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Von der Stand- auf die Überholspur in 21km - mein 3. HM in Marburg

Von der Stand- auf die Überholspur in 21km - mein 3. HM in Marburg

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Seit Ostern habe ich mich auf den gestrigen HM in Marburg vorbereitet - und war super nervös, ob der angekündigten Hitze.

Im Training hielt ich mich an einen Plan für HM unter 2 Stunden, den ich allerdings nur bedingt durchhalten konnte. Einmal war ich krank, es fielen im 10 Tage weg. Außerdem waren die Umfänge zu hoch für mich, ich schaffte immer 2-3 Wochen sehr gut, dann nur noch mit Mühe, war schlapp und müde, so dass ich einmal auch gut eine Woche völlig pausierte.

Aufgrund meiner Zeit im 10k Lauf (56min) hätte ich wohl eine Zeit um 2:05 schaffen können - aber wegen der Hitze korrigierte ich dieses für mich ehrgeizige Ziel auf ein "gut durchkommen", vielleicht ja schneller als beim letzten Mal in 2007 (2:15h).

Es hieß also viel trinken - am Morgen begrüßt mich der Tag mit Kopfschmerzen! Die Idee, ein Rehydration Päckchen zu trinken, um gute Vorbedingungen zu schaffen, hatte zumindest einen Placebo Effekt. Am Nachmittag waren die Kopfschmerzen immer noch da und mein Weg führte in die Apotheke, die ich mit Aspirin wieder verließ.

Sonnenschutz, klar. Dann kam ich auf die Idee Fuß-Kühlgel an die Beine zu schmieren, weil es sich gut anfühlte tat ich das kurz später auch mit den Armen. :D
Bis zum Start sind es für mich nur 10 min zu Fuß, so konnte ich relativ kurz vorher noch kalt duschen und etwas später, mit den Schuhen schon an, hielt ich den Kopf noch einmal unter die kalte Brause.

Mit einer 0,5er Wasserflasche in der hand ging es los zum Marktplatz - 18.35Uhr - war hier heute weniger los als in den Vorjahren? Mein Pipi-Timing war auch perfekt ;) Um etwa 18.50 war die Blase entleert, das Shirt, Arme, Nacken mit kaltem Wasser befeuchtet.

Ich sagte mir noch einmal: Ganz hinten starten, keine Experimente, wenn Probleme auftreten, freiren oder dergleichen, vernünftig abschätzen und ggf. abbrechem, heute wirst du in jedem Fall gewinnen.

Der Puls rast schon vor dem Start - ich muss darüber lachen, schwupp noch mal 10 Schläge mehr - in diesem Bereich laufe ich meine langen langsamen Läufe... aber ich weiss schon, dass sich das geben wird, ist ja nicht das erste Mal.

Ich trage meine kleine Wasserflasche nun doch lieber mit, statt sie am Marktplatz zurückzulassen. Sicher ist sicher!

Und dann geht es los! Langsam setzt sich der Pulk in Bewegung - aber da ich wirklich ganz hinten bin, tut sich lange noch gar nichts.

Da ich schlecht einschätzen kann wie viel der Puls später durch die Entwässerung/ Erhitzung ansteigen wird, lasse ich es extrem langsam angehen - und bin schockiert, als ich die Kilometerzeiten sehe: Statt "langsamer 6:10min" starte ich mit 6:37/6:34/6:32/6:29 usw.) aber ich halte das trotzdem für richtig. Schneller werden kann ich immer noch und sage mir: Es zählt nur das Ankommen. Immer mehr Leute gehen, ich bin noch fit.

Hier kommt es zu einer interessanten Begegnung: Ein älterer Herr berichtet gerade einem anderen Läufer, dass er in diesem Jahr seinen 40. Marathon laufen wolle - schließlich habe er ja auch zum 40. Mal das Sportabzeichen abgelegt, das solle dann schön zusammen passen. *RESPEKT!*

Vor jeder Verpflegungsstelle entleere ich die Reste meiner Flasche über meinen Armen - wenn ich frisches kühles Wasser habe, halte ich die Flasche von Zeit zu Zeit in den Nacken und den Hals. Trotzdem glüht mein Gesicht regelrecht!

Das Stück zwischen km 5 und 10 ist so abgelegen, dass kaum Zuschauer sich hier her verirrt haben - los geht es erst wieder als man ab km 10 zurück in die Innenstadt kommt. Kurz darauf, beim ersten Wechselpunkt für die Staffeln, wurde eine kleine Dusche installiert: Herrlich!

