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6. Tage durchs Tecklenburger Land

6. Tage durchs Tecklenburger Land

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Ich habe schon sehr lange keinen Laufbericht mehr schrieben, aber in den letzten sechs Tagen habe ich wieder einmal an einer der schönsten Laufveranstaltungen Deutschlands teilgenommen und ich möchte versuchen mal ein wenig von dem Flair dieses Rennens zu vermitteln.

Es handelt sich um die Riesenbecker Six Days. Hier wird an sechs aufeinanderfolgenden Tagen in Etappen von 19 km bis 25 km eine Gesamtstrecke von 125 km gelaufen. Die Zeit der Etappen wird addiert. Dieser Lauf findet nur alle zwei Jahre statt und ich war dieses Jahr zum vierten Mal dabei.

Erste Etappe von Riesenbeck nach Ibbenbüren ca. 19 km.

Am Samstag ging es nun endlich los, schon 1 Stunde vor dem Start waren viele der 500 Starter im Startbereich in Riesenbeck. Die Anspannung war förmlich zu spüren, die Stimmung war Klasse und der Moderator Michael verstand es diese Stimmung immer wieder anzuheizen, es lief „Wahnsinn“ von Wolle Petry. Dieses Lied sollte in den 6 Tagen zu Hymne werden. Dann rückte der Start näher und wir standen vor dem großen Startbogen und zählten die letzten 10 Sekunden runter und los ging es durch ein Zuschauerspalier hinaus auf die Strecke. Die erste Etappe ist die einfachste, zunächst geht es ca 14 km flach bevor es hier einmal über den Teutoburger Wald geht. Ein ca, 1,5 km langer Anstieg rauf, um dann 3 km wieder runter zum Ziel am Rathaus in Ibbenbüren zu laufen. Eine recht unspektakuläre Etappe, wo es hauptsächlich darauf ankommt nicht zu überziehen, da ja noch 5 Etappen folgen. Bei km 12 lief ich auf ein pinkes Trikot auf. Es handelte sich um eine niederländische Läuferin. Was ich hier noch nicht wusste, es handelte sich um die erste Frau und dieses Trikot würde mich während der Etappen noch öfter begegnen.
Der Einlauf in Ibbenbüren war sehr stimmungsvoll, sehr viele Zuschauer und die Cheerleader auf den letzten Metern. Mit 1:19:42 erreichte ich fast die gleiche Zeit wie 2008. Im Zielbereich wurde dann mit den anderen Läufen ein wenig gefachsimpelt und das Rahmenprogramm geschaut.

Zweite Etappe von Ibbenbüren nach Tecklenburg ca. 21 km


Am Sonntag dann die „Königsetappe“ sozusagen das Alp d`Huez der Six Days wegen des fiesen Schlussanstieges. Die Etappe führt zunächst von Ibbenbüren zurück zum Teutoburger Wald und es folgt nach 4 km der erste Anstieg, aber nur um gleich auf der anderen Seite vorbei am Hockenden Weib wieder runter zu laufen. Am Fuße des Berges führt es dann bis nach Brochterbeck. In Brochterbeck kommt dann der zweite richtig harte Anstieg und danach führt die Strecke immer wieder leicht auf und ab durch den schönen Wald bis man schließlich Tecklenburg erreicht. Auf diesem Teilstück wurde ich vom pinken Trikot überholt. Wie ich jetzt wusste handelte es sich um die erste Frau des Feldes, die ich auf der ersten Etappe ca. 1 Minute hinter mir gelassen hatte. Also dran bleiben, was sich als falsche Entscheidung herausstellte, denn in Tecklenburg angekommen heißt ja noch nicht im Ziel sein. Nein man kommt in den Ort und muss dann den sogenannten Hexenpfad herunter. Sehr steil, ausgewaschen durch den Regen. Hier kann man normal nicht runter laufen, nicht mal richtig runter gehen ohne Stöcke, aber nicht bei den Six Days hier stürzen sich alte Männer (ich sag das jetzt mal so weil 50% des Starterfeldes in der M40 und M45 sind, ich gehöre ja auch dazu) wie die verrückten den Berg herunter, es geht ja um Sekunden. Dann geht es 2,5 km flach bevor die letzten beiden km durch das „Himmelreich“ hinauf zu Ziel an der Freilichtbühne in Tecklenburg geht. Ich war so was von fertig, der Versuch an der ersten Frau dran zu bleiben hatte die letzten Körner gekostet, der Anstieg war deshalb sau schwer und ich musste einige Gehpausen einlegen. Aber dann, als man oben war, konnte man schon Michael mit seinen Kommentaren im Zielbereich hören. Als ich um die letzte Kurve bog war alles an Pein der letzten km vergessen. Gänsehaut pur, ungeheuer viele Zuschauer, die machten eine Rabatz und obwohl ich so fertig war konnte ich noch lächeln als ich durch das Zuschauerspalier lief. Das tolle ist, diese Stimmung ist beim ersten Läufer, beim 50 zigsten und auch beim 350. Super.
Ich kam nach 1:37:46 ins Ziel was etwa 40 Sekunden langsamer war als 2008, die erste Frau war mir bis auf 12 Sekunden in der Gesamtwertung auf die Pelle gerückt.

