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Auf und nieder, immer wieder: Lichtenwaldlauf 2010

Auf und nieder, immer wieder: Lichtenwaldlauf 2010

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Auf und nieder, immer wieder

Lichtenwaldlauf 2010
Lichtenwaldlauf 2010, 10 Sekunden vor dem Start: Während der Starter bereits laut den Countdown herunterzählt, spurtet noch ein letzter Teilnehmer auf den Startblock zu. "10-9-8-7-6 ...". Der verspätete Sportsfreund quetscht sich ein Stück vor mir zwischen die Läufer. Ganz schön clever, so kann man sich auch einen Startplatz in den vordersten Reihen verschaffen. "... 5-4-3-2-1-LOS!" und ab geht die Post.

Denn sie wissen nicht was sie tun
Obwohl ich inzwischen daran gewöhnt sein sollte, bin ich doch immer wieder darüber erstaunt, wer auf den ersten Metern so alles an mir vorbeistürmt. Auch auf die Gefahr hin, dass mir das jetzt als Überheblichkeit oder Vorurteil vorgeworfen wird: Die Wahrscheinlichkeit, in der durchaus nicht immer kleinen Menge an vor mir liegenden Läufern bei zweistelligen Temperaturen jemanden in langen Baumwoll-Trainingshosen zu finden, ist zumindest nach ein paar Kilometern in etwa ebenso hoch wie die Chance, in einem vollbesetzten Straßenbahnwagen keinen einzigen Fahrgast mit Handy in der Hand zu sichten. Auch der junge Sportsfreund vor mir, offensichtlich noch Schüler, prescht davon als gelte es einen Sprint zu gewinnen. Nach kaum einem halben Kilometer hat er sein Pulver dann aber auch schon verschossen, bleibt japsend beinahe stehen und lernt gerade seine erste Lektion in Sachen Respekt vor der 10-Kilometer-Distanz.

Aussichtssachen
Der Sprecher hatte am Start noch einmal auf die wunderschönen Aussichtsmöglichkeiten auf der Strecke hingewiesen. Damit war jeder einigermaßen erfahrene Läufer natürlich gewarnt. Ebenso wie in einem Reiseprospekt die "zentrale Lage" für schlaflose Nächte am Rande der Hauptverkehrsstraße steht oder im Arbeitszeugnis das "hat sich stets bemüht" für "... aber nichts hinbekommen", ist eine Ausschreibung mit Begriffen wie "reizvoller Landschaftslauf" natürlich eine subtile Warnung und bedeutet "Hier geht es fürchterlich bergauf und bergab und Du musst froh sein, wenn die Wege wenigstens ordentlich befestigt sind. Jegliche Idee von einer Bestzeit kannst Du Dir gleich von der Backe putzen".

Nach einem Kilometer relativ ebener Strecke hat sich das Feld sortiert und die Strecke zeigt ihr wahres Gesicht. In halsbrecherischem Galopp jagen wir ein steiles Gefälle bergab. Mir wird Angst und Bange, nur ein kleiner Ausrutscher und es gibt eine Katastrophe. Ganz ohne Abbremsen kann ich die Schritte nicht durchziehen, dazu ist es einfach zu steil. Immerhin überhole ich eine ganze Reihe noch vorsichtigerer Läufer, bin aber heilfroh, als der Höllenritt mit einer scharfen Rechtskurve ein Ende findet. Mit 3:23 stoppe ich vermutlich meinen schnellsten Kilometer der ganzen Saison.

Laut ihrem Webauftritt wurde die Gemeinde Lichtenwald vor rund 30 Jahren durch den Zusammenschluss der Ortsteile Hegenlohe und Thomashardt gegründet. Auch wenn ebendiese Website über eine hohe Zustimmungsquote zum Zusammenschluss berichtet, kann es sich nicht um einen Zusammenschluss "auf Augenhöhe" gehandelt haben. Jedenfalls nicht aus geografischer Sicht, denn beide Ortsteile trennt eine respektable Höhendifferenz. Nun haben wir in Hegenlohe den Tiefpunkt erreicht (ebenfalls natürlich geografische gesehen ...) und laut Höhenprofil stehen uns rund vier Kilometer Anstieg bevor.

Hundeelend
Der erste Kilometer bergauf läuft noch ganz ordentlich, aber dann ist es mit der Herrlichkeit schnell vorbei. Es ist schon immer wieder erstaunlich, wie ein paar Milliliter Milchsäure aus einem adrenalinstrotzenden, zu allem entschlossenen Läufer ein jämmerliches Häufchen Elend machen können. Ich habe überzogen und muss jetzt dafür büßen. Also Tempo raus und einen Trott finden, bei dem die Beine wieder brauchbar funktionieren.

Am Straßenrand knurrt mich ein Hund böse an und zerrt heftig an der Leine. Hoffentlich hat sein Frauchen die Leine im Griff, sonst habe ich einen sehr überzeugenden Motivator an den Hacken. Wäre vielleicht angebracht, denn meine Kilometerzeiten liegen inzwischen sehr deutlich über 4 Minuten. Eine tolle Zeit wird das heute nicht. Naja, wenigstens sind Strecke und Wetter schön, ohne den deutlich spürbaren Wind wäre es in der Sonne sogar schon etwas zu warm.