Es geht (zum letzten Mal übrigens) über den schmalen Hirsefeldsteg auf die andere Lahnseite und dort auf dem Radweg vorbei an (sich) grillenden Menschen Richtung Gisselberg.

Seit einiger Zeit dient die Wasserflasche schon mehr der Kühlung als der Wasserversorgung; mehr trinken hätte einen Wasserbauch zur Folge - bei km 12 werfe ich die Flasche deshalb weg. Ich fühle mich noch fit genug um nun etwas schneller zu werden. Ich kenne hier schließlich jeden Grashalm und kann recht gut einschätzen, was noch kommt.

Dann gehe ich also auf die "Überholspur". Vor mir eine Frau hat jetzt genau "mein" Tempo und ist auch kräftig am Überholen. An ihr kann ich mich ser gut orientieren.
Leide rist der Radweg relativ schmal und leider laufen viele Leute zu zweit nebeneinander und achten dabei wenig auf Überholende. So passierte es, dass ich einen großen FauxPas beging...

Die Läuferin an deren Geschwindigeit ich mich orientierte konnte zwei oder drei zusammen laufende Männer noch gerade überholen, vor mir scherte einer der Herren jedoch nach links aus und blockierte für mich den Weg. Da ich den Eindruck hatte, dass die Herren plaudernd nebeneinander weiter laufen wollten, machte ich mich bemerkbar - spreche aber meistens sehr leise und - da anscheinend nichts passierte, dachte ich, man habe mich nicht gehört und sagte noch mal ein "Vorsicht bitte" oder irgendetwas. :peinlich: Ich weiss nicht, ob man verlangen kann, dass jemand mal den Weg frei macht und dazu mal den einen oder anderen größeren Schritt macht - ich selbst mache das immer.

Und vorallem schaue ich auch wie beim Autofahren in der Regel ob nicht von hinten jemand ankommt, bevor ich links rausfahre... Dieser Herr war dann jedenfalls sehr angepisst und spottete bei seinen Kollegen über mein Drängeln. ("Wie ein Audi A8 auf der linken Spur, der hinter einem LKW Lichthupe macht") - Ja, sicher war das, wenn ich es jetzt betrachte, nicht freundlich von mir. Aber ich dachte nun mal, dass ich nicht gehört worden sei. Es tut mir also Leid - würde mir aber wünschen, dass man auch mal nach hinten guckt, bevor man die Bahn blockiert.

Kurz vor Gisselberg folgte die erste Überrundung durch (wahrscheinlich den führenden?) Marathonläufer - begleitet von einem Fahrrad, das/ dessen Fahrer ihm den Weg frei machte. Er war nun irgendwo in seinen 30ern - wir nicht einmal bei km15.

In Gisselberg dann noch einmal eine super Versorgungsstation und: ein "Duschtor"! Auf der ersten Hälfte hätte ich mir (und aus einem "endlich Schwämme" schließe ich, dass ich nicht allein war) mehr Schwämme gewünscht. Nun konnte ich mich über zu wenige Schwämme nicht mehr beschweren. :) Die Versorgung war wirklich ausgezeichnet!

Irgendwo hinter km 17 habe ich meine heimliche Zugläuferin dann überholt - nicht so leicht auszumachen, was die maximale geschwindigkeit ist, die man noch x km durchhalten kann. Auf diesem letzten Stück habe ich oft progressive Trainingsläufe gemacht und weiss, dass ich nun noch schneller werden kann (im Training war ich angestrengter). Also geht es los und auf den letzten drei km erreiche ich tatsächlich noch km Zeiten unter 6 Minuten.

Am Südbahnhof, (km19?) werde ich ein zweites Mal von dem fahrradbegleiteten Marathoni überholt. - Ich bin schon total voll mit diesem wahnsinnigen Glücksgefühl, strahle ein bisschen vor mich hin, wundere mich, dass es immer noch alles rund geht... 1km vorm Ziel noch mal frisch machen (Schwammstation) und weitermachen...

Am Eingang zum Stadion sagen sie: Nur noch 400 Meter und das kommt mir so wenig vor! Sie sagen auch, das Trüppchen vor mir könne ich noch überholen, die seien schon platt.