Dritte Etappe von Tecklenburg nach Mettingen ca 19 km


Irgendwer musste mir in der Nacht was schlimmes angetan haben. Zumindest hatte ich das Gefühl, mich hätte ein Trecker überfahren, als ich morgens aufgestanden bin. Unvorstellbar heute wieder laufen gehen zu können. Aber es geht, dass wusste ich noch aus 2008.
Die Dritte Etappe mag ich gerne, die Anstiege sind recht gleichmäßig und die letzten km geht es dann nur noch runter ins Ziel in Mettingen. Ab dieser Etappe hatte sich auch das Männerfeld sortiert (komischerweise gibt es da an den ersten beiden Tagen immer kräftige Verschiebungen) aber ich wusste wer an der dritten Etappe im meinem Bereich läuft wird dir bei normalen Verlauf in den nächsten Tagen immer wieder begegnen. Nun beginnt es das besondere der Six Days, das schauen jeden Abend in der Ergebnisliste, wo stehe ich wo steht xy und es ist egal wo man steht, ob auf Platz 10, 100 oder 300 seine Pappenheimer hat man. Die Stimmung beim Mettinger Abend war wieder super und schon wieder ging es durch ein tobendes Zuschauerspalier nach 1:20:03 ins Ziel. Leider war es so kalt geworden, dass man sich nach dem Lauf nicht mehr so lange im Zielbereich aufhalten konnte und die Kälte sollte uns die nächsten Tage erhalten bleiben, sehr schade für den Veranstalter, der sich so viel Mühe mit dem Rahmenprogramm gegeben hatte. Das pinke Trikot hatte ich heute nicht gesehen, sie aber wohl meins und deshalb kam sie kurz hinter mir ins Ziel und der Vorsprung betrug dann ca. 1,5 Minuten.

Vierte Etappe von Mettingen zum Dickenberg ca. 19 km


Am Dienstag ging es mir beim Aufstehen erstaunlich gut, nichts tat weh und ich war schon wieder heiß auf die nächste Etappe, obwohl ich die Vierte nicht mag. Da geht es direkt nach dem Start schon einen Berg rauf und nach 4 Minuten hat man schon den max Puls getestet. Nach 3 km kommt sie dann die „Wand“ und es kommt einem wirklich so vor wie eine Wand. Man kommt aus dem Wald und steht vor einer Straße die man hoch muss. Sie ist ca 200m lang und hat eine Steigung von 25%, da kann man nicht hochlaufen, aber auch das hochgehen treibt den Puls wieder hoch. Als ich oben war hatte ich das Gefühl meine Oberschenkel wäre doppelt so dick wie normal. Es hat einige km gedauert bis sie wieder lockerer wurden. Nun beginnt auch der Teil der Sixdays wo die Erschöpfung auf den einzelnen Etappen immer früher einsetzt und die km die man richtig kämpfen muss immer mehr werden. Miss pinkes Trikot wollte es wohl an diesem Tag noch einmal wissen und ich konnte sie unterwegs nur sehen, wenn mal ein längeres gerades Stück kam. Mein Pech war, das in der AK und auch in der Gesamtwertung nach vorne eigentlich nicht mehr viel ging, es aber hinter mir sehr eng war. Es ist natürlich schöner zu jagen als der Gejagte zu sein. Aber aus dieser kleine Rivalität zieht man einfach auch die Motivation sich jeden Tag wieder zu quälen.
Der Zieleinlauf auf dem Dickenberg war wieder Klasse und ich kam nach 1:21:56 ins Ziel.