Immerhin finde ich so langsam ich in die Steigung hinein und kann an weniger steilen Passagen wieder eine Schippe drauflegen. Was mir noch so auffällt: Seit Beginn der Steigung hat mich kein einziger Läufer überholt, obwohl ich deutlich vom Gas gegangen bin und das auch generell nicht gerade "mein" Gelände ist. So schlimm kann mein Einbruch also nicht gewesen sein. Schon wieder lauert am Straßenrand ein Hund, diesmal allerdings auf der anderen Seite und wesentlich friedlicher.

Jetzt wird’s eng
Während der letzten Kilometer hat sich eine vor mir liegende Zweiergruppe nur unwesentlich von mir entfernt; jetzt scheint einer der Beiden zu schwächeln. Ich wittere Morgenluft (bzw. bekomme überhaupt endlich wieder einigermaßen Luft) und mache mich einem "Den kaufe ich mir!" an die Verfolgung.

Langsam komme ich näher, und als die Strecke endlich wieder flacher wird, habe ich ihn gestellt, kann aber zunächst einmal nicht überholen. Der ohnehin nicht gerade breite Weg ist durch orange Hütchen halbiert und bildet eine Wendestrecke, an deren Scheitelpunkt ein Ordner darüber wacht, dass niemand ein paar Hütchen zu früh umkehrt. Direkt vor der Wende kann ich mich an meinem Vordermann vorbei quetschen und wieder mein Tempo laufen.

Da steht ein Pferd in der Flur
Nach all den Hunden nun zur Abwechslung einmal eine andere, tierische Überraschung: Ein Pferd steht an der Strecke. Dessen Begleiterin hat sich zum Glück an den Wegesrand verdrückt und scheint ganz gut aufzupassen. Bis das inzwischen reichlich langgezogene Feld hier vorbei ist, wird sie aber noch eine Weile ihre Freude haben.

Ein Auto kommt mir entgegen, das ist mir heute schon einmal passiert. Irgendwie hat es wieder ein Anwohner geschafft, sich auf die Strecke zu mogeln. Dabei ist diese heute wirklich extrem gut gegenüber jeglichem Verkehr abgeschirmt: An jeder Kreuzung stehen Ordner, die naheliegende Autobahnausfahrt ist wegen eines Unfalls seit Stunden gesperrt (was von meinem renitenten Navigationssystem trotz Verkehrsfunkanbindung hartnäckig ignoriert wurde) und sogar der Luftraum über uns ist wegen Vulkanasche geschlossen.

Die Schritte meines Hintermanns hallen lauter und lauter. Hat der sich wieder erholt und setzt zum Konter an? Als er mich erreicht, sehe ich, dass es sich um einen anderen Läufer handelt. Nachdem er auf den letzten Metern ziemlich flott zu mir aufgeschlossen hat, bleibt er nun neben mir. Na – hat der sich der der Verfolgungsjagd vielleicht übernommen? Das sollte ich doch gleich einmal antesten. Ich lege einen Tick zu, aber er bleibt auf gleicher Höhe. Am nächsten Anstieg mache ich richtig Druck, aber ich werde ihn einfach nicht los; der Kerl klebt mir am Hintern wie ein Duschvorhang. Dafür legt er an der nächsten Kurve einen Zwischenspurt ein und nun muss ich ihn ziehen lassen. Ein wenig Luft brauche ich noch für die letzten beiden Kilometer. "Außerdem läuft der bestimmt zwei Altersklassen unter mir", rede ich mir ein.

Hundertwasserturm
Die Strecke führt nun an dem Wahrzeichen von Thomashardt vorbei, dem Wasserturm mit buntem Keramikfliesen-Mosaik, einer Art schwäbischen Antwort auf Friedensreich Hundertwasser. Wenn mich die Erinnerung an meinen letzten Start in Lichtenwald nicht täuscht, ist jetzt das Schlimmste überstanden. Endlich taucht der Sportplatz vor mir auf und ich höre auch die Durchsagen des Sprechers. Für einen richtigen Schlussspurt fehlt mir leider die passende Motivationshilfe; mein Vordermann ist längst enteilt und ein Blick nach hinten offenbart keinerlei Verfolger.

Hoppala – Beim Übergang vom asphaltierten Weg auf die Rasenfläche des Sportplatzes komme ich gehörig ins Stolpern. Keine Ahnung, ob es an einem Absatz oder nur an meiner inzwischen sehr mangelhaften Koordinationsfähigkeit gelegen hat. Dem Stadionsprecher ist das natürlich nicht entgangen und so werde auch ich das Opfer einer seiner launigen Kommentare. Ich nehme mich zusammen und gebe auf der Zielgeraden noch einmal Gas.

Nach 41:14 bleibt die Uhr stehen – auch unter Berücksichtigung des Streckenprofils nicht unbedingt eine meiner Glanzleistungen. Ist aber nicht tragisch, denn jetzt folgen erst die wichtigsten Gründe für meine Teilnahme an diesem schönen und gut organisierten Lauf: Das Treffen mit den Mitgliedern der Forum-Teams und die Kalorien-Superkompensation am legendären Lichtenwalder Kuchenbuffet.

Links:
Details: Zwischenzeiten, Herzfrequenz, Herzfrequenz-Grafik
Satellitenansicht der Laufstrecke
http://www.jahreslauf.de
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