Ich biege ab, stake durchs Kiesbett einer Baustelle - Motivation durch jubelnde Freunde. Überhole das "Trüppchen"... und in dem Moment, in dem ich auf die Tartanbahn stoße (noch 600 Meter), denke ich, ich schaff es doch nicht mehr. Mein Kopf sagt: Doch, klar schaffst du das, mach es einfach, du bist noch fit genug!

Ich möchte so gern noch einen kleinen Endspurt!
Und werde minimal schneller - da steht an der Seite das Schild für die Marathonis: "42 km" und ich weiss, es sind IMMER NOCH 200 Meter! Kurzer Einbruch.

Trotzdem nähere ich mich noch einer Läuferin und denke kurz - vielleicht laufen wir einfach zusammen ins Ziel - vielleicht sollte ich lieber hinter ihr bleiben und auf den letzten 100 Metern nicht mehr überholen - und versuche mich an diverse Forenbeiträge zu erinnern. Da werden wir beide überholt und ich denke: "Scheiß egal" und "Entschuldigung" denn jetzt kann ich doch noch einmal schneller.

Mit einer Nettozeit von 2:10:1,8 konnte ich mich trotz der Hitze zum letzten Mal (2007) um fast 5 Minuten verbessern und habe eine neue PB erreicht.
Dabei weiß ich eigentlich, dass noch ein bisschen mehr drin wäre. Und wahrscheinlich wird es dieses Mal nicht ein ganzes Jahr dauern, bis ich das ausprobiere. Vielleicht wird es ja was, mit München im Oktober.

Danke fürs Lesen und einen guten Lauf Euch allen. :winken:
m.
21.05.2010 -- Abendvolksl. Heckershausen, 10km -- 56:14,8
02.07.2010 -- Nachtmarathon Marburg HM -- 2:10:01,8
07.08.2010 -- 17. Brückenlauf Goßfelden, 10km -- 56:54

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Schöner Bericht, da meint man fast, man wäre mitgelaufen! :daumen:


mrsmerian hat geschrieben: Da ich den Eindruck hatte, dass die Herren plaudernd nebeneinander weiter laufen wollten, machte ich mich bemerkbar - spreche aber meistens sehr leise und - da anscheinend nichts passierte, dachte ich, man habe mich nicht gehört und sagte noch mal ein "Vorsicht bitte" oder irgendetwas. :peinlich: Ich weiss nicht, ob man verlangen kann, dass jemand mal den Weg frei macht und dazu mal den einen oder anderen größeren Schritt macht - ich selbst mache das immer.

Und vorallem schaue ich auch wie beim Autofahren in der Regel ob nicht von hinten jemand ankommt, bevor ich links rausfahre... Dieser Herr war dann jedenfalls sehr angepisst und spottete bei seinen Kollegen über mein Drängeln. ("Wie ein Audi A8 auf der linken Spur, der hinter einem LKW Lichthupe macht") - Ja, sicher war das, wenn ich es jetzt betrachte, nicht freundlich von mir. Aber ich dachte nun mal, dass ich nicht gehört worden sei. Es tut mir also Leid - würde mir aber wünschen, dass man auch mal nach hinten guckt, bevor man die Bahn blockiert.
Da hast Du völlig richtig gehandelt - die Strecke ist nicht dazu da, zu dritt nebeneinander einen lockeren Lauf zu veranstalten (v. a. wenn maximal 3 nebeneinander Platz haben)!
Abgesehen davon, hast Du das falsch verstanden - das war ein Kompliment, beim Laufen wäre ich auf jeden Fall lieber ein A8 als ein LKW! :wink:
Mir ist das ganze letzte Woche bei einem HM passiert: 3 Walkerinnen nebeneinander, mein Vorläufer hatte mit "Vorsicht bitte" nur eine Auseinanderbewegung mit der Geschwindigkeit einer Kontinentaldrift erreicht - eine etwas kräftigere und lautere Bemerkung meinerseits hat dann für Platz gesorgt (und ein bißchen Hinterher-Geschimpfe "Geht das nicht freundlicher?" - klar ginge das, mit Höflichkeit hat's der vor mir aber schon erfolglos versucht :D ).
Grüße

schneapfla

I was running so fast - it was like the trees were standing still!

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Sehr schön geschrieben, war schön zu lesen :daumen:
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Die folgenden Wörter sind sehr allgemein und wurden in der Suchanfrage ignoriert : kontinentalplatten
:tocktock:
Gesperrt

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