas passiert mal wenn der Körper noch nicht so ganz fit ist und auch noch mentale Probleme dazukommen.
Trotzdem hast Du doch einen Marathon gefinisht und gar nicht so schlecht!!!
Meine herzliche Gratulation also! Auch solche Erlebnisse machen Dich stärker.

Liebe Grüße
Marion
http://www.hundephysioharz.de

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TomX hat geschrieben:... Dann kam km 20, die Abzweigung zum HM. Und plötzlich erkannte ich, dass diese Gruppe nicht den Marathon laufen wollte, sondern auf dem Weg zum sub 2 im HM war. Ab km 20 war ich nämlich plötzlich allein auf weiter Flur. ...
miese-fiese Nummer, die mir sehr bekannt vorkommt.

Die 4-h-Grenze fällt bestimmt irgendwann, bist ja noch ein junger Spund. Erhole dich gut und Gratulation zum Durchbeißen incl. Ergattern der neuen Bestzeit, alles Gute wünscht oe
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Autsch... aber tapfer zu Ende gebracht, dazu ganz herzlichen Glückwunsch! Vielleicht gibt dir dieses Erlebnis die mentale Stärke für den nächsten, wenn es bei km 30 wieder weh tut, während du auf dem Weg zur sub4 bist :daumen:
You must do the thing you think you cannot do!
Eleanor Roosevelt :idee:

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RunningTurtle: "Einmal muß jeder Radiergummi nach Bernau"

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Danke euch allen!
acaffi hat geschrieben: Gabs in Mailand eigenlich keine Zugläufer denen du dich hättest anschließen können ? Nach deiner Streckenbeschreibung klingt das nicht so, als wäre das ein Marathon den man unbedingt mal gemacht haben müßte.
Doch, Zugläufer gab es schon. Aber ich häng mich da selten dran, weil mir das Getümmel zu groß ist.

Außerdem stand der Zugläufer für 4 Stunden im Block vor mir. Den hätte ich erst erreichen müssen.

Ein Marathon, den man unbedingt gemacht haben müsste, ist es übrigens in der Tat nicht.

Eigentlich gibt es in meinen Augen nur zwei Gründe, den Mailand-Marathon zu laufen:

- entweder man wohnt da (wie ich)

- oder man will sich die Stadt ansehen und nimmt dabei den Marathon mit.

Die Begeisterung der Zuschauer und die Strecke halten sich in Grenzen. Sie ist aber schnell, die Strecke.

Ein Tipp ist eher der "Stramilano", der jährliche Halbmarathon. Schönere Strecke, dadurch mehr Zuschauer, die auch besser mitgehen und insgesamt irgendwie sypathischer.
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