Fünfte Etappe vom Dickenberg nach Ibbenbüren ca. 22 km

Es heißt wer am 5 Tag noch antritt kommt auch bis ins Ziel. Mir ging es erstaunlicherweise immer noch recht gut, weder die Beine noch die Muskeln taten weh. Das kannte ich anders aus 2008. Nun beginnt so langsam der zweite Wettkampf bei den Six Days und da konnte ich nun dieses Jahr überhaupt nicht mithalten. Auf die Frage wie geht’s, wird jetzt geantwortet 4 zu 2. Soll heißen 4 Blasen zwei blaue Zehnägel, normaler Schnitt nach 4 Etappen, aber ich bin dieses Jahr davon verschont geblieben. Die fünfte Etappe mag ich sehr, da die Anstiege nicht so ungleichmäßig sind und immer mal wieder einige km flach dabei sind. Gemein ist, dass man schon fast 10 km unterwegs ist und dann nur 500m Luftlinie vom Start entfernt vorbei läuft. Ab km 15 wurde es sehr schwer, aber ist ja auch normal immerhin hatte ich bis hier schon fast 100km im deutlich schnelleren Tempo wie mein MRT in den Beinen. Aber die vertrauten Gesichter um mich herum, sahen auch nicht entspannter aus. Durch den Regen waren einige Streckenabschnitte auch recht matschig geworden und es war wirklich nicht leicht. So kam ich nach 1:38:50 ins Ziel, dies war zwar 2 Minuten langsamer als 2008 aber die Strecke war auch um 700m länger als 2008 weil der Startort verlegt worden war. Dies war wohl meine beste Etappe in diesem Jahr, ich konnte auch meinen Vorsprung auf die erste Frau auf 2,5 Minuten ausbauen.

Sechste Etappe von Ibbenbüren wieder zurück zum Startpunkt nach Riesenbeck ca. 24,5 km

Sehr nett die letzte Etappe am längsten zu machen. Vor dem Start war die Stimmung sehr gelöst, Michael machte wie jeden Tag wieder einen super Job und trug seinen Teil zur Stimmung bei. Die in der Gesamtwertung eng beieinander liegenden Läufer erzählten sich gegenseitig ihre Krankengeschichte. Da war von gebrochenen Zehn, abgelösten Zehnägel, von aufgeplatzten Blutblasen wo man schon den Knochen sehen kann die Rede. Keiner wollte mehr richtig was geben, Hauptsache ankommen war die Devise. War natürlich schlecht für mich. Ich hatte eigentlich nichts zu jammern, nichts tat weh, alle Zehn dran, keine Blase. Ich war im Arsch ok, gut dann schiebe ich es darauf, also heute kämpfe ich um keinen Platz mehr.
Dann die letzten Sekunden vor dem Start, es wurde rhythmisch geklatscht und die letzten 10 Sekunden schon traditionell heruntergezählt und dann ging es mit Wolles „Wahnsinn“ auf die letzten 25 km. Kaum war der Startschuss ertönt, da schossen die gebrochenen Zeh, aufgeplatzten Blutblasen und abgerissenen Zehnnägel los als gäbe es morgen mehr. Also alles wieder wie gehabt, es wurde um jeden Platz gekämpft bis ins Ziel. Meine Rivalin aus den Niederlanden ging auch sehr forsch an und ich natürlich mit. So liefen wir gemeinsam vorbei am Aasee an der Aa entlang wieder in den Wald. Hier kam der erste schwere Anstieg im Wald, um nur auf der nächsten Seite wieder herunter zu laufen. So ging es dann noch 2 x rauf und runter und nach 15 km kam man am nassen Dreieck (hier treffen sich Mittellandkanal und Dormund Emskanal) aus dem Wald heraus. Über die schöne Ortschaft Bevergern am Schloss Surenburg vorbei. Irgendwo hier konnte ich mich ein wenig von meiner Rivalin absetzen. Aber die letzten 5 km waren schon sehr hart, ich konnte einfach nicht mehr. Aber so wie mir ging es allen Läufern rund um mich herum.
Wenn ich schon dachte die Zieleinläufe in Ibbenbüren/Tecklenburg und Mettingen wäre gut gewesen, so kam dann der Höhepunkt, der Zieleinlauf in Riesenbeck, super Stimmung sehr viele Zuschauer ein langer Zielkanal gesäumt von feiernden anfeuernden Menschen, dies lies die ganzen Strapazen des Tages vergessen.
So erreichte mit einer dicken Gänsehaut das Ziel. Bin ich erste Frau, egal, hat Günter mich noch eingeholt, egal, ist Günter gut durchgekommen ja, das ist wichtig. Im Ziel sind die Rivalitäten der letzten Tage vergessen. Jeder gratuliert jedem, jeder freut sich es geschafft zu haben und jeder weis, wer es bis hier geschafft hat ist ein Sieger.

Für die letzte Etappe habe ich dann 1:48:31 gebraucht.
Ingesamt habe ich für die 125 km 9:06:48 Sekunden gebraucht was einen Schnitt von 4:24 min/km entspricht.(genau wie 2008) Ich war zwar zwei Minuten langsamer als vor zwei Jahren, dafür waren die Six Days aufgrund von Streckenänderungen auch etwas länger als vor zwei Jahren, so dass ich mein Ergebnis als gleich ansehe und mehr als zufrieden bin.
Insgesamt belegte ich einen 53 Platz von 443 die ins Ziel gekommen sind sowie den 17 AK M45 von 102.

Wieder einmal waren die Six Days ein unvergessliches Erlebnis und in 2 Jahren bin ich wieder dabei, wenn Wolle singt „Wahnsinn“ denn was Michael und sein Team da auf die Beine stellen ist wirklich Wahnsinn., danke dafür.

Sorry ist sehr lang geworden, war aber auch ein langes Rennen.

Manfred :winken:

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Toller Bericht (solltest mehr davon schreiben :zwinker2: ) tolles Rennen und tolles Ergebnis! Aber Wolles Wahnsinn geht überhaupt nicht - auch nicht bei Wettkämpfen (zudem habe ich es jetzt die ganze Zeit im Ohr und Du bist schuld :sauer: )
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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Glückwunsch & Respekt!

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Hallo Manfred,

Glückwunsch zu der sehr guten Leistung bei einem Rennen, das durch sein Profil und die Belastung über 6 Tage nacheinander sehr anspruchsvoll ist. :daumen: Danke auch für den anschaulichen Bericht, der die Highlights und die Durchhänger während dieser 6 Tage gut nachvollziehbar macht - Du solltest öfter mal was über die Läufe schreiben! :nick:

Ich wünsche Dir eine gute Erholung

P.S.: Das mit der Musik ist sicherlich immer der besonderen Situation geschuldet und somit absolut verständlich, ich würde unter normalen Umständen auch nicht auf dem Tisch stehen und das Rennsteiglied laut klatschend mitsingen, aber ...!
:party: :party: :party:
Tschüss, sportliche Grüße aus dem Bergischen Land

Eckhard :winken:

"Radsport ist Mannschaftssport, 60 km/h und 30 cm Abstand zum Vordermann" (Robert Bartko)

Auch 2014 und danach wird weitergelaufen! :zwinker2:

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Jaaaa, genau, Du solltest öfter wieder was schreiben! Der letzte Laufbericht ist schon eine gefühlte Ewigkeit her, ach, noch viel länger!
Beim Lesen ist es, als hätte man Günter und das pinkfarbene Trikot im Nacken, keucht an den Bergen und bekommt Gänsehaut bei den Zuschauern.
Ich habe das Gefühl, als müsste man das einfach mal gelaufen sein! Gut, das relativiert sich dann aber wieder, wenn ich die Höhenprofile geschaut habe und eine Wand schon in Etappe 1 drin ist, die in Deinem Bericht nicht einmal erwähnt ist. Da begnüge ich mich lieber mit so einem spannenden und anschaulichem Bericht, von einem Rennen und den Gefühlen am nächsten Morgen mit etlichen Kilometern und Höhenmetern in den müden Beinen, was ohne so eine Beschreibung für mich gar nicht vorstellbar wäre.

Wie man da jeden Tag aufs Neue Gas geben kann ist mir schleierhaft, aber es scheint, als würde das Drumherum zusätzlich unglaublich motivieren, einfach das Flair der SixDays. Hoffentlich ist 2012 wieder ein klein wenig schöner, so dass die Teilnehmer länger feiern und plaudern können und nicht sofort ins warme Heim wollen.

:danke: für den schöööönen Bericht! :nick: Und nochmal herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Ergebnis :hurra:

Michi, auch mit Wahnsinn im Ohr jetzt
Mik

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Hallo Manfred,

vielen Dank für den super Bericht und herzlichen Glückwunsch zu dem ganz tolle Ergebnis! :daumen:

Ich habe jeden Tag im Internet deine Zeiten verfolgt...

Finde es auch unvorstellbar 6 Tage lang jeden Tag zwischen HMRT und MRT zu laufen, noch dazu bei so einem Profil.

Ganz tolle Leistung erhole dich gut und schreib uns wieder öfter einen Bericht. :D

Bernhard
Benutzerbild aufgenommen beim Rotterdam Marathon 2012
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Hallo,

danke euch und freue mich, wenn euch der Bericht gefallen hat.

Manfred :winken:

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Klasse Leistung, Manfred, und sehr schön beschrieben. Man bekommt richtiggehend Lust auf die Veranstaltung.
Gesperrt

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